Essener Energiekonzern Die erstaunliche Wandlung von RWE

Kohlekraftwerk in Neurath. RWE stellt grüne Ideen künftig in den Vordergrund. Quelle: AP

Geht es nach RWE-Chef Markus Krebber, verwandelt sich der Stromkonzern in den nächsten Jahren vom größten Feind zum engsten Freund des Klimas – eine beeindruckende Transformation. Aber ohne Gas wird es nicht gehen.

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Was für ein Gegensatz. In den vergangenen Wochen noch musste der Energiekonzern RWE sich vor allem mit dem Protest gegen den Abriss des Dorfes Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler II auseinandersetzen. Da war es wie immer: Der Name RWE stand für das unerbittliche Festhalten an der Kohle, dem fossilen Brennstoff, am Gestern.

Knapp zwei Wochen später ist von dieser hässlichen Seite in Essen nichts mehr zu sehen. Im Gegenteil: Beim RWE Kapitalmarkttag in Essen hat Vorstandschef Markus Krebber am Montag einen zukunftsgewandten Konzern präsentiert, wie er grüner und sauberer nicht sein könnte. „Grüner, größer, werthaltiger“, so soll der Konzern im Jahr 2030 aussehen, verkündete Krebber.

Bis 2030 will der Vorstandschef jährlich rund fünf Milliarden Euro in die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien und Gas und den Energiehandel investieren, eine Gesamtsumme von rund 50 Milliarden Euro. Die Strategie haben sie „Growing Green“ getauft, „ins Grüne hineinwachsen“. Das klingt fast schon romantisch.

Vom Schmuddelkind zum Vorbild der grünen Transformation

Mit Romantik hat die Neuausrichtung allerdings weniger zu tun. Sie ist das Ergebnis politischen und gesellschaftlichen Drucks – und steht am Ende eines Jahrzehnts, das geprägt war von heftigen Auseinandersetzungen um die Kernenergie und um die Kohle, eines Jahrzehnts aber auch, in dem sich die großen deutschen Konzerne, vor allem RWE und E.On, grundsätzlich neu aufgestellt haben. Bei einem groß angelegten Tausch übernahm E.On Netz und Vertrieb von der damaligen RWE-Tochter Innogy, dafür verleibte sich RWE die erneuerbaren Energien von Innogy und E.On ein.

Tatsächlich wird knapp ein Drittel des Stroms von RWE immer noch mit Kohle produziert, 14 Prozent mit Kernenergie. Nur knapp 20 Prozent entstammen bislang den erneuerbaren Energien. Und mit Kohle und Atom verdient RWE auch immer noch gut Geld. Dennoch ist es eine bemerkenswerte Wandlung und Neuausrichtung, die Krebber hier vollzieht: RWE will er vom Schmuddelkind zum Vorbild der grünen Transformation machen.

Die Strategie hat Krebber am Montag natürlich mit konkreten Zahlen und Zielen unterfüttert, die er in einer Pressekonferenz am Montagnachmittag als „ambitioniert, aber noch erreichbar“ beschrieb. So will RWE seine grüne Erzeugungskapazität von jetzt 25 auf 50 Gigawatt erhöhen, also verdoppeln. Und zwar mit erhöhtem Tempo. Bislang wollte das Unternehmen seine Gesamtleistung bei den Erneuerbaren um durchschnittlich 1,5 Gigawatt pro Jahr steigern, künftig sollen es durchschnittlich 2,5 Gigawatt sein. Und das schnelle Ergrünen soll sich auszahlen. Bis 2030 rechnet RWE mit Gewinnsteigerungen von bis zu neun Prozent pro Jahr, im Jahr 2030 mit einem operativen Ergebnis von fünf Milliarden Euro. Zuletzt hatte RWE sein Ergebnis vor allem wegen der guten Ergebnisse bei traditionellen Energieträgern – in der Kernenergie und der Kohle – halten können. Das soll sich in Zukunft ändern.

„In Deutschland spielt die Musik“

Ein Schwerpunkt der Investitionsoffensive soll auf See liegen. Bis 2030 will RWE seine Kapazität bei Offshore-Anlagen von 2,4 Gigawatt auf acht Gigawatt erhöhen, eine Verdreifachung. Der Fokus, hieß es, liege dabei auf Europa, auf Nordamerika sowie den asiatischen Märkten. Krebber hob allerdings die Bedeutung des deutschen Marktes für RWE hervor, auch bei der Pressekonferenz. „Deutschland ist unser Heimatmarkt“, sagte Krebber, „und vor allen Dingen: Hier spielt die Musik. Es gibt ein riesiges Potenzial. Deutschland ist das einzige Industrieland, in dem sowohl Kernenergie als auch Kohle zu ersetzen sind. Und das sehr schnell.“ Deshalb wolle RWE in Deutschland zwischen 10 und 15 Milliarden Euro brutto in den Ausbau von Offshore- und Onshore-Windkraft, Solar, Speichern, Back-Up-Möglichkeiten und Wasserstoff investieren. In Deutschland will RWE sieben neue Büros eröffnen und rund 200 neue Mitarbeiter einstellen.

„In Deutschland ist das Kapitel Kernenergie beendet“

Weil es nötig sei, die „flexible Stromerzeugung auszubauen“, will RWE in den nächsten Jahren mindestens zwei Gigawatt Kapazität an Gaskraftwerken ausbauen. Bisher verfügt RWE mit rund 14 Gigawatt installierter Leistung über die zweitgrößte Gaskraftwerkflotte Europas, hieß es. „In Deutschland ist das Kapitel der Kernenergie beendet und damit bleibt als Zwischenlösung nur der Energieträger Gas“, sagte Krebber. „Bei einem gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Kernenergie ist der Bedarf an Zubauten besonders groß.“ Diese Gaskraftwerke, so Krebber, würden mit einem „klaren Dekarbonisierungs-Pfad“ versehen. Bis zum Ende des Jahrzehnts wolle RWE auch zwei Gigawatt eigene Elektrolyse-Kapazität aufbauen, um Wasserstoff herzustellen. „Wasserstoff ist der Schlüssel für die Dekarbonisierung der Industrie“, sagte er. „Nur mit ihm sind Sektoren wie Chemie und Stahl wirklich klimaneutral umzustellen. Die Herausforderung ist, grün zu produzieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Allein die Chemieindustrie in Deutschland wird 2040 bei gleicher Produktion so viel grünen Strom benötigen, wie heute Strom in Summe erzeugt wird, also rund 400 Milliarden Kilowattstunden.“

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Mit Blick auf den Ausstieg aus der Kohle sagte Krebber: „Bei RWE hat der Kohleausstieg längst begonnen. Es kann gelingen, ihn nach vorne zu ziehen, wenn der konsequente Ausbau der neuen Technologien tatsächlich massiv beschleunigt wird. Wir arbeiten dafür, die Voraussetzungen des Ausstiegs schneller zu erfüllen als bislang vorgesehen.“

Aktionärsvertreter begrüßten die Ankündigungen. „Ich finde, die Richtung stimmt“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer, der Deutschen Presse-Agentur. „RWE wird noch schneller grün als bislang geplant.“ Dies sei vor dem Hintergrund der Weltklimakonferenz in Glasgow „das richtige Signal“.

Mehr zum Thema: In Großbritannien sollen ab den 2030er-Jahren neu entwickelte Mini-Atomkraftwerke gebaut werden. Der Rolls-Royce-Konzern hat hierfür Entwicklungsgelder in dreistelliger Millionenhöhe gesichert. Lohnt sich der Aufwand?

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