Microsol wer? Fudschaira wo? Seit drei Wochen sorgt das indische Solarunternehmen Microsol International mit Sitz im kleinen arabischen Emirat Fudschaira in der deutschen Solarwirtschaft für Furore.
Sprung nach Deutschland
Das Unternehmen reichte beim Bundeskartellamt ein Angebot ein, Teile des einstigen Paradeherstellers und heute insolventen Berliner Konkurrenten Solon zu erwerben. Zwar liegt dem Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg noch ein Angebot eines US-Investors vor, und entschieden ist noch gar nichts. Dennoch gilt Microsol als klarer Favorit, nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres die Gewährleistung für Produkte des Berliner Pleitiers übernahm.
Die größten Hersteller von Solarzellen in Indien
Solarzellen
160 Megawatt pro Jahr
100 Megawatt pro Jahr
84 Megawatt pro Jahr
Der Unbekannte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 200 Mitarbeitern ist nicht das einzige Unternehmen in indischer Hand, das bei den erneuerbaren Energien zum Sprung nach Deutschland ansetzt. Während die hiesige Solarwirtschaft zusammen mit europäischen Konzernen bei der EU eine Klage gegen Billigkonkurrenten aus China vorbereitet, rücken ihr nun klammheimlich auch indische Unternehmen auf den Leib.
Die größten Hersteller von Solarmodulen in Indien
210 Megawatt pro Jahr
120 Megawatt pro Jahr
125 Megawatt pro Jahr
Lukrativer Umweg
Während die Chinesen mit ihren gigantischen Fabriken viele deutsche Solarzellenhersteller in Existenznöte bringen, haben die Angreifer vom Subkontinent offenbar vor allem Hochtechnologie made in Germany im Blick. „Vieles deutet darauf hin, dass die Inder über den Umweg Deutschland selbst die Wachstumspotenziale erneuerbarer Energien ihres Heimatmarktes erschließen“, sagt Wolfgang Hummel, Chef des Zentrums für Solarmarktforschung in Berlin.
Der Umweg ist für indische Unternehmen lukrativ. Zum einen profitieren sie von der hohen Förderung der Solaranlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Noch immer ist Deutschland deswegen der weltweit attraktivste Markt für Sonnen-, Wind- und Bioenergieanlagen.
Der indische Masterplan
Zum anderen benötigen die indischen Hersteller Spitzentechnologie, um das staatliche Solar-Förderprogramm National Solar Mission, kurz NSM, voranzutreiben. Der indische Masterplan sieht bis 2016 einen Zubau von 9.000 Megawatt vor, in etwa die Leistung von sechs bis sieben Atommeilern. Bis 2022 sind sogar 22.000 Megawatt geplant. „Unsere Prognosen liegen sogar bei knapp 40.000 Megawatt bis dahin“, sagt Tobias Engelmeier, Gründer der deutsch-indischen Beratungsfirma Bridge to India in Neu-Delhi und München.
Gigantische Aussichten
Die damit verbundenen Geschäftsaussichten sind gigantisch. Denn die Nutzung der Sonnenkraft in Indien ist noch völlig unterbelichtet. Das Riesenreich mit durchschnittlich 300 Sonnentagen im Jahr hat 2011 gerade einmal knapp 300 Megawatt Leistung installiert, in Deutschland waren es 7.500 Megawatt. Bisher stillen vor allem Kohle und Wasserkraft den stetig steigenden Energiehunger.
Um den gewaltigen Zubau der Fotovoltaik zu bewältigen, rüsten die Inder auf. „Wir beraten ein familiengeführtes Konglomerat, das groß in die Solarindustrie einsteigen möchte und den Kauf von Fabriken in Europa plant“, berichtet Indien-Experte Engelmeier. Namen möchte er nicht nennen. Die Pläne erinnern auffallend an Ankündigungen asiatischer Mischkonzerne wie Samsung, LG oder Foxconn, die in den vergangenen Monaten den Einstieg ins Fotovoltaik-Geschäft erklärten.
Ambitionen und Aktivitäten
Solon-Interessent Microsol kann sich mit solchen Giganten nicht messen. Das Unternehmen gehört laut Branchenkennern einem halbstaatlichen, indischen Private-Equity-Fonds und arabischen Geldgebern. 2003 gegründet, betreibt Microsol zwei Solarzellenfabriken in den Emiraten.
Während Microsol noch um Solon buhlt, tummeln sich andere indische Unternehmen schon rege in der deutschen Solarbranche. Emmvee, zweitgrößter Hersteller von Solarmodulen aus der indischen Stadt Bangalore, vertreibt seine Produkte seit 2007 über zwei Gesellschaften in Heppenheim und Berlin. Zu den frühen Zelllieferanten gehörte Q-Cells. Der angeschlagene Solarkonzern will mit einem radikalen Schulden- und Kapitalschnitt einen Neuanfang versuchen. Darauf einigte man sich vor wenigen Tagen mit den wichtigsten Gläubigern. Seit Herbst 2010 kooperieren die Inder auch mit Bosch Solar in Erfurt. Bosch beliefert Emmvee mit monokristallinen Solarzellen.
Maximale Wirkungsgrade
Große Ambitionen hegt auch Websol mit seinem Brückenkopf in Lindau am Bodensee. Der indische Solarkonzern arbeitet seit Herbst vergangenen Jahres intensiv daran, seine in der Heimat produzierten Module in Deutschland abzusetzen. Um dabei nicht als Anbieter billiger India-Module dazustehen, wirbt Websol mit seinen Fertigungsanlagen vom schwäbischen Maschinenbauer Centrotherm, die dem neuesten Stand der Technik entsprächen. Zudem habe das Ingenieur- und Beratungsbüro SolSol aus Stuttgart die Produktionslinie auf maximale Wirkungsgrade optimiert.
Angriff auf den Solarpark-Markt
Indiens zweitgrößter Solarzellenhersteller Moser Baer zielt vor allem auf den Bau großer Solarparks – und tritt wie die Chinesen gezielt gegen deutsche Wettbewerber wie etwa Q-Cells an, die hier ihr Heil suchen. So stellten die Inder im November 2011 einen 24-Megawatt-Solarpark im sächsischen Lauta fertig.
Aber auch indische Windradbauer greifen an. Im Oktober übernahm die Suzlon-Gruppe den verbliebenen Rest am Hamburger Windmühlenhersteller Repower, nachdem die Inder 2007 bei dem Hamburger Unternehmen für 1,3 Milliarden Euro eingestiegen waren.
Wenige Wochen später setzte Suzlon den aggressiven Expansionskurs fort und erwarb Anfang Januar über Repower die restlichen 49 Prozent an PowerBlades in Bremerhaven. Der Rotorhersteller gehörte zu SGL Rotec, einer Tochter des Wiesbadener Karbonspezialisten SGL. Auf diese Weise ist Repower in der Lage, Rotorblätter aus Kohlefaser herzustellen, dem Werkstoff der Zukunft.
Fast unbemerkt stieg der indische Kalyani-Konzern vor fünf Jahren bei dem deutschen Ingenieurunternehmen Kenersys in Münster ein und kaufte sich damit die Eintrittskarte im Weltmarkt für Windkraftanlagen. Über die Tochter Bharat Forge hatte Kalyani zuvor in Deutschland Erfahrungen in der Automobilzuliefererbranche gesammelt. 2010 eröffnete die Kalyani-Tochter Kenersys eine Fertigungsstätte in Wismar, im März 2011 dann auch im südwestindischen Baramati.
Zahlreiche Aufträge
Dabei beschränken sich die indischen Ökostromspezialisten nicht nur auf das Geschäft mit nackten Solarzellen und Windturbinen. Im September erhielt der indische Anbieter Crompton Greaves den Auftrag für eine Umspannstation beim Meereswindpark Butendiek in der Nähe der Nordseeinsel Sylt.
Und im Dezember gab es im Rahmen eines Firmenkonsortiums den Zuschlag für die Hochspannungsübertragung beim Hochsee-Windpark Amrumbank West. Der Mühlenpark von E.On soll eine Leistung von 300 Megawatt liefern und 2015 in Betrieb gehen. Hinter Crompton Greaves steht der familiengeführte Avantha-Konzern aus Mumbai, der weltweit zu den Großen im Geschäft mit Transformatoren und Starkstromtechnik zählt.
Indische Unternehmen überall auf dem Vormarsch
Selbst Unternehmen, die nichts mit Sonnen- oder Windenergie zu tun haben, schneiden sich ein Stück aus dem Geschäft deutscher Hersteller. So erhielt der indische Stahl- und Mischkonzern Tata Mitte Januar einen Großauftrag von Siemens zur Lieferung von 25.000 Tonnen Stahl für die Türme der Windkraftanlagen, die die Münchner in ihrem ostenglischen Werk in Scunthorpe bauen wollen. Mit dem Auftrag in Höhe einer zweistelligen Millionen-Pfund-Summe, so die Inder, habe man sich als „Schlüssellieferant für Siemens“ etabliert.