Enqu ist insolvent Der nächste Energieanbieter ist pleite

 Ein Mann dreht in einer Wohnung am Thermostat einer Heizung. Quelle: dpa

Die Insolvenzserie bei Strom- und Gasanbietern hält an: Mit dem Kieler Unternehmen Enqu hat jetzt der nächste Versorger die Reißleine gezogen – die Politik ist alarmiert.

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„Leider kommen wir heute mit einer unerfreulichen Nachricht auf Sie zu“, begrüßt der Kieler Energieanbieter Enqu seine Kunden auf der Unternehmenshomepage. Aufgrund der „historisch einmaligen Preisentwicklungen am Energiemarkt„ sei eine „Fortführung unserer Versorgungstätigkeit“, nicht mehr möglich, teilt das Unternehmen mit. Ende Dezember habe man alle Lieferverträge gekündigt.

Doch ohne Geschäft gab es zunächst auch keine Perspektive für das Unternehmen: Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat Enqu am Freitag beim Amtsgericht Kiel Insolvenz angemeldet. Der Sanierungsexperte Reinhold Schmid-Sperber, Partner bei Reimer Rechtsanwälte, wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.

Enqu ist seit 2009 am Markt und zählte nach eigenen Angaben „mehrere tausend“ Strom- und Gaskunden in ganz Deutschland. Die Enqu-Insolvenz ist indes nur der jüngste Fall einer regelrechten Pleitenserie im deutschen Energiemarkt. Seit Oktober 2021 zogen das Hamburger Unternehmen Smiling Green Energy und der Brandenburger Strom- und Gasspezialist Otima Energie AG die Reißleine. Lition, Fulminant Energie, Dreischtrom und die Neckermann Strom AG folgten. Ebenso wie Enyway und Kehag Energiehandel. 

Das Problem: Die Anbieter kaufen kurzfristig Energie am Markt ein, haben mit ihren Kunden aber langfristige Lieferverträge mit Preisgarantien. Bei so rasanten Preissprüngen, wie in den vergangenen Monaten, geht ihre Kalkulation nicht mehr auf. Viele Billiganbieter sind denn auch in Turbulenzen geraten und kündigten Tausende Verträge – so wie Enqu im Dezember.

Ob das Vorgehen rechtlich Bestand hat, ist allerdings fraglich. Zudem erhöht die Politik den Druck. So hat die Bundesregierung angekündigt, kurzfristigen Kündigungen von Strom- und Gasverträgen durch Billiganbieter sowie Preissprüngen einen Riegel vorzuschieben. „Wir dürfen die Verbraucher nicht nochmal so im Regen stehen lassen“, sagte jüngst Oliver Krischer (Grüne), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. „Das war und ist eine große Belastung für viele Menschen und ein großer Schock, auf einmal eine Kündigung des Gas- oder Stromanbieters im Briefkasten vorzufinden.“

184,7 Prozent über den bisherigen Tarifen

Demnach soll die Aufkündigung von Gas- oder Stromlieferungen künftig mehrere Monate vorher angekündigt werden müssen, damit Verbraucher sich in Ruhe einen neuen Versorger suchen können. Betroffene Verbraucher bekommen zwar auch nach einer Kündigung ihres Anbieters weiterhin Energie, fallen dann aber in die sogenannte Ersatzversorgung beim Grundversorger der jeweiligen Kommune. Sie müssen dafür aber oft deutlich mehr zahlen, denn viele Grundversorger, haben in den vergangenen Wochen eigens neue Tarife für Neukunden eingeführt. Nach Angaben des Vergleichsportals Check24 haben bei Gas beispielsweise mehr als 300 Grundversorger neue Tarife ausschließlich für Neukunden eingeführt. Deren Preise lagen um durchschnittlich 184,7 Prozent über den bisherigen Tarifen, was fast eine Verdreifachung bedeutet.

Die Preissprünge sind erheblich, teils aber nachvollziehbar. Denn auch die Grundversorger stehen durch den unfreiwilligen Zustrom von Neukunden vor erheblichen Kosten und müssen die Energie laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zu aktuell sehr hohen Preisen zukaufen.

„Es gibt Handlungsbedarf“, räumt Staatssekretär Krischer ein „Wir wollen deshalb die Hürden für Liefereinstellungen erhöhen und das Instrument der Grund- und Ersatzversorgung auf neue Füße stellen.“ Das Ministerium werde außerdem Vorschläge machen, wie die unseriösen Wettbewerber von der Bundesnetzagentur besser herausgefiltert werden. „Dass rund einer Million Gas- und Stromkunden innerhalb kürzester Zeit gekündigt wird, darf sich so nicht wiederholen.“ 

Ganz so einfach lassen sich die Probleme allerdings nicht lösen. Zwar kann mit längeren Kündigungsfristen Missbrauch möglicherweise eingedämmt werden. Für die angeschlagenen Energiediscounter verschärft sich damit aber die finanzielle Situation und die Insolvenzgefahr steigt. Spätestens wenn der Insolvenzantrag gestellt wurde, müssten dann wohl trotzdem die Grundversorger einspringen. 

Mehr zum Thema: Die grünen Minister Robert Habeck und Steffi Lemke wollen Verbraucher mit Gesetzen vor der Zockerei von Billigstromanbietern schützen. Dabei ist das zentrale Problem der Schutz der Grundversorger.

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