Energiewende Teuer und planlos zusammengeschustert

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Stromnetze drohen zusammen zu brechen

Die 20 wichtigsten Antworten zur Energiewende
Woher kommt in zehn Jahren unser Strom?Fest steht bisher vor allem, welche Energie im Jahr 2022 nicht mehr zur Verfügung steht: die Atomenergie. Die Meiler werden bis dahin abgeschaltet und danach demontiert. Erneuerbare Energien sollen bis 2022 für mindestens 35 Prozent des Stroms sorgen, der aus unseren Steckdosen kommt: Solarstrom, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft müssen dafür ausgebaut werden. Im vergangenen Jahr steuerten sie erst 20 Prozent bei. Damit verändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Stroms, sondern auch die Landschaft der Energieerzeuger: In zehn Jahren werden nicht mehr Großkraftwerke die meiste Energie erzeugen, sondern Hunderttausende Landwirte, Gewerbetreibende oder Privatleute – unter anderem mit Windrädern, Solardächern und Keller-Kraftwerken. Komplett grün wird die Energie aber nicht: Ohne Gas und Kohle geht es auch im Jahr 2022 nicht. Sie werden dann 48 Prozent statt heute 58 Prozent des Strombedarfs erzeugen. Quelle: dpa
Energiekonzerne News: Aktuelle Meldungen rund um die Energiewende Quelle: dpa
Welche Energieversorger profitieren von grünem Strom?Vor allem die vielen Stadtwerke hoffen darauf, dass sie den großen vier Versorgern Marktanteile abjagen können. Zurzeit liegt ihr Anteil an der Stromerzeugung bei etwa zehn Prozent – in den nächsten Jahren wollen sie ihn verdoppeln. Um das zu erreichen, wollen sie in erneuerbare Energien und in neue fossile Kraftwerke investieren. Quelle: dpa
Und wer zahlt für all das?Am Ende immer die Verbraucher – und zwar vor allem die Privatkunden. Der Ausbau der regenerativen Energien wird über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) finanziert. Die meisten Stromanbieter führen derzeit je Kilowattstunde Strom rund 3,6 Cent Ökoaufschlag ab. Dieses Geld fließt an die Betreiber von Windrädern, Wasserkraftwerken, Photovoltaikanlagen, Biomasse- oder Geothermiekraftwerken. Ein durchschnittlicher Privathaushalt, der im Jahr 3500 Kilowattstunden Strom verbraucht, zahlt auf diese Art 126 Euro jährlich für die grüne Energie. Für die Industrie gelten Ausnahmen. Sie verbraucht zwar gut die Hälfte des Stroms in Deutschland, schultert aber weniger als die Hälfte der EEG-Kosten. Kosten entstehen nicht nur für den Bau von Windrädern & Co. Auch die Stromnetze müssen ausgebaut werden. Das finanzieren Privatverbraucher und Konzerne über die staatlich regulierten Netzentgelte. Das erhöht den Preis für die Kilowattstunde Strom um 5,75 Cent. Hier steuern Privatkunden ebenfalls mehr bei als die Industrie Quelle: dpa
Was machen die Betreiber mit den alten Atommeilern?Fest steht bisher vor allem, welche Energie im Jahr 2022 nicht mehr zur Verfügung steht: die Atomenergie. Die Meiler werden bis dahin abgeschaltet und danach demontiert. Erneuerbare Energien sollen bis 2022 für mindestens 35 Prozent des Stroms sorgen, der aus unseren Steckdosen kommt: Solarstrom, Windenergie, Biomasse, Geothermie und Wasserkraft müssen dafür ausgebaut werden. Im vergangenen Jahr steuerten sie erst 20 Prozent bei. Damit verändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Stroms, sondern auch die Landschaft der Energieerzeuger: In zehn Jahren werden nicht mehr Großkraftwerke die meiste Energie erzeugen, sondern Hunderttausende Landwirte, Gewerbetreibende oder Privatleute – unter anderem mit Windrädern, Solardächern und Keller-Kraftwerken. Komplett grün wird die Energie aber nicht: Ohne Gas und Kohle geht es auch im Jahr 2022 nicht. Sie werden dann 48 Prozent statt heute 58 Prozent des Strombedarfs erzeugen. Quelle: dapd
Ist die Energiewende unumkehrbar?Aufschiebbar ist sie vielleicht, umkehrbar aber nicht mehr. Eon klagt zwar gegen den Ausstieg, RWE wird folgen, und Vattenfall plant, ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Damit wollen die Großen aber nicht die Entscheidung kippen. Auch sie wissen, dass das Thema Atom hierzulande gesellschaftlich erledigt ist. Ihnen geht es um Schadensersatz. Theoretisch könnte jede Bundesregierung den Abschaltbefehl zurücknehmen. Noch laufen neun Kernkraftwerke, deren Laufzeit verlängert werden könnte. Wenn der Ausbau der grünen Energie nicht schnell gelingt, ist eine weitere Fristverlängerung denkbar. Quelle: dapd
Kann ein Land sich komplett mit Ökostrom versorgen?Wind- und Solaranlagen haben einen großen Nachteil: Die Ausbeute hängt von der Witterung ab. Bläst der Wind und scheint die Sonne, können die Windräder und Solardächer schon heute einen Großteil des deutschen Strombedarfs decken. Bei Flaute, Sturm oder starker Bewölkung sinkt ihr Ertrag aber unmittelbar. Mittags, wenn die Sonne scheint, erzeugen Solaranlagen schon fast zu viel Strom, abends wird es dagegen, vor allem im Winter, eher eng. Bei der Windkraft ist das im Prinzip ähnlich. Alle deutschen Windkraftanlagen zusammen können maximal 28000 Megawatt liefern. Am 4. Februar 2011 zum Beispiel wehte der Wind, und tatsächlich wurden an diesem Tag fast 23000 Megawatt erreicht. Das entspricht dann der Leistung von 20 bis 25 großen Kraftwerken. Am 5. Juli herrschte hingegen Flaute, und der gesamte deutsche Windkraftpark lieferte nur noch etwa 90 Megawatt elektrische Leistung. Das reicht nicht einmal für eine Großstadt. Solche Schwankungen sind nicht nur schlecht für die Verbraucher, die rund um die Uhr Strom haben wollen, sondern auch für die Netzbetreiber: Deren Leitungen funktionieren nur bei stabiler Spannung im Netz. Quelle: Reuters

Mit der Energiewende hat sich die Rolle der Behörde jedoch gewandelt. Windräder pressen bei Sturmböen den Strom so gewaltig in die Netze, dass diese zusammenzubrechen drohen. An eiskalten, windstillen und dunklen Tagen im Winter 2011, in der Vorweihnachtszeit, stieg der Stromverbrauch so rasant an, dass die Stilllegung von acht Atomkraftwerken plötzlich schmerzlich spürbar war. Die Netzbetreiber mussten zum Teil die Stromproduzenten anweisen, Ölkraftwerke oder kalte Kohlekraftwerke anzuschmeißen.

Um einen Blackout zu verhindern, plant die Bundesregierung ein Notgesetz, das der Bundesnetzagentur künftig ungeahnte Eingriffsrechte in den Strommarkt geben soll. So soll die Behörde verhindern dürfen, dass die Energiekonzerne unrentable, aber aus Sicht der Beamten notwendige Kraftwerke für die Versorgungssicherheit abschalten. Prompt fordern die Erzeuger für diesen Fall eine Entschädigung.

Eigentlich hätte die Energiewende die Einigung Europas beim Strom vollenden können. Wenn der überversorgte Stromexporteur Deutschland die Atomkraftwerke sukzessive abschaltet, so das Szenario, würde mehr Elektrizität hereinfließen: zum Beispiel aus Frankreich, aber auch aus den Niederlanden und Polen. Die beiden kleineren Länder sind in der Lage, minutenschnell mit ihren Kohlekraftwerken über Kuppelstellen an den Grenzen gut 4000 Megawatt Leistung in Deutschland zu ersetzen, etwa vier Atomkraftwerke.

Polen halten deutschen Strom von ihren Netzen fern

Doch die Realität sieht anders aus. Die Windräder in Deutschlands Norden drücken so viel Strom ins Netz, dass deren Saft wegen ungenügender Nord-Süd-Verbindungen über die Grenzen nach Holland und Polen strebt. Folge: Die polnischen und holländischen Netze ächzen unter zeitweiser Höchstbelastung im Herbst und drohen durchzuknallen. Warschau äußerte sich bereits in Berlin besorgt über den stürmischen Stromexpansionismus, der die Netze östlich der Oder bedroht. Die Polen bauen deshalb Schieber in ihre Kuppelstellen, die deutschen Strom vom polnischen Netz fernhalten.

"Gaskraftwerke hängen uns wie ein Klotz am Bein", sagt ein RWE-Manager dieser Tage. Der Satz klingt wie Hohngesang auf die Energiewende weg vom Atom- und hin zum Strom aus klimaschonender Erzeugung. Denn Gaskraftwerke produzieren weniger Emissionen als Braun- und Steinkohlekraftwerke. Und sie können schnell hoch- und heruntergefahren werden, je nachdem, wie viel Strom Sonne und Wind erzeugen.

Gaskraftwerke sind nicht notwendig

Doch das Kalkül, die Gaskraftwerke zum Joker der Energiewende zu machen, wird immer mehr zu Makulatur. Es gibt zurzeit so viel Strom aus Wind- und Sonnenenergie in Europa, dass Gaskraftwerke immer weniger notwendig werden. In der Vergangenheit waren sie nützlich, um den Spitzenstrombedarf mittags zwischen 12 und 14 Uhr zu decken. Das bescherte den 53 deutschen Gaskraftwerken eine Auslastung von circa 60 Prozent. Mit dem vielen Wind- und Sonnenstrom ist es damit aber vorbei. Neue Gastkraftwerke sind manchmal nur zu zehn Prozent ausgelastet.

Der Chef der Leipziger Strombörse EEX, Peter Reitz, bringt es auf den Punkt: Wenn die Bundesregierung das Ziel habe, die erneuerbaren Energien bis zu einem Anteil von 80 Prozent an der gesamten Stromproduktion heraufzuschrauben und dafür dann die Preise garantiert, dann sei die Marktwirtschaft beim Strom "praktisch tot".

Der frühere Chef der Monopolkommission Justus Haucap stellt kürzlich vor der Ludwig-Erhard-Gesellschaft fest, dass Energiepolitik heute dem "Modell der dezentralen Planverwaltungswirtschaft entspreche".

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