Flüssiggas Deshalb setzt EnBW auf Gas aus Stade

Nein, der LNG-Tanker landet nicht in Deutschland an, sondern passiert den Suez-Kanal. Aber geht es nach dem Willen der Bundesregierung, können diese Tanker schon bald deutsche Terminals ansteuern. Quelle: REUTERS

Brunsbüttel? Wilhelmshaven? Stade? Wann geht das erste Flüssiggas-Terminal in Deutschland an den Start? Versorger sichern sich schon Plätze – auch EnBW wettet jetzt auf LNG.

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Es sind die zentralen Fragen, mit denen sich Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck in den vergangenen Wochen beschäftigen musste. Wann muss, wann kann Deutschland auf russisches Erdgas verzichten? Wer dreht den Hahn zu? Berlin, langsam und vorsichtig – oder Moskau, mit der Rubel-Keule in der Hand möglicherweise sehr schnell? Und hinter allem steht: Wo soll das so wichtige Erdgas dann herkommen, wenn nicht aus Russland?

Flüssiggas, das so genannte LNG, spielt dabei in den Überlegungen der Bundesregierung eine zentrale Rolle. Deshalb flog Habeck nach Katar, deshalb verhandelt er mit den Amerikanern – deshalb drängt die Bundesregierung aber auch auf den Bau von LNG-Terminals in Deutschland. Dort gibt es nämlich bislang keine. Wenn Deutschland Flüssiggas beziehen will, muss das bislang etwa in Terminals in Rotterdam in den Niederlanden oder in Zeebrügge in Belgien angelandet und „regasifiziert“ werden.

Jetzt heißt es: Macht! Macht! Macht!

Pläne für deutsche Terminals hat es schon vor diesem Jahr gegeben – in Wilhelmshaven und Stade in Niedersachsen und auch in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein. Aber die Projekte wurden gekippt oder verliefen schleppend. Zu wenig Interesse von Abnehmern, Verzögerung im Dickicht der Genehmigungsverfahren – Widerstand von den Grünen: Flüssiggas? Das kann doch nicht die Zukunft sein!

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Das alles hat sich, wie so vieles, wie eigentlich alles bei Energiefragen, in den vergangenen Wochen radikal geändert. Auch, was LNG-Terminals angeht, heißt’s jetzt: Machen! Machen! Machen! Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag den schnellen Bau von zwei LNG-Terminals an – und nannte dabei Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen. Seitdem ist die Zeit der Absichtserklärungen angebrochen.

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Shell will Gas aus Brunsbüttel beziehen

Erstes Beispiel: Brunsbüttel an der Elbe. Anfang März haben die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der niederländische Staatskonzern Gasunie und der deutsche Versorger RWE ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet, das die Gründung einer Betreibergesellschaft und die Einrichtung eines Terminals vorsieht. 8 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas (bcm) sollen dort jährlich „regasifiziert“ werden können. Die KfW ist mit 50 Prozent beteiligt, Gasunie mit 40 Prozent, RWE mit 10 Prozent. Sogar einen ersten Großkunden gibt es schon: Shell. Eine Absichtserklärung sehe vor, „dass Shell einen substanziellen Teil der Kapazität des Terminals in Brunsbüttel für den Import von LNG langfristig bucht“, hieß es von Seiten der German LNG Terminal GmbH. 2026 soll das Terminal in Betrieb gehen, langfristig soll es auf Wasserstoff-Derivate wie Ammoniak umgerüstet werden können.

EnBW bestellt in Stade

Zweites Beispiel: Stade, ein paar Kilometer elbaufwärts. Dort plant die Hanseatic Energy Hub (HEH) GmbH seit einiger Zeit ein LNG-Terminal auf dem Gelände des Chemiekonzerns Dow Chemical, die nächste Anbindung an das Gas-Pipeline-Netzwerk ist nur etwa 10 Kilometer entfernt. An der HEH beteiligt ist die Buss-Gruppe um den geschäftsführenden Gesellschafter Johann Killinger, der belgische Gasinfrastrukturbetreiber Fluxys und das Schweizer Private Equity Unternehmen Partners Group. Rund eine Milliarde Euro soll das Investitionsvolumen umfassen. Ab 2026 stehe man mit einem Regasifizierungsvolumen von rund 12 Milliarden Kubikmetern pro Jahr bereit.

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Gerade erst hat die Hanseatic Energy Hub verkündet, dass man plane, noch vor Ostern die Genehmigungsunterlagen für das Projekt einzureichen. Am Donnerstag nun konnte die GmbH auch einen ersten Großkunden vermelden: Den Versorger EnBW. Das Unternehmen plane, den Anteil von LNG in seinem Portfolio „signifikant zu erhöhen“, hieß es. Deshalb habe man eine Absichtserklärung unterzeichnet, die vorsehe, dass EnBW „mindestens drei Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr“ über das LNG-Terminal in Stade beziehen soll. Auch führe man Gespräche über eine darüberhinausgehende Zusammenarbeit. Der Ansatz der HEH ist, anders als der in Brunsbüttel, bislang ein rein privatwirtschaftlicher.

Schwimmende Terminals als Zwischenlösung

Das dritte Beispiel für ein LNG-Terminal ist Wilhelmshaven. Dort gibt es sogar eine Taskforce „LNG Wilhelmshaven“, bestehend aus Vertretern von Behörden und der Hafenwirtschaft. Drei Projekte, hieß es von der Landesregierung vor Kurzem, gebe es von Unternehmen, um den Import von LNG über Terminals in der Stadt zu organisieren. Wenn alle drei umgesetzt würden, wäre eine Importkapazität von 25 Milliarden Kubikmeter pro Jahr denkbar. Los gehen könne es bereits 2023. Dabei ist geplant eine schwimmende Anlande- und Speicherplattform zu schaffen, eine sogenannte Floating Storage and Regasification Union (FSRU). In Wilhelmshaven ist der Energiekonzern Uniper engagiert, der ein Projekt vor Kurzem erst hatte wieder kippen müssen, weil es von Abnehmerseite zu wenig Interesse gab. Und auch die belgische Firma Tree Energy Solutions (TES) hat sich angeboten, den Bau eines Terminals anzugehen.

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Weil es mit den Terminals insgesamt noch etwas dauern könnte, hat die Bundesregierung vergangene Woche auch verkündet, dass sie selbst über die Unternehmen RWE und Uniper drei schwimmende LNG-Terminals, besagte Floating Storage und Regasification Units, „optioniert“ habe. Die Unternehmen seien in Vertragsverhandlungen über die Anmietung der schwimmenden Terminals, hieß es aus dem Hause Habecks, aber die Verhandlungen befänden sich auf der „Zielgeraden“. Die Bundesregierung prüfe Standorte an Nord- und Ostsee. Möglicherweise könnten die schwimmenden Terminals im nächsten Winter zum Einsatz kommen.

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