GE-Deutschland-Chef Dierker „Windkraftanlagen sind auch eine Zumutung“

Windkraftanlagen im niedersächsischen Leer Quelle: dpa

Windkraft ist notwendig für die Energiewende – doch der Markt in Deutschland ist eingebrochen. Was tun? Ein Gespräch mit Wolfgang Dierker, Deutschlandchef von General Electric, über Windprämien, Nimbys und den Rotmilan.

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Der traditionsreiche Industrie-Mischkonzern General Electric (Umsatz: umgerechnet rund 88,2 Milliarden Euro) zählt zu den größten US-Unternehmen in Deutschland: Rund 4,15 Milliarden Euro setzte GE-Deutschland im Jahr 2018 um. GE fertigt unter anderem Düsentriebwerke für Flugzeuge, Antriebssysteme für Züge und Schiffe, Wasserkraftwerke. Hierzulande liegt der Schwerpunkt auf Medizin- und Netztechnik, 3D-Druckern und Windkraftanlagen. Bei Letzteren gehört GE zu den fünf größten Herstellern in Deutschland und kämpft, wie alle anderen auch, mit einem einbrechenden Markt.

Von 2017 auf 2018 ging die Zahl der neu errichteten Windenergieanlagen in Deutschland nach Zahlen des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien um fast 55 Prozent zurück; und von 2018 auf 2019 noch einmal um 55 Prozent. Der Präsident des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, nannte es einen „dramatischen Einbruch“. Als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier Ende 2019 einen Gesetzesentwurf präsentierte, der Mindestabstände für neue Anlagen vorsieht, bezeichnete der WWF das Papier als „Todesstoß für die Windenergie an Land“. Gleichzeitig steigt die Zahl der Klagen gegen geplante Windkraftanlagen.

Keine einfache Situation für Wolfgang Dierker. Seit Oktober 2017 führt der 52-jährige Historiker die Geschäfte von GE Deutschland mit Hauptsitz in Frankfurt. Nach seiner Promotion arbeitete er zunächst in der Parlamentarismusforschung, wechselte 2001 zum Digitalverband Bitkom und verantwortete von 2004 bis 2010 die politische Interessenvertretung von Hewlett-Packard in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika. Seit 2010 arbeitet er für General Electric.

WirtschaftsWoche: Herr Dierker, was sehen Sie, wenn Sie in Ihrem Garten sitzen und den Blick schweifen lassen?
Wolfgang Dierker: Ich wohne in Berlin-Lichterfelde und ich sehe eine Autobahn, gar nicht so weit entfernt, ziemlich laut, und das Gaskraftwerk Lichterfelde. Also viel Energie- und Verkehrsinfrastruktur um mich herum. Und wenn ich mit meiner Frau spazieren gehe, sehe ich lauter Windanlagen. In Ruhlsdorf, in Teltow, an der unmittelbaren Grenze im Berliner Süden.

GE-Deutschland-Chef Wolfgang Dierker Quelle: Katja Bilo

Und das stört Sie nicht…
Nein, ich find’s toll! Das ist saubere Energie. Und so sehr das manche stören mag, die Anlagen da stehen zu sehen: Es ist industrielle Infrastruktur, und Windenergieanlagen gehören heute dazu.

Theoretisch sind Sie mit Ihrer Begeisterung für die Windkraftanlagen bei der Mehrheit: Laut der aktuellen Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes beurteilen 92 Prozent der Befragten den Ausbau von Solar- und Windenergie als „eher wichtig“ bis „sehr wichtig“. Aber: Gegen den Bau von mehr 300 Windrädern laufen in Deutschland Klagen, 2019 wurden so wenige neue Anlagen an Land gebaut wie nie seit dem Start des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000. Was ist da los?
Es gibt eine generelle Zustimmung der Bevölkerung zur Energiewende und zum Klimaschutz. In den Umfragen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft kommen jedes Jahr überwältigende Zustimmungszahlen zum Klimaschutz. Wir haben Social-Media-Befragungen durchgeführt, da kommen auch Zustimmungsraten heraus, die uns verwundern: Wo ist denn eigentlich das Problem?

Und wie lautet Ihre Erklärung?
Die finden wir auf der sogenannten Nimby-Ebene.

Die sogenannten Nimbys sind Vertreter der Haltung „not in my backyard“.
Genau. Das heißt ja: Ich bin für Energiewende, für Klimaschutz, für saubere Energie – aber bitte nicht dort, wo mich die Anlage beim Spazierengehen stört, wo mich die Lichter nachts stören. Klar, solche Anlagen – und die werden ja auch nicht kleiner – sind für Menschen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen, auch eine Zumutung. Mit diesen Menschen müssen wir uns auseinandersetzen und Lösungen für sie finden. Aber da schiebe ich gleich nach: Das ist Teil unserer Entscheidung, Klimaschutz zu betreiben, Energieversorgung zu verändern. Und ich finde, es ist vergleichbar mit dem Straßenverkehr, den wir auch um uns herum haben. Wir leben nicht mehr als Wildbeuter im Urwald, sondern in einer hochtechnisierten Gesellschaft mit der entsprechenden Infrastruktur.

Im Jahr 2017 hat GE Deutschland 161 Windenergieanlagen in Betrieb genommen – vergangenes Jahr nur noch 16. Wer trägt Schuld an dieser Krise?
Es ist eine Mischung aus verschiedenen Faktoren. Mit den Bürgerenergie-Windparks hat man mit der Einführung der Ausschreibungsverfahren bestimmte Privilegien und Ausnahmen geschaffen, was dazu geführt hat, dass diejenigen, die solche Bürger-Windparks umsetzen wollten, sich mit dem Bau sehr, sehr lange Zeit lassen durften. Wir haben gleichzeitig eine Situation, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich zunehmend an Windkraftanlagen stören und aus unterschiedlichsten Gründen versuchen, gegen Windenergie vorzugehen.

Darauf kommen wir gleich zu sprechen.
Letztendlich ist das Hauptproblem das Ausbleiben von Genehmigungen, die zum Bau einer Anlage erforderlich sind. Die Zeiträume zur Erteilung einer Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz haben sich massiv verlängert, weil Behörden zum Beispiel immer mehr Gutachten einfordern. Die Behörden stehen unter einem enormen Druck, weil Genehmigungen seit einiger Zeit sehr stark und sehr erfolgreich beklagt werden. Das stellt die Behörden vor ein großes Problem. Es gibt also viele Gründe.

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In etwa der Hälfte der Klagen gegen Windkraftanlagen wird der Vogel- und Fledermausschutz angeführt, ein Viertel der Klagen beruft sich grundsätzlich auf Artenschutz. Kommen Sie sich da manchmal etwas veräppelt vor, wenn die Menschen auf einmal den Fledermausbeschützer in sich entdecken?
Veräppelt nicht, aber man wird ungeduldig. All diese Gründe, warum Menschen ein Problem mit Windenergie haben, sind ja legitime Gründe. Es ist aber eine Frage des Kontexts. Gibt es nur noch Einwände gegen Windenergie, weil es keine positiven Aspekte mehr gibt? Nein. Beim Artenschutz wird zum Beispiel häufig der Rotmilan genannt, der Windenergieanlagen zum Opfer fällt. Man könnte dagegenhalten: Viele seltene Tierarten sind vom Autoverkehr viel stärker betroffen. Dann würde man reine Zahlen gegenüberstellen. Aber der wesentliche Punkt ist: Industrielle Infrastruktur, egal ob zur Energieversorgung, zur Mobilität oder zur Kommunikation, bedeutet fast immer einen Eingriff in die Natur. Und wir haben alle das Interesse, diese Eingriffe so minimal wie möglich zu halten.

Wie soll das gehen?
Das können wir, indem wir etwa unsere Anlagen in bestimmten Zeiten abschalten, wenn zum Beispiel viele Fledermäuse unterwegs sind. In einem anderen Fall haben wir eine Software aufgespielt, die dafür sorgt, dass die Anlage abschaltet, wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung kommt und die Anlage lauter wird. Es gibt Lösungen für so etwas. Die werden nicht 100 Prozent aller Fälle abdecken, aber ich glaube, es gibt technische Lösungen für das eine oder andere Problem.

Fühlen Sie sich manchmal missverstanden, wenn Sie zunehmend in Erklärungsdefensive gelangen? Auf der einen Seite repräsentieren Sie mit Ihren Anlagen die Energiewende, also den politischen Willen. Aber auf der anderen Seite bekommen Sie genau deswegen zunehmend den Zorn der Bevölkerung zu spüren.
Wir entwickeln und bauen diese Anlagen, sind aber in der Regel Partner von Projektierern und Windpark-Betreibern. Insofern ist es geteiltes Leid mit unseren Partnern. Wir kriegen schon sehr deutlich mit, was vor Ort passiert und versuchen, konstruktiv damit umzugehen. Aber missverstanden ist die falsche Kategorie. Wir haben eine gesellschaftliche Diskussion, die ist in weiten Teilen nachvollziehbar. Trotzdem brauchen wir für diese Technologie einen gewissen Heimatmarkt, vom Klimaschutz und der Notwendigkeit, erneuerbare Energien dafür auszubauen, mal ganz abgesehen. Deswegen stellen wir uns der Diskussion.

„Windprämie? Ja, wir sind bereit“

Eine politische Idee ist die von SPD und Grünen geforderte „Windprämie“. Die Grünen fordern etwa, Windkraftbetreiber sollen jährlich 10.000 Euro für jede neu gebaute Anlage an die Kommunen zahlen. Das erhöhe die Akzeptanz. Was halten Sie von dem Vorschlag?
Wir befürworten die Idee, dass man die Menschen vor Ort in geeigneter Weise am Erfolg der erneuerbaren Energien beteiligt. Hier liegen von unterschiedlichen Akteuren erfolgversprechende Modelle auf dem Tisch. Wichtig ist, dass diejenigen, die die Anlagen herstellen, aufbauen und betreiben auch bereit sind, finanziell in die Pflicht zu gehen. Und da ist die Antwort: ja, wir sind bereit. Weil wir verstanden haben und es für richtig empfinden, dass die Menschen vor Ort teilhaben.

Ende September 2019 hat sich die Große Koalition im Klimaschutzprogramm 2030 auf einen umstrittenen Kompromiss geeinigt: Neue Windkraftanlagen sollen nun mindestens 1000 Meter von Siedlungen entfernt gebaut werden. Als schützenswertes Wohngebiet gilt bereits eine Siedlung ab fünf Häusern – selbst wenn die Häuser noch gar nicht gebaut sind. Ihre Reaktion?
Wir müssen alles das, was wir an Erneuerbaren ausbauen können, soweit es rechtlich möglich, finanziell darstellbar und von der Akzeptanz her machbar ist, auch tun. Wenn man jetzt bundesweit pauschale Mindestabstände einführen würde, kann ich das tatsächlich nicht verstehen. Das ist das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Was wir brauchen, sind Flächen. Bundesweit pauschale Mindestabstandsregeln um jede kleinere Anzahl von Häusern herum werden aber erstmal die Zahl der verfügbaren Flächen für neue Windenergieanlagen drastisch reduzieren. Das kann nicht richtig sein.

Wie ist es aktuell geregelt?
Es gibt bereits Abstandsregelungen, für jedes Projekt individuell, das funktioniert seit Jahren. Bei einer bundesweit einheitlichen Mindestabstandsregelung aber scheren wir sehr unterschiedliche lokale Gegebenheiten über einen Kamm. Das hätte auch Auswirkungen auf bereits bestehende Planungen, so dass vieles von dem, was heute Rechtssicherheit gibt, plötzlich nochmal infrage gestellt wird. Das würde unsere Situation als Hersteller eher noch verschärfen.

Anwohner beklagen sich vor allem über die Lautstärke der Windräder, den Infraschall, der den Schlaf störe, den Schatten der Rotorblätter und auch den Werteverlust ihrer Immobilie. Können Sie die Anwohner verstehen?
Klar! Meine Eltern wohnen in einem Haus in dessen näherer Umgebung später ein Autobahnkreuz gebaut wurde. Und natürlich führte diese Autobahn zu einer Entwertung der dortigen Häuser. Insofern habe ich Verständnis dafür, dass Leute gegen Windenergieanlagen sind.

Über die Frage, was bei Umsetzung dieser 1000-Meter-Abstandsregelung passieren würde, gibt es Unklarheit. Das Umweltbundesamt sagt, die potenziellen Bauflächen würden um 20 bis 50 Prozent reduziert werden. Das Potsdamer Forschungsinstitut IASS rechnet gar mit einer Reduzierung von 65 Prozent, das Fraunhofer Institut geht nur von einer Reduktion von zehn bis 15 Prozent aus.
Die Annahmen sind dabei unterschiedlich: Worauf bezieht sich der pauschale Mindestabstand? Das ist ja im Moment die politische Diskussion. Das führt maßgeblich dazu, dass man zu so unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Unterm Strich ist festzuhalten: Mindestabstände werden die verfügbaren Flächen und die Zahl der Anlagen in jedem Fall reduzieren und nicht erhöhen. Und wir haben auch eine Studie gemacht, in der wir in Szenarien haben ausrechnen lassen, welche Auswirkungen der Ausbau der Onshore-Windenergie für die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung in der Branche bedeuten. Wir haben drei Szenarien ausgerechnet. Im sogenannten „Gegenwind“-Szenario mit etwa 1 GW-Ausbau pro Jahr, da sind wir im Moment, droht uns ein Verlust von Arbeitsplätzen in der Größenordnung von etwas mehr als einem Viertel.

Wie viel ist das?
Allein im Kernbereich Windenergie arbeiten in Deutschland rund 65.000 Menschen.

Das sind die zehn größten US-Unternehmen in Deutschland
General Electric ist einer der größten Mischkonzerne der Welt mit einem Gesamtumsatz von zuletzt umgerechnet 110 Milliarden US-Dollar. Quelle: dpa
Den neunten Platz belegt John Deere mit einem Umsatz von 4,48 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Der weltgrößte Softwareentwickler Microsoft (Gesamtumsatz: umgerechnet 114 Milliarden Euro) gründete 1983 einen Deutschland-Ableger. Quelle: dpa
Der kalifornische Gesundheitskonzern McKesson übernahm Anfang 2014 rund 77 Prozent der Anteile am Stuttgarter Pharmahändler Celesio, der kurz darauf umbenannt wurde in McKesson Europe AG. Quelle: AP
Die Havi Gruppe startete 1974 als Logistikpartner für McDonald’s in Chicago. Quelle: imago images
5. Philip MorrisUmsatz: 7,43 Milliarden Euro Die deutsche Verwaltung des weltgrößten Tabakkonzerns (Marlboro, L&M, Chesterfield) sitzt in Gräfeling bei München. Produziert wird in Dresden und Berlin. Seit 2018 führt der Philip-Morris-erfahrene Markus Essing die Geschäfte. Der finanzstarke Konzern versucht seit 2017, hierzulande sein Tabakerhitzer-System namens „Iqos“ populär zu machen, eine Variante der E-Zigarette. Das nicht gerade kleine Marketingbudget fließt in die noch übrig gebliebenen, also: noch nicht verbotenen Werbeplakate. Markus Essing nennt „Iqos“ ein „weniger schädliches Produkt“ als die Zigarette, allerdings ist die Nikotinmenge vergleichbar groß. Quelle: REUTERS
Jet Tankstellen belegen den sechsten Platz mit einem Umsatz von 7,59 Milliarden Euro. Quelle: imago images

Demnach sind im schlimmsten Szenario fast 17.000 Arbeitsplätze in der Branche in Deutschland gefährdet.
Das ist schon erheblich. Und man sieht ja heute schon die Bremsspuren in der Branche.

Der deutsche Windkraftanlagen-Marktführer Enercon aus dem ostfriesländischen Aurich baut in Deutschland bis zu 3000 Arbeitsplätze ab, weil Aufträge ausbleiben. Droht Ähnliches auch bei GE Deutschland?
Nein. Wir haben uns frühzeitig auf dem Weltmarkt diversifiziert und damit heute ein gutes Auslandsgeschäft. Mittlerweile werden die Anlagen auch auf andere Kontinente exportiert. Das sorgt in der Fabrik hier in Deutschland für eine Auslastung, die uns für eine Reihe von Jahren gut beschäftigt halten wird. Wenn wir aber irgendwann annähernd 100 Prozent unserer Produktion exportieren, stellt sich die Frage: warum hier am Standort? Mit allem, was damit zusammenhängt. An einem Standort wie Deutschland mit hohen Kosten braucht man auf mittlere Sicht einen Heimatmarkt.

Wie sieht das momentan aus?
Wir hatten in der Vergangenheit von 500 Anlagen pro Jahr etwa 150 Anlagen für den deutschen Markt, also rund 30 Prozent. Das ist drastisch eingebrochen.

65-Meter-Rotorblätter werden für den Transport geteilt

Ihr Wettbewerber Senvion hat 2019 Insolvenz angemeldet. Siemens hat daraufhin wesentliche Teile von Senvion übernommen, für rund 200 Millionen Euro. Hatte GE kein Interesse an Senvion?
Wir prüfen laufend den Markt und mögliche Akquisitionen. Grundsätzlich findet eine Konsolidierung in der Branche statt – aber auch eine Kontraktion, eine drastische Schrumpfung des Marktes. Die setzt alle Player unter erheblichen Stress. Das wird der global maßgeblichen deutschen Windenergie nicht gerecht.

Sind Windkraftanlagen an Land überhaupt noch ein lukratives Geschäft für GE in Deutschland? Vergangenes Jahr hatten Sie hierzulande nur 5,9 Prozent Marktanteil an neu in Betrieb genommenen Anlagen. Ihre Konkurrenten Vestas (43,6 Prozent Marktanteil 2019) Enercon (31,6 Prozent) und Nordex (10,1 Prozent) scheinen Ihnen enteilt.
Die sind im Moment voraus. Aber wir sind überzeugt, dass wir die richtige Technologie für den richtigen Markt haben, und dass wir in diesem Markt auch wieder mehr Anteile gewinnen werden.

Gab es Überlegungen, das Deutschland-Geschäft der Windenergie von GE einzustellen oder zu veräußern?
Nein. Im Gegenteil, wir haben gerade ein neues Produkt herausgebracht, eine neue Plattform, die gerade für den deutschen Markt hervorragend funktioniert. Die wird gerade in Bayern aufgebaut, wo fast niemand mehr projektiert. Im weltweiten Markt sind wir ganz vorne dabei. Wir wollen unsere Probleme technologisch lösen, dazu zählen auch Innovationen in den Produkten.

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Zum Beispiel?
Alle Hersteller bauen immer längere Rotorblätter, wir auch. Aufgrund der längeren Blätter haben wir mehr und mehr ein Transportproblem, vom Produktionsstandort zum Aufstellungsort. Aber bei uns wird das Rotorblatt jetzt geteilt. Das längste Blatt ist ungefähr 67 Meter lang: Wenn die Transportfahrzeuge damit Kurven bei Autobahnausfahrten fahren, stößt man an natürliche Grenzen. Aber dank eines halbierten Blattes transportieren wir nun schneller und günstiger. Windenergie ist eine innovative High-Tech-Branche. Über viele Jahre haben wir investiert in diese Technik. Und GE hat das an einer Stelle in der Welt gemacht: das ist in Salzbergen, in Niedersachsen. Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt.

Deshalb muss Sie dieser Einbruch hier doch schmerzen...
Absolut. Wir wollen wachsen, und wir werden wachsen. Wir müssen nur ein paar Probleme lösen, damit dieser Markt hier wieder das an Volumen bringt, was notwendig ist, industriell wie klimapolitisch. Vorausgesetzt, dass die Politik ihre Hausaufgaben macht.

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Was sollte die Politik denn Ihrer Meinung nach tun?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat ein 18-Punkte-Programm aufgelegt. Darin steht genau beschrieben, was passieren muss: etwa eine bessere Koordination von Arten- und Naturschutz, oder die Entfernung zu Drehfunkfeuern europaweit zu harmonisieren und hier nicht auf unglaublich großen Abständen zu bestehen, die es nirgendwo sonst in Europa gibt. Steht alles drin. Da müssen wir gar nichts neu erfinden. Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung gemeinsam mit Ländern jetzt Taten folgen lässt. Nur einen Punkt kritisieren wir: was wir nicht gebrauchen können sind diese krassen Mindestabstände.

Sie sind promovierter Historiker. Eher ungewöhnlich für einen Managerposten eines Technikkonzern, oder?
Die Einordnung ist für mich sehr hilfreich. Der Mensch hat sich in seinen tausenden Jahren mit einer klaren Vorstellung entwickelt: Er hat um sich herum Infrastruktur, Technologie und Know-how geschaffen, mit dem das Leben leichter, erträglicher, länger und gesünder wurde. Das ist eine Pfad-Entwicklung in der Menschheitsgeschichte, die gültig ist, und wir sehen uns genau in der Mitte. Das ist aus der Geschichte abzuleiten, das dreht man nicht so schnell um. Natürlich gibt es Menschen, die ein Problem haben mit Anlagen, mit dem Schattenwurf und dem Rotmilan. Dann müssen wir politische Lösungen finden und in einem demokratischen Rechtsstaat muss das auch möglich sein. Wir sind der Überzeugung: Es gibt einen von Menschen mitverursachten Klimawandel. Und wir müssen technologische Lösungen finden, um das anzugehen. Und hier sind wir!

Da klingt ja doch ein bisschen Wut oder Unverständnis heraus.
Stolz! Und Unverständnis über manche politischen Debatten schon auch.

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