Fracking auf dem Rückzug Wie Amerikas Traum vom Ölreichtum zerplatzt

Seite 2/3

Hoffen auf die Rückkehr zum alten Ölpreis

Dieses Schicksal teilt der Süden Mississippis mit 19 Ölförderregionen in Louisiana, Texas, Oklahoma, Arkansas und Kansas. Wo noch vor wenigen Monaten regelrechter Ölrausch herrschte, hat der Kater das Zepter übernommen. Denn auch dort, so hat eine Analyse des Marktforschers Bloomberg New Energy Finance ergeben, ist das Bohren nach Öl ökonomisch sinnlos, solange das Barrel Öl weniger als 75 Dollar kostet.

„Bei 51,70 Dollar steht das Barrel nun“, sagt ein Handwerker, der seinen klapprigen Pick-up-Truck an der Exxon-Tankstelle am Ortsausgang von Liberty volltankt, beim Blick auf sein Smartphone. „Es wird dauern, bis die Dinge hier wieder anspringen.“ Aber dass es so kommt, dass Öl wieder so teuer sein wird wie vor einem Jahr, daran zweifelt er keinen Moment: „Jetzt ist eigentlich die beste Zeit für den Ort und für Firmen, um zu investieren und sich für den Boom zu rüsten.“

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

Die fünf Firmen, die in der Gegend Förderrechte im großen Stil erworben haben, senden indes ganz andere Signale. Im November verkündete die texanische Ölfirma Halcon, dass sie sich wegen des niedrigen Ölpreises aus dem Tuscaloosa Marine Shale zurückziehen und stattdessen auf Ölquellen in North Dakota und Texas konzentrieren werde. Dabei hatte erst im Juni der New Yorker Hedgefonds Apollo Global Management 150 Millionen Dollar in die Firma investiert, um die Aktivitäten in Mississippi anzukurbeln.

Der Wettbewerber Comstock ließ Anleger im Dezember wissen, dass der letzte Bohrturm in der Gegend abgebaut werde und die Firma erst zurückkehre, wenn der Ölpreis sich erholt habe. Das Unternehmen Goodrich Petroleum aus Texas, dessen Geschäft enorm vom Fracking in der Region abhängt, will zwar weiterhin dort tätig sein, hat seine geplanten Investitionen allerdings von 200 auf 100 Millionen Dollar halbiert.

Die Energiefirma Sanchez, ebenfalls aus dem Nachbarstaat Texas, hat zwar angekündigt, in diesem Jahr an drei Stellen im Bereich des Tuscaloosa Marine Shale zu bohren, doch bislang sind den Worten keine Taten gefolgt. Die kanadische Energiefirma Encana schließlich, die noch im Dezember gegenüber Investoren das enorme Potenzial des Ölfeldes beschworen hat, will sich offenbar erst einmal aus der Region zurückziehen.

Welchen Staaten der niedrige Ölpreis besonders schadet
Erdölförderung Quelle: dpa
Ölförderung in Saudi-Arabien Quelle: REUTERS
Ölförderung in Russland Quelle: REUTERS
Oman Ölpreis Quelle: Richard Bartz - eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Öl-Leitung im Niger-Delta Quelle: dpa
Ölförderpumpe in Bahrain Quelle: AP
Venezuela Ölförderung Quelle: REUTERS

Buchhalter im Ölrausch

Buchhalter McGehee, der sich seit der Ankündigung erster Bohrtrupps vor vier Jahren zum Fracking-Experten gemausert hat und heute Herausgeber der führenden Internet-Seite zum Tuscaloosa Marine Shale ist, kann all das nicht schocken. Er sieht Anzeichen, dass nicht alle Projekte in der Gegend auf Eis liegen. Am Ortseingang etwa hat Lubrizol, eine Ölfirma des Multimilliardärs Warren Buffett, ein riesiges Fabrikgelände angemietet.

Direkt gegenüber wird ein neues Fast-Food-Restaurant gebaut, und ein Stück weiter verwandelte ein Investor eine heruntergekommene Kfz-Werkstatt in ein modernes Zwischenlager für Ölbohrausrüstungen. „Für andere Städte sind solche Dinge nichts“, sagt McGehee, „aber für unseren kleinen Ort sind das bedeutende Investitionen. Und sie sagen mir: Viele glauben, dass es bald wieder bergauf geht.“

Sie glauben an das, was natürlich grundsätzlich durch die derzeitige Ölschwemme am Weltmarkt nicht außer Kraft gesetzt ist: Tendenziell werden die Rohstoffressourcen weniger, der Energiebedarf aber steigt. Eine Situation, die eigentlich langfristig nicht zu Dumpingpreisen für Energierohstoffe sorgen kann.

Preis der Ölsorte Bent am Handelsplatz London in den vergangenen zehn Jahren.

McGehee ist deswegen fest davon überzeugt, dass das Öl eines nicht sehr fernen Tages ein Segen sein wird – für Liberty, für die ganze Region und für seine Familie. Die McGehees haben ihren Landbesitz und die damit verbundenen Förderrechte in eine Holding eingebracht, und bei dieser Holding können Ölfirmen nun vorstellig werden und ihre Angebote unterbreiten. An vier Ölquellen auf dem Land der Familie wird bereits gefördert, an fünf Stellen wurden Bohrungen vereinbart und über zwei weitere wird gerade verhandelt. „Macht insgesamt elf Quellen, vorausgesetzt natürlich, dass irgendwann endlich wieder gebohrt wird“, meint McGehee.

Die Holding kassiert Pacht und ist als Eigentümerin der Förderrechte auch an den Erträgen der Quelle beteiligt. Die können ganz erheblich sein: Ölfirmen erzielten bis zum Versiegen einer Ölquelle 10, manchmal auch 20 Millionen Dollar Gewinn. Ein Fünftel davon steht den Eigentümern der Förderrechte zu. Diesen Betrag müssen sich allerdings oft Dutzende, manchmal Hunderte Landbesitzer teilen. Über seinen persönlichen Ertrag aus den vier Quellen verrät McGehee nur so viel: „Noch kann ich nicht vorzeitig in Ruhestand gehen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%