Freytags-Frage
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Ist die Verstaatlichung der Energieversorgung eine gute Idee?

Mit Blick auf den Winter wird die deutsche Energieversorgung immer häufiger mit Sorge betrachtet. Bietet eine Verstaatlichung der Energieversorger eine Lösung?

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In den vergangenen Wochen habe ich mich an dieser Stelle gleich mehrfach über die Energieversorgung geäußert und dabei auf die Preisbildung und die Angebotsausweitung gesetzt. Das Argument für die Preisbildung ist im Wesentlichen, dass so die nötigen Anreize gesetzt werden, um Substitutionsprozesse in Gang zu setzen, was gerade für die Klimapolitik bedeutsam ist. Die Angebotsausweitung ist nötig, weil durch die russische Invasion die deutsche Gasversorgung nahezu eingebrochen ist.

Die Linkspartei setzt dem ein bekanntes Gegenmodell entgegen. Die Partei schlägt eine Verstaatlichung der Energieversorger in Deutschland vor. Das Argument ist scheinbar schlagend. Anstatt einigen Energieversorgern mit Rettungspaketen unter die Arme greifen zu müssen und anderen übertrieben hohe Gewinne zuzugestehen, die dann hinterher abgeschöpft werden müssten, sei es sinnvoller, die Energieerzeuger und Netzwerkebetreiber gleich in staatliche Hände zu geben. Das klingt zunächst nicht so schlecht, zumal ja gerade Überlegungen in der Bundesregierung anstehen, den schwächelnden Gasgiganten Uniper vollends zu verstaatlichen.

Allerdings ist der Fall Uniper besonders, da hier bereits viel Staatsgeld hineingeflossen ist. Da könnte es in der Tat besser sein, das Unternehmen ganz zu besitzen, um die volle Kontrolle zu haben. Ähnlich sind die Erfahrungen mit der Lufthansa oder der Commerzbank, an denen der Staat in Krisensituationen große Anteile erworben hat, aber auch Regeln für die Leitung setzen konnte. Das sind jedoch Spezialfälle, die nicht mit den restlichen Unternehmen auf ihren jeweiligen Märkten vergleichbar sind.

Was den ganzen Energiesektor betrifft, genügt ein Blick auf die Erfahrungen mit Staatsunternehmen in der Energieversorgung, um skeptisch zu werden. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde – wie in der gesamten Wirtschaft – an Investitionen in die Kraftwerke gespart. Die Wertschöpfungskette war nicht langfristig geplant, so dass es zum Beispiel im harten Winter 1978/79 zu Versorgungsengpässen kam. In Südafrika kann ich gerade hautnah erleben, wie ein heruntergewirtschafteter Staatskonzern in der Energieversorgung versagt. Nahezu überall gibt es dort seit Wochen regelmäßige – zumeist mittelfristig angekündigte – Stromausfälle. Auch dies hat mit unterlassenen Investitionen in die Infrastruktur zu tun, in diesem Fall weniger wegen Mängeln der Planwirtschaft, sondern wegen einer pandemisch verbreiteten Korruption innerhalb der Regierungspartei. Zusätzlich unterdrückt der staatliche Energieversorger gemeinsam mit der staatlichen Regulierungsbehörde nach wie vor privates Engagement im Stromsektor. Dies ist sowohl energie- als auch klimapolitisch ein Problem.

Nun muss man nicht gleich an den African National Congress (ANC) und dessen endemische Probleme mit Korruption denken, wenn man das Wort Verstaatlichung hört. Auch bei uns zeigen die jüngst zutage getretenen Probleme beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (ÖRR) ziemlich deutlich die Anreizprobleme, die entstehen, wenn staatliche Quasi-Monopolisten über Milliardenbeträge verfügen. Wenn alle Energieversorger dem Staat gehören, ist die gesamte Wertschöpfungskette monopolisiert.



Bei aller Kritik an den Stromkonzernen, die vom Staat seit Jahrzehnten systematisch zu lax reguliert worden sind, muss man konstatieren, dass die Existenz mehrerer formal privater Unternehmen, die sogar zum Teil dem Staat (in Schweden oder Finnland, aber auch hierzulande) gehören, den Wettbewerb auf dem Strommarkt intensiviert, was gerade bei der Suche nach klimafreundlicher Stromversorgung von immenser Bedeutung ist. Es ist auch weniger ein Problem der Eigentümerstruktur. Schon jetzt dauern Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energieträger sehr lange und sind die gesetzlichen Regelungen für Erneuerbare unverständlich. Wenn der Monopolist ebenfalls vom Staat betrieben wird, droht aber eventuell noch mehr Bürokratie und Behinderung unternehmerischer Initiative.

Ein staatlicher Monopolist ist überdies nicht gezwungen, auf veränderte Konsumentenwünsche einzugehen. Im Zweifel betrachtet die Unternehmensleitung die Stromkunden nicht als Kunden, sondern als Antragsteller. Dies konnte man in der Bundesrepublik sehr gut im Bereich der Telekommunikation sehen: Bis zur Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) im Jahre 1996 war Deutschland einer der rückständigsten Märkte für Telekommunikationsdienstleistungen in der westlichen Welt. Das hat sich mit der Privatisierung in Verbindung mit kluger Regulierung in wenigen Jahren dramatisch geändert.

Vor diesem Hintergrund ist die Verstaatlichung eines ganzen Sektors keine gute Idee – sie dürfte auch recht teuer sein. Dies ist angesichts der Ausgabenwut der Bundesregierung jedoch das politisch schwächste Argument gegen diesen Vorschlag. Ökonomisch ist es dennoch von Gewicht.

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Es scheint auch so zu sein, dass die Linkspartei nicht mit der Realisierung dieser Idee rechnet, sondern vor allem Aufmerksamkeit erringen und im politischen Poker um die Energieversorgung punkten will, was angesichts der politischen Fehlleistungen prominenter Vertreterinnen der Partei auch dringend geboten ist. Immerhin muss sie sich mit diesem Vorschlag – anders als Frau Wagenknecht mit ihrer Lobpreisung Putins – nicht mit der Alternative für Deutschland (AfD) gemein machen. Und im Einklang mit den generellen Vorstellungen der Linken zur Wirtschaftspolitik ist der Vorschlag allemal – das macht ihn allerdings nicht unbedingt besser. Es bleibt dabei, das gegenwärtige Energieproblem ist ein Angebotsproblem.

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