Essener Energiekonzern Steag-Aufsichtsratschef Gerhard Jochum geht – nach sieben Monaten im Amt

Schwarz-grüne Koalition: Steag profitiert vom Comeback der Kohle und vom Boom im Bereich der erneuerbaren Energien Quelle: imago images

Revierkämpfe stören seit Monaten Umbau und Verkauf des Energiekonzerns Steag. Nun ist der Streit eskaliert. Steag-Aufsichtsratschef Gerhard Jochum hat sein Amt niedergelegt – und kam damit wohl seiner Abberufung zuvor.

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Es ist eine knappe Erklärung – mit Sprengkraft für den Essener Steinkohleverstromer Steag. In einem auf den heutigen Donnerstag datierten Schreiben erklärt Gerhard Jochum, bisheriger Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns, seinen Rückzug: „Wie bereits avisiert erkläre ich hiermit die Niederlegung meines Mandats als Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrates der STEAG GmbH“, heißt es in dem Brief, der der „WirtschaftsWoche“ vorliegt. In einem zweiten Schreiben erklärt Jochum „die Niederlegung meines Mandats als Mitglied des Aufsichtsrates der KSBG GmbH.“ 

Die KSBG, die Kommunale Beteiligungsgesellschaft, an der sechs Ruhrgebiets-Kommunen über ihre Stadtwerke beteiligt sind, ist Gesellschafterin der Steag. Die beteiligten Kommunen sind Dortmund, Duisburg, Bochum, Essen, Oberhausen und Dinslaken. Die Entscheidung sei mit den Dortmunder Stadtwerken – DSW21 als mittelbarer Steag-Gesellschafter abgestimmt, geht aus den internen Schreiben Jochums hervor. Jochum sei mit dem Rückzug einer möglichen Abberufung zuvorgekommen, die heute Thema einer Aufsichtsratssitzung gewesen wäre, heißt es intern. 

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Jochum ist erst seit Anfang Februar dieses Jahres Aufsichtsratschef der Steag, seit 2014 gehörte er dem Gremium an. Sein Rückzug ist eine weiter Etappe im erbitterten Streit zwischen den Anteilseignern um den Verkauf des Unternehmens, an dem auch die Gewerkschaft IGBCE mit ihrem Vorsitzenden Michael Vassiliadis beteiligt ist. Ende 2021 hatte sich der lange Zeit Verluste schreibende Konzern mit seinen Gläubigerbanken auf eine tiefgreifende Restrukturierung und einen Verkauf des Unternehmens geeinigt. Die Investmentbank Morgan Stanley wurde beauftragt, den Verkaufsprozess zu organisieren und sondiert mittlerweile das Interesse von Investoren. Intern gab es jedoch lange Zeit unterschiedliche Auffassungen über die Struktur des Verkaufs. 

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Streit in der Führungsspitze

Im Kern geht es um die Frage, ob die Steag als Ganzes verkauft wird, also mit ihrer „schwarzen“ Steinkohlesparte und einem „grünen“ Bereich, der auf erneuerbare Energien ausgerichtet ist, oder ob Schwarz und Grün separat verkauft werden. Zwar streben alle Kommunen offiziell einen Gesamtverkauf an. Einzelnen Eignern – insbesondere Dortmund – scheint dies aber wichtiger als anderen, die vor allem auf einen hohen Verkaufserlös abzielen. So dürfte der Preis bei einem Verkauf in Einzelteilen höher ausfallen. 

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Streit gab es auch in der Führungsspitze. So wurde Jochum intern eine allzu „aktive“ Amtsausübung attestiert. Im Klartext: Der Chefaufseher soll sich zu sehr ins Tagesgeschäft eingemischt haben. Mehrfach ist er mit dem extern angeheuerten Sanierer Ralf Schmitz aneinandergerasselt, der als Chief Transformation Officer den Umbau der Steag steuert. Ein Governance-Bericht empfahl denn auch die Neuordnung des Aufsichtsrates - samt Abberufung des Vorsitzenden. Dazu kam es zunächst zwar nicht, doch die Auseinandersetzung schwelte weiter und eskalierte Insidern zufolge erneut, als Jochum Wirtschaftsprüfer beauftragte, Beraterkosten zu überprüfen - aus Sicht einiger Kommunen jedoch ohne den nötigen Aufsichtsratsbeschluss. 

Als ein möglicher Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze wird laut „Handelsblatt“ Aufsichtsrat Dietmar Spohn von den Stadtwerken Bochum gehandelt. Jochums Platz im Aufsichtsrat könnte dem Bericht zufolge Peter Schäfer von den Stadtwerken Essen einnehmen. 

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