„Es ist gerade schwer, der Nachfrage Herr zu werden“, berichtet Jan Motschull. Er sitzt in der Geschäftsleitung des Unternehmens Manke Tech aus dem ostwestfälischen Verl. Der Mittelständler hat sich seit zehn Jahren unter der Marke „Vasner“ auf die Herstellung von Infrarotheizstrahlern spezialisiert. Ende August beginne stets die Hauptsaison für die Hersteller von Heizstrahlern, dieses Jahr beobachte das Unternehmen aber ein massiv gestiegenes Interesse. „Wir haben gerade außerordentlich viel zu tun“, betont Motschull. Die steigende Nachfrage komme gleichermaßen von Privatkunden und aus der Gastronomie.
Wegen der Corona-Beschränkungen fürchten Gastronomen bei kälteren Temperaturen um ihr Geschäft. Um die Außenbereiche für Gäste attraktiver und vor allem wärmer zu gestalten, setzen viele Café- und Restaurantbesitzer auf gasbetriebene Heizpilze. Deren Hersteller berichten von einer deutlich steigenden Nachfrage. Einige kommen mit der Produktion fast nicht mehr hinterher, die Lager sind teilweise leer. Viele Kommunen haben die Gasheizstrahler aber verboten, weil sie hohe Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids ausstoßen.
Diese Regeln gelten für Heizpilze
In vielen Städten gab es gar kein Verbot für die Heizpilze auf öffentlichen Freischankflächen. In Bremen beispielsweise sind sie erlaubt, wenn auch nicht weit verbreitet. Auch in Düsseldorf, Duisburg, Dortmund, Bonn, Cottbus, Potsdam und Kiel gibt es keine Verbote, ebenso in Frankfurt am Main. Zu Jahresbeginn war hier noch über ein mögliches Verbot debattiert worden, das dürfte vorerst vom Tisch sein. In Köln gibt es ebenfalls kein grundsätzliches Verbot von Heizpilzen - allerdings teilweise gestalterische Vorgaben. In Leipzig gilt für Freiflächen die Regel ein Heizpilz pro 20 Quadratmeter. Allerdings müssen sie beantragt werden, und eine Gebühr von 20 bis 30 Euro wird fällig, die für Baumpflanzungen eingesetzt werden soll. In Dresden sind die Pilze ebenfalls nicht grundsätzlich verboten, müssen aber beantragt werden.
Zu den Städten, in denen Heizpilze in Herbst und Winter vorübergehend erlaubt werden sollen, gehört unter anderem Stuttgart. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) will das in der Innenstadt geltende Verbot bis April kommenden Jahres aussetzen, um der Gastronomie zu helfen. Er plädiert dabei für den Einsatz von mit Ökostrom betriebenen Geräten. Auch in Tübingen und Regensburg sind Ausnahmen geplant. Essen will die eigentlich verbotenen Heizpilze bis Ende März dulden. Auch in Fürth gibt es derzeit eine Erlaubnis in Reaktion auf die Corona-Krise.
In München sind Heizpilze auf öffentlichem Grund nur erlaubt, solange die Sommerzeit gilt. Ende September wird sich der Stadtrat voraussichtlich mit dem Thema beschäftigen, eine Erlaubnis wäre laut Verwaltung „problemlos per Mehrheitsbeschluss“ möglich. Auch in Augsburg, wo Heizpilze weitgehend verboten sind, steht die Entscheidung über eine mögliche Lockerung noch aus.
Besonders kompliziert ist es in Hamburg. Hier sind die Heizpilze genehmigungspflichtig und werden von den dafür zuständigen Bezirken wohl oft abgelehnt. Selbst der Gastgewerbeverband Dehoga konnte nach eigenen Angaben nicht klären, wo welche Regeln gelten. „Unsere Forderung ist die Zulassung von Heizpilzen oder anderen Wärmeanlagen mindestens bis Ende des Jahres und kein Flickenteppich, sondern gleiche Regelungen für alle Bezirke“, sagt Dehoga-Präsident Franz J. Klein. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sprach sich am Wochenende für eine temporäre Nutzung aus: Er könne es akzeptieren, wenn Heizpilze für eine beschränkte Zeit wieder zugelassen würden.
In Berlin sind Heizpilze auf öffentlichem Boden seit 2009 in eine Reihe von Bezirken und nahezu der gesamten Innenstadt verboten. Dehoga, IHK und FDP fordern eine vorübergehende Erlaubnis, der rot-rot-grüne Senat ist darauf bisher aber nicht eingegangen. Allein Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) zeigte sich bereit, über strombetriebene Heizgeräte zu reden. Auch in Hannover sind sie nicht erlaubt.
Insgesamt gibt es unter den 10 größten deutschen Städten viel Verständnis für Heizpilze. Nur in einer haben sie nach aktuellem Stand wenig Chancen. Zwei haben sie bereits vorübergehend erlaubt und in zwei weiteren schwelt die Debatte darüber. Fünf hatten nie ein Verbot.
Der deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) fordert dennoch die bundesweite Zulassung von gasbetriebenen Heizpilzen, um mehr Gäste in die Außenbereiche zu locken. Dort könnten die Abstandsregeln besser eingehalten werden. Zuletzt hatte sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet der Forderung angeschlossen. Mit elektrischen Infrarotheizstrahlern gibt es aber auch eine emissionslose Alternative zu den gasbetriebenen Heizpilzen.
Die elektrischen Heizstrahler stoßen kein klimaschädliches Kohlendioxid aus, das bei der Verbrennung von Propangas entsteht. Allerdings haben die Infrarotheizstrahler einen hohen Stromverbrauch. Nur bei der Verwendung von Ökostrom wären sie also klimaneutral. „Es gab in den vergangenen Jahren einige Fortschritte in der Infrarottechnik“, sagt Motschull.
Ältere Quarzstrahler seien sehr ineffizient gewesen. Moderne Infrarotstrahler besäßen hingegen meist Heizröhren aus Carbon. „Die haben eine sehr gute Wärmeausbeute.“ Außerdem habe die Branche mehr in das Design investiert. „Früher waren elektrische Heizstrahler ziemlich hässlich. Das hat natürlich einige Kunden abgeschreckt.“
Manke Tech war eines der ersten deutschen Unternehmen, das sich auf Infrarotheiztechnik spezialisiert hat. Damals war der Markt noch sehr klein, berichtet Motschull. Die Folgen der Pandemie hätten der Branche jetzt einen deutlichen Schub gegeben. „Wir merken, dass der Markt zunehmend interessanter für andere Unternehmen wird.“
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Auch das mittelständische Unternehmen Welltherm aus Lüdenscheid hat sich unter anderem auf die Herstellung von Infrarotheizstrahlern spezialisiert. Die Nachfrage von Privatkunden sei aktuell außergewöhnlich hoch, berichtet Geschäftsführer Hrisovalandis Stamenitis. Gastronomen hielten sich hingegen wegen ihrer Umsatzeinbußen noch mit Investitionen zurück. „Erfahrungsgemäß kaufen die Kunden aber dann die meisten Heizstrahler, wenn es das erste Mal tatsächlich kalt wird. Das sind häufig Spontankäufe.“ Er rechnet daher damit, dass die Nachfrage mit sinkenden Temperaturen noch stärker steigen wird.
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