Erneuerbare Energien Inder greifen den deutschen Solar-Markt an

Die Lage deutscher Solarzellen-Hersteller ist durch den Angriff der Chinesen ernst genug. Jetzt schleichen sich auch noch Inder an, um ein Stück des Milliardenkuchens zu ergattern.

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Die zehn größten Solarzellenhersteller
Solaranlage von Suntech Quelle: dapd
Platz 3 - JA SolarDrittgrößter Solarzellenhersteller ist JA Solar. Der chinesische Hersteller produzierte 2011 1700 Megawatt. Ein Plus von rund 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Quelle: Reuters
Platz 2 - First SolarDer zweitgrößte Hersteller ist First Solar. Das US-Unternehmen produzierte Solarzellen mit einer Leistung von 1981 Megawatt. Das waren rund 40 Prozent mehr als im Vorjahr (1412 Megawatt). Quelle: dpa
Platz 4 - YingliDen vierten Platz nimmt der Hersteller Yingli aus China ein. Mit 1604 Megawatt produzierte Yingli 2011 rund 51 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr (1060 Megawatt). Quelle: dapd
Platz 5 - TrinaTrina ist der fünftgrößte Solarzellenhersteller. Die Produktion der Chinesen nahm gegenüber dem Vorjahr um knapp 48 Prozent zu. Trina produzierte im Jahr 2011 1550 Megawatt Leistung. Quelle: dapd
Platz 13 - Q-CellsDer deutsche Hersteller Q-Cells war früher Weltmarktfrüher. Mittlerweile ist das Unternehmen auf Rang 13 abgerutscht. Am 3. April 2012 hat der Hersteller aus Bitterfeld-Wolfen Insolvenz angemeldet. Im vergangenen Jahr produzierte Q-Cells Zellen mit einer Leistung von 790 Megawatt. Im Jahr 2010 waren es noch 1014 Megawatt. Quelle: pr
Solaranlage von Motech Industries Quelle: Presse

Sprung nach Deutschland

Das Unternehmen reichte beim Bundeskartellamt ein Angebot ein, Teile des einstigen Paradeherstellers und heute insolventen Berliner Konkurrenten Solon zu erwerben. Zwar liegt dem Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg noch ein Angebot eines US-Investors vor, und entschieden ist noch gar nichts. Dennoch gilt Microsol als klarer Favorit, nachdem das Unternehmen Anfang des Jahres die Gewährleistung für Produkte des Berliner Pleitiers übernahm.

Die größten Hersteller von Solarzellen in Indien

Der Unbekannte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 200 Mitarbeitern ist nicht das einzige Unternehmen in indischer Hand, das bei den erneuerbaren Energien zum Sprung nach Deutschland ansetzt. Während die hiesige Solarwirtschaft zusammen mit europäischen Konzernen bei der EU eine Klage gegen Billigkonkurrenten aus China vorbereitet, rücken ihr nun klammheimlich auch indische Unternehmen auf den Leib.

Die größten Hersteller von Solarmodulen in Indien

Lukrativer Umweg

Während die Chinesen mit ihren gigantischen Fabriken viele deutsche Solarzellenhersteller in Existenznöte bringen, haben die Angreifer vom Subkontinent offenbar vor allem Hochtechnologie made in Germany im Blick. „Vieles deutet darauf hin, dass die Inder über den Umweg Deutschland selbst die Wachstumspotenziale erneuerbarer Energien ihres Heimatmarktes erschließen“, sagt Wolfgang Hummel, Chef des Zentrums für Solarmarktforschung in Berlin.

Der Umweg ist für indische Unternehmen lukrativ. Zum einen profitieren sie von der hohen Förderung der Solaranlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Noch immer ist Deutschland deswegen der weltweit attraktivste Markt für Sonnen-, Wind- und Bioenergieanlagen.

Der indische Masterplan

Große Pläne: Bis 2022 will Indien 22.000 Megawatt Strom aus Solarenergie beziehen - die Prognosen liegen sogar bei 40.000 Megawatt Quelle: dpa

Zum anderen benötigen die indischen Hersteller Spitzentechnologie, um das staatliche Solar-Förderprogramm National Solar Mission, kurz NSM, voranzutreiben. Der indische Masterplan sieht bis 2016 einen Zubau von 9.000 Megawatt vor, in etwa die Leistung von sechs bis sieben Atommeilern. Bis 2022 sind sogar 22.000 Megawatt geplant. „Unsere Prognosen liegen sogar bei knapp 40.000 Megawatt bis dahin“, sagt Tobias Engelmeier, Gründer der deutsch-indischen Beratungsfirma Bridge to India in Neu-Delhi und München.

Gigantische Aussichten

Die damit verbundenen Geschäftsaussichten sind gigantisch. Denn die Nutzung der Sonnenkraft in Indien ist noch völlig unterbelichtet. Das Riesenreich mit durchschnittlich 300 Sonnentagen im Jahr hat 2011 gerade einmal knapp 300 Megawatt Leistung installiert, in Deutschland waren es 7.500 Megawatt. Bisher stillen vor allem Kohle und Wasserkraft den stetig steigenden Energiehunger.

Um den gewaltigen Zubau der Fotovoltaik zu bewältigen, rüsten die Inder auf. „Wir beraten ein familiengeführtes Konglomerat, das groß in die Solarindustrie einsteigen möchte und den Kauf von Fabriken in Europa plant“, berichtet Indien-Experte Engelmeier. Namen möchte er nicht nennen. Die Pläne erinnern auffallend an Ankündigungen asiatischer Mischkonzerne wie Samsung, LG oder Foxconn, die in den vergangenen Monaten den Einstieg ins Fotovoltaik-Geschäft erklärten.

Die Agenda der Energiekonzerne 2012
RWE: Beim zweitgrößten deutschen Energiekonzern steht ein Wechsel im Vorstandsvorsitz an. Quelle: dpa
Hans-Peter Villis Quelle: dapd
 Werner Müller Quelle: dpa
RAG-Stiftung Quelle: dpa
Steinkohlebergbau an der Saar Quelle: dpa
E.On Quelle: dpa

Ambitionen und Aktivitäten

Solon-Interessent Microsol kann sich mit solchen Giganten nicht messen. Das Unternehmen gehört laut Branchenkennern einem halbstaatlichen, indischen Private-Equity-Fonds und arabischen Geldgebern. 2003 gegründet, betreibt Microsol zwei Solarzellenfabriken in den Emiraten.

Während Microsol noch um Solon buhlt, tummeln sich andere indische Unternehmen schon rege in der deutschen Solarbranche. Emmvee, zweitgrößter Hersteller von Solarmodulen aus der indischen Stadt Bangalore, vertreibt seine Produkte seit 2007 über zwei Gesellschaften in Heppenheim und Berlin. Zu den frühen Zelllieferanten gehörte Q-Cells. Der angeschlagene Solarkonzern will mit einem radikalen Schulden- und Kapitalschnitt einen Neuanfang versuchen. Darauf einigte man sich vor wenigen Tagen mit den wichtigsten Gläubigern. Seit Herbst 2010 kooperieren die Inder auch mit Bosch Solar in Erfurt. Bosch beliefert Emmvee mit monokristallinen Solarzellen.

Maximale Wirkungsgrade

Energiewende: Woher kommt der Strom 2020?
Braunkohlekraftwerk Garzweiler Quelle: dapd
Windkraft Quelle: dapd
Geothermie Quelle: dpa
Biomasse Quelle: dpa
Wasserkraft Quelle: APN
Solarkraft Quelle: dpa
Stromleitungen Quelle: dpa

Große Ambitionen hegt auch Websol mit seinem Brückenkopf in Lindau am Bodensee. Der indische Solarkonzern arbeitet seit Herbst vergangenen Jahres intensiv daran, seine in der Heimat produzierten Module in Deutschland abzusetzen. Um dabei nicht als Anbieter billiger India-Module dazustehen, wirbt Websol mit seinen Fertigungsanlagen vom schwäbischen Maschinenbauer Centrotherm, die dem neuesten Stand der Technik entsprächen. Zudem habe das Ingenieur- und Beratungsbüro SolSol aus Stuttgart die Produktionslinie auf maximale Wirkungsgrade optimiert.

Angriff auf den Solarpark-Markt

Indiens zweitgrößter Solarzellenhersteller Moser Baer zielt vor allem auf den Bau großer Solarparks – und tritt wie die Chinesen gezielt gegen deutsche Wettbewerber wie etwa Q-Cells an, die hier ihr Heil suchen. So stellten die Inder im November 2011 einen 24-Megawatt-Solarpark im sächsischen Lauta fertig.

Aber auch indische Windradbauer greifen an. Im Oktober übernahm die Suzlon-Gruppe den verbliebenen Rest am Hamburger Windmühlenhersteller Repower, nachdem die Inder 2007 bei dem Hamburger Unternehmen für 1,3 Milliarden Euro eingestiegen waren.

Die größten Anlagenbauer
NordexNach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Siemens WindenergiesparteSiemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Quelle: dpa
SenvionDas Hamburger Unternehmen Senvion (ehemals Repower ) ist eine Tochter des indischen Windkraftkonzerns Suzlon. Wie Nordex ist es auch dem Hamburger Unternehmen gelungen, Marktanteile zu gewinnen. 2013 installierte Senvion Anlagen mit rund 484 Megawatt und nun einen Markanteil von insgesamt 13,5 Prozent. Im Onshore-Bereich sind es sogar 16,2 Prozent. Das sind drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben nun eine Gesamtleistung von 2,8 Gigawatt installiert. Im März 2014 hat Senvion die Schwelle von 10 Gigawatt weltweit installierter Leistung überschritten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen allerdings auch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. Quelle: dpa
VestasDer weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012. Quelle: ZB
EnerconDas vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas. Quelle: dpa

Wenige Wochen später setzte Suzlon den aggressiven Expansionskurs fort und erwarb Anfang Januar über Repower die restlichen 49 Prozent an PowerBlades in Bremerhaven. Der Rotorhersteller gehörte zu SGL Rotec, einer Tochter des Wiesbadener Karbonspezialisten SGL. Auf diese Weise ist Repower in der Lage, Rotorblätter aus Kohlefaser herzustellen, dem Werkstoff der Zukunft.

Fast unbemerkt stieg der indische Kalyani-Konzern vor fünf Jahren bei dem deutschen Ingenieurunternehmen Kenersys in Münster ein und kaufte sich damit die Eintrittskarte im Weltmarkt für Windkraftanlagen. Über die Tochter Bharat Forge hatte Kalyani zuvor in Deutschland Erfahrungen in der Automobilzuliefererbranche gesammelt. 2010 eröffnete die Kalyani-Tochter Kenersys eine Fertigungsstätte in Wismar, im März 2011 dann auch im südwestindischen Baramati.

Zahlreiche Aufträge

Auch in anderen Geschäftsfeldern sind die Inder auf dem Vormarsch - Durch einen Großauftrag von Siemens könnte sich der indischen Mischkonzern Tata als

Dabei beschränken sich die indischen Ökostromspezialisten nicht nur auf das Geschäft mit nackten Solarzellen und Windturbinen. Im September erhielt der indische Anbieter Crompton Greaves den Auftrag für eine Umspannstation beim Meereswindpark Butendiek in der Nähe der Nordseeinsel Sylt.

Und im Dezember gab es im Rahmen eines Firmenkonsortiums den Zuschlag für die Hochspannungsübertragung beim Hochsee-Windpark Amrumbank West. Der Mühlenpark von E.On soll eine Leistung von 300 Megawatt liefern und 2015 in Betrieb gehen. Hinter Crompton Greaves steht der familiengeführte Avantha-Konzern aus Mumbai, der weltweit zu den Großen im Geschäft mit Transformatoren und Starkstromtechnik zählt.

Indische Unternehmen überall auf dem Vormarsch

Selbst Unternehmen, die nichts mit Sonnen- oder Windenergie zu tun haben, schneiden sich ein Stück aus dem Geschäft deutscher Hersteller. So erhielt der indische Stahl- und Mischkonzern Tata Mitte Januar einen Großauftrag von Siemens zur Lieferung von 25.000 Tonnen Stahl für die Türme der Windkraftanlagen, die die Münchner in ihrem ostenglischen Werk in Scunthorpe bauen wollen. Mit dem Auftrag in Höhe einer zweistelligen Millionen-Pfund-Summe, so die Inder, habe man sich als „Schlüssellieferant für Siemens“ etabliert.

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