Es war ein Kraftakt mit noch ungewissem Ausgang: Über Börsengänge abgetrennter Konzernteile haben die Energieriesen Eon und RWE eine dringend nötige Kehrtwende eingeleitet. Gelingt den Versorgern mit Hilfe ihrer eigenständigen Öko-Sparten nun tatsächlich der Befreiungsschlag - oder kommt die schrittweise Abwendung von der Kohle- und Atomkraft viel zu spät? 2017 dürfte es für Verbraucher und die Branche ähnlich spannend bleiben. Zentrale Themen im Überblick:
1. Die Rettungsstrategie: Ökostrom, Netze und Services abspalten
Die „neue“ Eon mit Ökostrom, Netzgeschäft und Vertrieb heißt weiter Eon - der alte Bestand mit den konventionellen Kraftwerken und dem Gasgeschäft wurde in den jetzt ebenfalls börsennotierten Konzern Uniper ausgelagert. Eon verfolgt eine Konzentration auf die boomenden neuen Energien bei gleichzeitiger Verschlankung. „Unser Ziel ist es, trotz weiterer grundlegender Veränderungen die Zukunft dauerhaft zu sichern“, erklärte Vorstandschef Johannes Teyssen im November.
Ähnlich machte es der Rivale RWE, wenngleich genau andersherum: Die Essener holten sich an der Börse frisches Geld für ihre Öko-Sparte Innogy, während die „alte“ RWE etwa die konventionellen Anlagen verwaltet. Konzernchef Peter Terium verbreitete zum Innogy-Start auf dem Parkett im Oktober Zuversicht: „Das ist ein super, super Tag.“
Die Börsengänge der Töchter von Eon und RWE
Die von der Energiewende gebeutelten Energieriesen Eon und RWE treiben ihre Konzernumbauten voran. Eon hat die Kraftwerkstochter Uniper im September an die Börse gebracht, RWE brachte das Ökostromgeschäft Innogy im Oktober an den Aktienmarkt.
Die Eon-Tochter Uniper hat ihren Sitz in Düsseldorf, beschäftigt knapp 14.000 Mitarbeiter und erzielte nach Konzernangaben 2015 auf Pro-Forma-Basis ein Ebit von 0,8 Milliarden Euro und einen Nettoverlust von rund vier Milliarden Euro. Chef ist der ehemalige Eon-Finanzvorstand Klaus Schäfer.
Die RWE-Tochter Innogy hat ihren Sitz in Essen, beschäftigt knapp 40.000 Mitarbeiter und erzielte rein rechnerisch nach RWE-Angaben 2015 einen operativen Gewinn (Ebitda) von 4,5 Milliarden Euro und einen Nettoergebnis von 1,6 Milliarden Euro. Geführt wird das Unternehmen von RWE-Chef Peter Terium, der nach dem Börsengang den Chefposten des Mutterkonzerns abgegeben hat.
Uniper betreibt Kohle- und Gaskraftwerke in Europa und Russland mit rund 40 Gigawattt. Hinzu kommen Wasser- und Atomkraftwerke in Schweden sowie der Energiehandel.
RWE Innogy bündelt das Geschäft mit Ökostrom, Strom- und Gasnetzen sowie den Vertrieb von Strom und Gas.
Eon hat im Zuge eines Spin-Offs 53 Prozent der Uniper-Anteile an die Börse gebracht und sie den eigenen Aktionären ins Depot gelegt. Einnahmen erzielt der Konzern dabei zunächst nicht. Eon will allerdings mittelfristig die restlichen Aktien versilbern, allerdings nicht vor 2018.
RWE und die neue Tochter Innogy brachten zunächst 23 Prozent der Anteile an die Börse. Später könnten weitere Anteile verkauft werden, RWE will aber die Mehrheit behalten.
Uniper und Innogy geben keine konkrete Geschäftsprognosen. Beide könnten aber bereits für 2016 eine Dividende ausschütten. Uniper steht von Beginn unter Druck. Der Konzern will bis 2018 Beteiligungen im Wert von mindestens zwei Milliarden Euro verkaufen und die Personalkosten senken.
Innogy erwartet stabile Geschäfte, da der größte Teil der Einnahmen, etwa für den Betrieb der Strom- und Gasnetze staatlich reguliert ist. Das Unternehmen peilt eine Dividende von 70 bis 80 Prozent des bereinigten Nettogewinns an.
2. Das anhaltende Problem: Kohle und Gas verdienen nicht genug Geld
Ein hohes Angebot an Ökostrom drückt in die Netze, weshalb die Lücke zwischen den eigentlich geringen Großhandelspreisen und den Einspeisevergütungen für die Hersteller von alternativer Energie tendenziell weiter aufklafft. Das Preisniveau an den Strombörsen ist für den Verkauf insbesondere der konventionell erzeugten Elektrizität entscheidend. Die „neuen“ Ökostrom-Geschäfte laufen deutlich besser.
Die Eon-Abspaltung Uniper steckte nach den ersten drei Quartalen 2016 mit minus 4,2 Milliarden Euro tief in den roten Zahlen. Das war so kurz nach der Trennung auch nicht anders erwartet worden. Der Betriebsgewinn legte auf rund 1,8 Milliarden Euro zu - jedoch vor allem wegen des Sondereffekts neu verhandelter Lieferverträge mit dem russischen Gasriesen Gazprom. Bei RWE sackte das Betriebsergebnis nach neun Monaten um knapp neun Prozent auf 2,6 Milliarden Euro ab.
Macht Innogy-Börsengang RWE zum Sieger?
Bei der Erstnotiz sollen bis zu ein Viertel der Innogy-Anteile auf den Markt gebracht werden. Die Aktien sollen 35 bis 36 Euro kosten. Damit würde Innogy auf eine Bewertung von bis zu 20 Milliarden Euro kommen und wäre der mit Abstand wertvollste deutsche Energiekonzern. Der Börsengang besteht aus mehreren Teilen. So gibt Innogy im Rahmen einer Kapitalerhöhung zehn Prozent neue Aktien aus, das soll dem Unternehmen zwischen 1,8 und 2 Milliarden Euro für Wachstumsinvestitionen bescheren. Zudem will RWE bis zu 15 Prozent seiner Innogy-Anteile verkaufen.
Mit Innogy bringt RWE sein sogenanntes Zukunftsgeschäft aus Ökostrom, Netzen und Vertrieb an die Börse. Hier sehen Investoren Wachstumsperspektiven. Zudem verspricht das Netzgeschäft mit seinen staatlich vorgegebenen Preisen zwar keine üppigen, aber gut kalkulierbare Erträge. In Zeiten niedriger Zinsen sind solche Anlagen gefragt. Vor allem aber kommt Innogy ohne Altlasten aus Atom- und Kohlekraftwerken auf den Markt und winkt mit hohen Dividenden. Zudem gehen die Banken bei der Vermarktung der Aktien geschickt vor – mit dem Vermögensverwalter Blackrock haben sie bereits einen Großanleger an Bord geholt.
Darauf hofft das Management. Auf jeden Fall verschafft sich der Mutterkonzern neue finanzielle Spielräume. Vor einem Jahr schien das noch undenkbar. Kaum ein Investor wollte RWE angesichts wegbrechender Gewinne der alten Großkraftwerke und der Unsicherheiten über die Kosten für den Atomausstieg noch Geld geben. Jetzt bringt der Börsengang Milliarden ein. Geld, dass der Konzern für Neuinvestitionen in Energiewende-Produkte die Kosten des Atomausstiegs gut gebrauchen kann.
RWE trennt sich von einem Großteil seiner Geschäfte, die zuletzt für gut drei Viertel des Betriebsgewinns standen. Rund 40.000 von derzeit knapp 60.000 RWE-Beschäftigten werden bei Innogy arbeiten. Von den operativen Geschäften bleiben RWE nur noch die angeschlagenen Großkraftwerke sowie der schwankungsanfällige Energiehandel. Dritte Ertragsquelle sind die erwarteten Dividenden von Innogy. Bei künftigem Kapitalbedarf könnte RWE auch weitere Innogy-Anteile über die Zeit veräußern. Bislang heißt es aber, dass der Konzern auch langfristig die Mehrheit an Innogy behalten will.
Auch Eon hat sich aufgespalten, ist dabei aber genau andersherum vorgegangen. So hat der RWE-Rivale seine ungeliebten Altgeschäfte über das neue Unternehmen Uniper an die Börse gebracht und will sich künftig selbst auf die neue Energiewelt konzentrieren. Ursprünglich wollte sich der Konzern dabei auch von seinen deutschen Atomkraftwerken trennen. Doch dem machte die Bundesregierung einen Strich durch die Rechnung, weil sie fürchtete, dass Eon sich so aus der langfristigen Haftung stehlen wollte.
Derzeit hat RWE die Nase vorn. Der „blaue“ RWE-Konzern war in den vergangenen Jahren immer weniger wert als sein „roter“ Rivale. Doch nun ziehen RWE und Innogy davon. Zusammen könnten sie rund 28 Milliarden Euro Börsenwert auf die Waage bringen könnten, während Eon und Uniper zusammen nur auf rund 16 Milliarden Euro Aktienwert kommen. Die Abspaltung von Uniper hat bei Eon bislang nicht zum erhofften Anstieg des Aktienkurses geführt. Ein Grund dafür sind die anhaltenden Unsicherheiten über die Lasten für den Atomausstieg.
Eon betont, den klareren Schnitt gemacht zu haben. Der Konzern hat gleich mehr als 50 Prozent der Anteile an Uniper abgegeben. Damit könne Eon wirklich frei agieren, betont Vorstandschef Johannes Teyssen. Innogy dagegen gehört weiter zu RWE und könnte nach Meinung von Kritikern zu viel Rücksicht auf die angeschlagene Mutter nehmen müssen.
3. Der Verbraucher muss vorerst weiter draufzahlen
Der Privatkunde merkt von dem Preistief an den Strombörsen kaum etwas - ganz im Gegenteil: Steigende Kosten für den Ausbau des Netzes und der erneuerbaren Energien werden auch 2017 zu einem beträchtlichen Teil über die Netzentgelte und die Ökostrom-Umlage auf ihn abgewälzt.
Rund drei Viertel des Endverbraucher-Preises entfallen auf solche Abgaben und Steuern. Im nächsten Jahr erhöht sich die Ökostrom-Umlage von 6,35 auf 6,88 Cent je Kilowattstunde. Bei den Netzentgelten ist es ähnlich. Der für Norddeutschland und Bayern zuständige Betreiber Tennet kündigte beispielsweise eine Erhöhung um 80 Prozent an.
Ergebnis: Nach einem Jahr 2016 fast ohne Steigerungen geht es beim Strompreis 2017 wohl wieder spürbar nach oben. Das ergaben Vergleiche der Portale Check24 und Verivox. Laut aktualisierten Check24-Daten müssen elf Millionen Haushalte mehr zahlen, weil 334 Grundversorger Erhöhungen um durchschnittlich 3,5 Prozent planen. 21 Grundversorger meldeten demnach aber auch Preissenkungen um im Schnitt 2,1 Prozent.
4. Die Politik versucht zu helfen
2016 wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abermals novelliert. Statt einer pauschalen Subventionierung des Ökostrom-Ausbaus mit Garantiepreisen für die Einspeisung der Erzeuger wird die Förderung nun - je nach Energieträger - unterschiedlich stark gedeckelt. So sollen der Kostenanstieg und die Überhitzung beim Zubau von Windkraft-, Solar- und Biogasanlagen unter Kontrolle gebracht werden.
Künftig gibt es statt des „Gießkannen-Prinzips“ Ausschreibungen. In der Regel soll dabei derjenige Erzeuger den Zuschlag erhalten, der am wenigsten staatliche Fördergelder verlangt. Auch die Ökostrom-Menge soll zwischen Überproduktion in Spitzenzeiten und Mangelversorgung bei Windstille oder bedecktem Himmel so besser gesteuert werden. Denn solange die Netze nicht hinreichend ausgebaut sind, schwankt der Beitrag der Ökoträger - mit Risiken für die Versorgungssicherheit.
5. Altlast Atomausstieg
Die beschleunigte Abwicklung der Nuklearenergie in Deutschland - nach dem Fukushima-Schock 2011 von der Regierung durchgeboxt - bleibt ein Reizthema. Weil die Konzerne auf längere Laufzeiten setzten, nahmen sie auch Investitionen in Angriff, die aus heutiger Sicht überflüssig sind. Eon, RWE und Vattenfall wollten Schadenersatz wegen Enteignung.
Anfang Dezember urteilte das Bundesverfassungsgericht überraschend: Prinzipiell haben die Energieriesen zumindest teilweise ein Recht auf Entschädigung wegen des staatlich verordneten Ausstiegs. Bis Sommer 2018 soll der Gesetzgeber klären, wie ein Ausgleich aussehen kann. Der Steuerzahler, der schon die schwer vorhersehbaren Kostenrisiken für die Atommüll-Lagerung tragen soll, wird wohl zur Kasse gebeten.