Gazprom-Deal gestoppt BASF zahlt einen hohen politischen Preis

Anfang Dezember verkündete Gazprom einen Strategiewechsel in Europa. Jetzt stoppt der Konzern ein milliardenschweres Geschäft mit BASF – wegen der politischen Lage.

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Wer den Öl- und Gasmarkt dominiert
Stürmische Zeiten: Trotz der weltweiten Wirtschaftsflaute fahren die größten Ölkonzerne der Welt satte Gewinne ein. Der Energie-Informationsdienst Oilandgasiq hat die zehn größten Öl- und Gaskonzerne nach dem täglichen Fördervolumen zusammengestellt. Stand: Mai 2013 Quelle: REUTERS
Platz 10: Kuwait Petroleum Corporation (KPC)Den letzten Rang unter den Top-10 Ölkonzernen der Welt erreicht der staatliche Ölförderer von Kuwait. Die Kuwait Petroleum Corporation ging aus der Anglo-Persian Oil (heute BP) und Gulf Oil (heute Chevron) hervor. Die Kuwaitis beschäftigen 15.800 Menschen und fördern 3,2 Millionen Fass Öl am Tag. Ein Fass oder Barrel entspricht rund 159 Litern. Im Golfkrieg in den 1990ern setzten irakischen Streitkräfte mehr als 700 kuwaitische Ölquellen in Brand. Quelle: PR
Platz 9: ChevronDie Wurzeln des drittgrößten Unternehmens der USA reichen bis 1879 zurück, als die Pacific Coast Oil Company gegründet wurde. Später schluckte Standard Oil das Unternehmen und nannte es SoCal. 1984 schlossen sich dann SoCal und Gulf Oil unter dem Namen Chevron zusammen. Die Kalifornier fördern 3,5 Millionen Barrel am Tag. Rund 62.000 Menschen arbeiten weltweit für den Konzern. Quelle: REUTERS
Platz 8: PemexMexiko verstaatlichte 1938 die gesamte Ölindustrie. Heute gilt der Energieriese als eines der größten Unternehmen Lateinamerikas und größter Steuerzahler Mexikos. Die 138.000 Mitarbeiter fördern 3,6 Millionen Fass Öl am Tag. Quelle: REUTERS
Platz 7: Royal Dutch Shell Der siebtgrößte Ölförderer der Welt entstand 1907 aus dem Zusammenschluss einer niederländischen und einer britischen Firma. Der weltweit bekannte Konzern setzte sich 2012 mit einer Marktkapitalisierung von 140 Milliarden Dollar an die Spitze des britischen Leitindex FTSE. Mit 87.000 Angestellten fördert der Multi 3,9 Millionen Barrel Öl am Tag. Quelle: REUTERS
Platz 6: BPAuf eine lange Historie blickt auch British Petroleum, kurz BP, zurück. Die Burmah Oil Company ging 1909 in der Anglo-Persian Oil Company auf, die später zur Anglo Iranian Oil und schließlich zu BP wurde. Einen schweren Schlag erhielt der Konzern, als eine Explosion auf der Plattform Deepwater Horizon 2010 mehrere Arbeiter töte. Das auslaufende Öl verseuchte den Golf von Mexiko und richtete eine der größten Umweltkatastrophen an. Der Konzern wurde zu Milliardenstrafen und Entschädigungen verurteilt. Weitere Prozesse laufen. BP beschäftigt 85.700 Menschen und fördert 4,1 Millionen Fass Öl am Tag. Quelle: dapd
Platz 5: PetrochinaDen fünften Rang unter den größten Energiekonzernen der Welt hat Chinas Petrochina erobert. Die Karriere des erst 1999 gegründeten Unternehmens ist steil. Der staatseigene Konzern fördert mit 550.000 Arbeitern 4,4 Millionen Barrel. Quelle: REUTERS

Angesichts der angespannten politischen Lage im Verhältnis zu Russland haben der weltgrößte Chemiekonzern BASF und der Energieriese Gazprom ein Milliardengeschäft gestoppt. Dabei ging es um ein komplexes Tauschgeschäft, das eigentlich zum Jahresende geplant war.

Geplant war, dass die BASF-Tochter Wintershall das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft vollständig an Gazprom überträgt. Dies hätte auch das Kasseler Gashandelsunternehmen Wingas betroffen. Gazprom hätte sich zudem mit 50 Prozent an der Wintershall Noordzee beteiligt, die in der Nordsee Erdöl und Erdgas fördert. Im Gegenzug war die gemeinsame Erschließung von Gasfeldern in Westsibirien vorgesehen.

Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas und Öl

„Aufgrund des aktuell schwierigen politischen Umfelds haben BASF und Gazprom beschlossen, den zum Jahresende geplanten Tausch von Unternehmensanteilen nicht zu vollziehen“, sagte Wintershall-Sprecher Stefan Leunig. Insgesamt trugen die Aktivitäten, die BASF ins Tauschgeschäft einbringen wollte, im Jahr 2013 rund 12 Milliarden Euro Umsatz bei.

Erdgashandel soll fortgesetzt werden

Die Beziehungen zwischen Russland und der EU sind derzeit angespannt. Die EU hatte Russland wegen des Ukraine-Konflikts mit scharfen Wirtschaftssanktionen belegt. Noch Anfang Dezember hatte BASF-Vorstandschef Kurt Bock betont, das geplante Tauschgeschäft mit Gazprom werde bis zum Jahresende abgeschlossen.

Das Erdgashandelsgeschäft wird nun den Angaben zufolge weiterhin als Gemeinschaftsunternehmen zwischen Gazprom und Wintershall fortgeführt. BASF-Chef Bock sagte, er bedaure, dass der Tausch nicht abgeschlossen werde. Der Konzern werde seine Zusammenarbeit mit Gazprom in den bestehenden Gemeinschaftsunternehmen fortsetzen. „Unsere Strategie im Öl-und-Gas-Geschäft bleibt unverändert: Wir konzentrieren uns auf profitables Wachstum an der Quelle in ausgewählten öl- und gasreichen Regionen.“

Die Absage des Tauschgeschäftes mit Gazprom zeigt, dass BASF insbesondere im Russland-Geschäft ein hohes politisches Risiko geht. Erst vor wenigen Wochen stoppte Präsident Wladimir Putin das South-Stream-Pipelineprojekt, an dem die BASF ebenfalls beteiligt war. Durch die Pipeline sollte russisches Gas nach Südeuropa transportiert werden. Die BASF-Tochter Wintershall wollte etwa 1,5 Milliarden Euro investieren.

Probleme hatte der Chemiekonzern mit seinem Öl- und Gasgeschäft auch in Libyen – ebenfalls aufgrund der politischen Lage. In dem nordafrikanischen Land fördert BASF große Mengen Öl, rund zwei Milliarden Dollar soll Wintershall in dem Land investiert haben. Während des Bürgerkriegs musste die Förderung jedoch zeitweise eingestellt werden, Mitarbeiter das Land verlassen.

Der Stopp des Geschäfts hat auch Auswirkungen auf die BASF-Zahlen. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) dürfte im laufenden Jahr daher nur noch „leicht“ statt „deutlich“ steigen, für 2013 wird das Ebit auf 7,1 Milliarden Euro nach unten korrigiert. Die Belastungen bezifferte BASF auf 113 Millionen Euro im vergangenen und 211 Millionen Euro im laufenden Jahr.

Das geplante Geschäft mit dem staatsnahen Gazprom-Konzern war wegen der russischen Rolle in der Ukraine-Krise in die Kritik geraten. Anfang Dezember hatte Gazprom nach dem Stopp der transeuropäischen Erdgasleitung South Stream einen Strategiewechsel für Europa beschlossen.

Kurswechsel von Gazprom

Die Einstellung Russlands zum europäischen Markt ändere sich grundlegend, hatte Gazprom-Chef Alexej Miller gesagt. „Das ist der Anfang vom Ende unseres Modells, bei dem wir uns auf Lieferungen bis zum Endverbraucher auf dem europäischen Markt orientierten“, sagte Miller.

Der Konzernchef begründete den Kurswechsel von Gazprom mit der EU-Bürokratie, die auch South Stream zum Scheitern gebracht habe. Die EU-Kommission hatte bemängelt, dass Gazprom sowohl das Gas liefern als auch die Leitung betreiben sollte. Das sei mit EU-Recht nicht vereinbar. Die Gasleitung South Stream hätte vor allem die Länder Südosteuropas mit Gas aus Russland versorgen sollen. Anfang Dezember hatte Russland den Stopp des Projekts verkündet.

Das nun gestoppte Tauschgeschäft hatten BASF und Gazprom vor zwei Jahren angekündigt. Gazprom wollte damit ursprünglich Zugang zum wichtigen Endkundenmarkt in Westeuropa bekommen. BASF hätte sich damit vom Gashandel verabschiedet.

Anleger befürchten nun auch das Scheitern des geplanten Verkaufs der RWE-Öl- und Gasfördertochter Dea an einen russischen Investor. Wie die BASF-Aktien verloren auch die RWE Aktien stark an Wert. Ein RWE-Sprecher erklärte am Freitag in Essen: „Wir arbeiten daran, die Transaktion zügig abzuschließen. Allerdings stehen noch einige Zustimmungen Dritter aus. Ob wir die Gespräche hierzu bereits 2014 abschließen können, lässt sich derzeit nicht absehen.“

RWE will Dea für 5,1 Milliarden Euro an den russischen Oligarchen Michail Fridman verkaufen. Doch die britische Regierung blockiert wegen der politischen Sanktionen gegen Russland dieses Geschäft. Eigentlich sollte der Deal bis Ende 2014 über die Bühne gehen.

Bei BASF haben damit nun die Bedenkenträger Oberwasser, die Russland als strategischen Partner kritisch sehen. Zu ihnen dürfte auch Konzernchef Kurt Bock zählen, der viele Jahre seines Berufslebens in den USA zugebracht hat. Bei Wintershall in Kassel beklagen Manager die mangelnde Unterstützung aus der Führungsetage des weltgrößten Chemiekonzerns. Dort äußerte sich Bock nach Absage des Asset-Swaps nur lapidar: Er werde die bestehenden Russland-Projekte fortsetzen.

Tatsächlich ist es insbesondere Kremlchef Wladimir Putin selbst, der die deutsch-russische Kooperation im Energiesektor torpediert. Der Baustopp der Pipeline „South Stream“ soll Putins spontane Entscheidung gewesen sein, als er auf einem Staatsbesuch beim türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Bereitschaft zum Abschluss eines großen Gasvertrags verspürte.

Weder Gazprom noch die am Projekt beteiligten Juniorpartner wie Wintershall sollen vorab informiert gewesen sein. Wintershall-Chef Rainer Seele weilte da gerade im sibirischen Nowy Urengoj auf Pressereise und lobte die Russen als zuverlässigen Partner – bis diese just in diesem Moment das Gegenteil bewiesen.

Vorläufig ist das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen ziemlich frostig. Putin gilt als Risikofaktor für die strategische Planung, zumal das politische Klima angesichts der weiter schwelenden Ukraine-Krise unkalkulierbar bleibt. Die Russen indes sind eben wegen der politischen Großwetterlage bereit, ihre nibelungentreuen Partner aus Deutschland zugunsten neuer Geschäftsbeziehungen mit China oder der Türkei zu opfern.

Gleichwohl ist man in Kassel bei Wintershall davon überzeugt, dass sich Gazprom nie ganz vom Westen lösen wird – zumal der Konzern im Moment unter enormen Druck steht und ein Viertel seiner über 400.000 Mitarbeiter entlassen muss. Technologisch sind die Russen unterdessen auf Partnerschaften wie jene mit Wintershall angewiesen. Die Chinesen können kein Gas in großen Tiefen bohren. Und die Türken erst Recht nicht.

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