Engpässe Kampf gegen den Blackout

Der Atomausstieg, die anhaltende Kältewelle und Gas-Lieferschwierigkeiten bringen die deutschen Stromnetze an die Belastungsgrenze: Seit heute beugen die vier Netzbetreiber drohenden Stromausfällen mit Notmaßnahmen vor.

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Die Netzbetreiber wollen mit Kräften einen Blackout in Süddeutschland vermeiden. Quelle: dpa

Essen Es ist eine Maßnahme, die zeigt, wie angespannt die Situation im deutschen Stromnetz ist: In den Abendstunden werden die vier Hochspannungs-Netzbetreiber heute in Deutschland eigentlich still gelegte Kraftwerke ans Netz nehmen. Zum zweiten Mal in diesem Winter nutzen sie die Notreserve, die im Sommer nach den Beschlüssen zur Energiewende eingerichtet worden war. Dies hätten die vier Unternehmen bereits am Dienstagabend gemeinsam vereinbart, bestätigte eine Sprecherin von Tennet auf Anfrage des Handelsblatts. Die Firma betreibt das Stromnetz im Nordwesten Deutschlands.

Die Sprecherin bezeichnete den Schritt als „Vorbeugemaßnahme“. Ähnlich äußerte sich ein Sprecher der Bundesnetzagentur.

Seit der Energiewende sind acht Kernkraftwerke vom Netz und damit ist die bislang recht üppige Reservekapazität gesunken, mit der sich die vier Netzbetreiber Tennet, 50 Hertz, Amprion und EnBW absichern, um bei plötzlichen Kraftwerksausfällen das Netz zu stabilisieren oder einzugreifen, wenn die inzwischen zahlreichen Wind- und Solaranlagen abhängig vom Wetter keinen Strom liefern. Schließlich ist die Situation besonders in Süddeutschland angespannt, weil dort gleich fünf Kernkraftwerke vom Netz mussten und große Stromverbraucher sitzen.

Um trotzdem einen Puffer zu schaffen, hatte die Bundesnetzagentur im Rhein-Main-Neckar-Gebiet vier alte, eigentlich unrentable Kraftwerksblöcke als so genannte Kaltreserve mit einer Leistung von etwa 1000 Megawatt bestimmt und auch im benachbarten Österreich Reserven in ähnlichem Umfang organisiert. Die gesamte Leistung der Kaltreserve enstpricht damit in etwa der eines sehr großen Kohlekraftwerks. Auf die Reserven in Österreich griffen die Netzbetreiber schon einmal Anfang Dezember zurück, auf die deutschen bislang noch nicht.

Die Atom-Kehrtwende und der Weg zum Ausstieg

Zuletzt hat sich die Situation auf dem Strommarkt deutlich verschärft. Zum einen ist der Verbrauch durch die Eiseskälte deutlich gestiegen. Speziell in Frankreich ist der Stromverbrauch hoch, weil dort viel mit Strom geheizt wird. Deshalb fällt das Land als Exporteur weitgehend aus und muss zeitweise sogar aus Deutschland importieren. Zum anderen wirken sich die Lieferengpässe des russischen Produzenten Gazprom inzwischen doch in Deutschland aus. In Süddeutschland, wo über Österreich in den vergangenen Tagen zeitweise 30 Prozent weniger Gas ankam, wurden inzwischen einige Gaskraftwerke gedrosselt, wie die Tennet-Sprecherin bestätigte.

In Deutschland gebe es zwar genügend Gas in den Speichern, erläuterte ein Vertreter einer großen Gasgesellschaft. Die lägen aber in Norddeutschland – und bis das Gas nach Süddeutschland transportiert sei, vergingen ein paar Tage. Die Situation sei aber im Griff. Stefan Vogg, Vorstandsmitglied bei Eon Ruhrgas hatte erst gestern gesagt, dass sein Unternehmen allen Lieferverpflichtungen nachkommen. Einige Gaskraftwerke haben aber Verträge, die ihren Lieferanten gestatten, sie nachrangig zu bedienen.

Weil für die Abendstunden auch wenig Windstrom prognostiziert worden sei, habe man sich für die Vorbeugemaßnahme entschieden, sagte die Tennet-Sprecherin. Ob auch in den nächsten Tagen auf die Notreserve zurück gegriffen werde, würden die vier Netzbetreiber in Absprache entscheiden.

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