
Erst war es Marokko, jetzt Tunesien. Die deutsche Desertec Foundation und ihre operative Organisation Dii wollen den südlichen Mittelmeerraum spätestens 2050 vollständig durch erneuerbare Energiequellen versorgen und 15 Prozent des EU-Strombedarfs decken. Das soll mit Hilfe von hunderten von Sonnenkraftwerken in der Wüste geschehen. Ebenso sollen Unterwasser-Hochleistungs-Stromleitungen durchs Mittelmeer nach Europa gelegt werden, um den Strom in die europäischen Industriezentren zu leiten. Das Ganze ist ein höchst ehrgeiziges Projekt, das nach wilden Schätzungen von Brancheninsidern auf ein Investitionsvolumen von 400 Milliarden Euro geschätzt wird – und bisher vor allem Schlagzeilen produziert hat.
Konkrete Formen
Das wird jetzt ganz langsam anders. Erst war es Marokko, wo die Dii eine Pilotanlage zusammen mit der marokkanischen Regierung bis 2015 errichten will, nun kommt Tunesien dran. Ab 2016, so wurde am Montag von Desertec-Foundation mitgeteilt, sollen europäische Haushalte mit Strom aus Tunesien versorgt werden. Damit nimmt im nordafrikanischen Wüstensand „die Vision der Desertec-Foundation, die Menschheit mit sauberem Strom aus den Wüsten der Erde zu versorgen, konkrete Formen an“, heißt es denkbar vollmundig. Das tunesische Projekt wurde „TuNur“ genannt, eine hübsche Wortschöpfung, die so ähnlich wie „Tu was“ klingt und den Pioniergeist der Desertec-Initiatoren gut charakterisiert.





Mit Hilfe tausender Spiegel soll die solarthermischen Kraftwerke des TuNur-Projektes die tunesische Sonne bündeln um mit ihrer Wärme bis zu zwei Gigawatt Strom erzeugen, immerhin so viel wie zwei Atomkraftwerke. Der Bau des Solarparks soll in mehreren Phasen erfolgen: Der Spatenstich der ersten Bauphase ist für das Jahr 2014 geplant, teilt das Desertec-Büro mit. Schon zwei Jahre später soll der erste Strom durch eine verlustarme Leitung über Italien nach Europa fließen. Dafür soll noch eine Leitung von Tunis nach Sizilien gelegt werden. TuNur soll, wenn alles fertig ist, 700 000 europäische Haushalte Tag und Nacht zuverlässig mit Strom versorgen.
Deutsche Projektgruppe
Das Dii-Konsortium ist bisher eine deutsche Projektgruppe, bestehend aus allen großen Konzernen, die auch nur entfernt etwas mit Energieproduktion und Durchleitung zu tun haben. Dazu gehören natürlich E.On so wie RWE, natürlich auch Siemens und die deutsche ABB sowie als Spiritus Rector der Finanzwirtschaft die Münchener Rück und die Deutsche Bank.
Zwischen der Desertec-Foundation, die ihren Sitz in Hamburg hat, und der Organisation Desertec Dii, die in München sitzt, soll nun nach dem Willen der Desertec Foundation ein deutlicher Unterschied in der öffentlichen Wahrnehmung gemacht werden. So legt die Desertec Foundation Wert darauf, dass nicht die Dii, sondern die Foundation in Hamburg das jetzt bekanntgewordene Tunesien-Projekt angeschoben hat. Brancheninsider sehen darin einen Bruch zwischen den Stifterin in der Foundation und der Industrie, die sich unter dem Dach der Dii organisiert hat.