Energiewende Was tun, wenn der Blackout kommt?

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Chemiepark Leverkusen mit Quelle: dpa

Nicht ganz so einfach ist dies in der chemischen Industrie. Konzerne verfügen zwar über eigene Kraftwerke, sodass die Branche insgesamt ein Fünftel ihres Stromes selbst erzeugt. Produzieren sie die Energie aber nur ein paar Kilometer entfernt und verfügen nicht über eigene Leitungen, sind sie auf das öffentliche Netz angewiesen. „Vorsorge kann man nicht treffen“, sagt Energieexperte Jörg Rothermel beim Verband der Chemischen Industrie. „Wir hoffen, dass es nicht eintritt.“

Anders stellt sich die Lage für die 1600 kleinen und mittelgroßen Unternehmen dar, die ihren Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen. Michael Träger erinnert sich noch genau an den Blitz, der am 3. Juli des vergangenen Jahres die Stromversorgung durcheinanderbrachte. „Es handelte sich nur um eine Unterbrechung von wenigen Zehntelsekunden“, sagt der Geschäftsführer von Vestolit, einem der großen Kunststoffhersteller Europas. Zwar sprangen im Werk in Marl am Rande des Ruhrgebiets sofort die Notstromaggregate an. Doch die Anlage schaltete die Ventile und Pumpen wie immer in solchen Fällen in Sicherheitszustand. Es dauerte einen Tag, bis Vestolit wieder normal produzieren konnte. Kosten des Augenblicks ohne Strom: rund eine Million Euro.

Auch Papier- und Glashersteller fürchten solche Miniaussetzer. Entspannter wäre Vestolit-Manager Träger, wenn er wegen Strommangels das Herz der Anlage, die Elektrolyse, die etwa 80 Prozent des Stroms des Werkes verbraucht, planvoll herunterfahren müsste. Dann könnte er bis zu zwei Tage ausharren, ohne dass die Anlage Schaden nehmen würde.

Ein, zwei Stunden ohne Strom

Ähnlich sensibel wie Vestolit reagieren Geldautomaten. Die meisten fallen sofort aus, denn nur wenige Geräte haben Anschluss an die Notstromversorgung ihrer Bankfilialen. Kehrt der Strom erst in ein, zwei Stunden zurück, dürften zunehmend Kunden in die Geldhäuser strömen, weil Online-Konten blockiert sind und elektronische Zahlungsmittel wie EC- und Kreditkarten versagen. Wäre nicht abzusehen, wann wieder Elektrizität verfügbar ist, dürften so manche Kunden einen Schritt weitergehen. Die 118 Euro Bargeld, die ein Bundesbürger im Schnitt bei sich trägt, sind im Notfall schnell für Hamsterkäufe aufgebraucht.

Dass Informationen über Konten verloren gehen, muss niemand fürchten. „Banken und Börsen sichern ihre Daten zuverlässig in getrennten Rechenzentren“, sagt der Münchner Sicherheitsexperte Arne Schönbohm. „Dringender ist es, Verbraucher und Unternehmen mit Bargeld zu versorgen.“

Von zwei Stunden Stromausfall wäre auch die Deutsche Bahn zunächst nicht allzu sehr betroffen. Das Schienennetz funktioniert relativ autark, weil die Bahn-Tochter DB Energie 75 Prozent des Bahnstroms direkt bei Kraftwerksbetreibern bezieht. Fahrstrom erhalten Züge dann über das Bahn-eigene Hochspannungsnetz aus entfernten Regionen. Die Versorgungssicherheit liegt laut Angaben der Bahn dadurch bei fast 100 Prozent.

Ein Blackout im öffentlichen Stromnetz würde zwar über kurz oder lang Signale, Stellwerke und Bahnhöfe lahmlegen. Doch an den wichtigsten stehen Notstromaggregate, die mehrere Stunden überbrücken. Selbst wenn der Stromausfall eine der sieben Betriebszentralen träfe, könnten diese weiterlaufen. Denn fehlt der Strom mehrere Stunden, rücken Mitarbeiter aus, um die Stellwerke vor Ort zu bedienen. Diese verfügen ebenfalls über Notstromaggregate.

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