Gericht entscheidet über Kosten für Energiewende Milliardenstreit um staatliche Rendite für Stromnetze geht in die nächste Runde

Wie viel Geld bekommen Stadtwerke und große Stromkonzerne zukünftig für ihre Netze vom Staat? Quelle: dpa

Für E.On, Innogy & Co geht es um Milliarden, für Verbraucher um sinkende Strompreise. Wie viel Geld bekommen Stadtwerke und Stromkonzerne für ihre Netze vom Staat? Jetzt entscheidet das Düsseldorfer Oberlandesgericht.

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Martin Jonas ist ein gefragter Mann in der Energiebranche. Der Honorarprofessor ist Partner bei der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton. Vor mehr als zwei Jahren untersuchte er im Auftrag der Bundesregierung, ob die Energiekonzerne genügend Rückstellungen in ihren Bilanzen gebildet haben, um die Kosten für die Beseitigung ihres Atommülls finanzieren zu können. Jonas kam damals zu dem Schluss, dass die Finanzierung der künftigen Entsorgungskosten nicht sicher sei. Letztlich kauften sich die Atomkonzerne E.On, RWE, EnBW und Vattenfall aber mit Milliarden von ihren Atom-Altlasten frei. Die Finanzierung des Atommülls hat ein staatlicher Atomfonds übernommen.

Hoffen auf niedrige Strompreise

Im Dienst der Energiekonzerne hat Jonas erneut ein Gutachten erstellt. Wieder geht es um Milliarden Euro für große Konzerne wie E.On, aber nicht nur. Diesmal sind die großen überregionalen Stromnetzbetreiber Amprion, Tennet & Co, wie auch für hunderte Stadtwerke, die Strom- und Gasnetze betreiben, dabei.

Der Warth & Klein-Experte hat für sie untersucht, ob die Bundesnetzagentur richtig gerechnet hat. Die Bonner Behörde legt fest, wie viel Geld die Netzbetreiber vom Staat dafür bekommen, dass sie in diese wichtige Infrastruktur investieren. Die Betreiber erhalten dafür einen staatlich garantierten Zins auf ihr eingesetztes Kapital. Die Kosten dafür werden umgelegt auf die Verbraucher – über die Stromrechnung. Sie fließen in die Netzentgelte ein, die mit durchschnittlich rund 7,3 Cent rund ein Viertel des Strompreises für Haushaltskunden ausmachen.

Goldesel Stromnetze

Ende 2016 hatte die Bundesnetzagentur angekündigt, den Garantiezins für die Strom- und Gasnetzbetreiber zu senken. Begründung: Die Anpassung nach unten sei notwendig, weil ja schließlich seit Jahren das allgemeine Zinsniveau gesunken sei. Auch die Risikoprämie soll für die Strom- und Netzbetreiber sinken. Ab 2018 soll der vom Staat garantierte Zins auf das eingesetzte Kapital von Neuanlagen bei Stromnetzen nur noch mit 6,91 Prozent (bisher 9,05 Prozent) und bei Altanlagen nur noch mit 5,12 Prozent (bisher 7,14 Prozent) verzinst werden.

Für die Konzerne wäre das ein harter finanzieller Verlust. Bei E.On etwa haben die Netze einen Anteil am Ergebnis von 80 Prozent. Sinkt der Zins, sinkt auch das Ergebnis des Konzerns erheblich. Dasselbe gilt für kleinere Verteilnetzbetreiber, etwa für Stadtwerke. Dort sei der Investitionsbedarf besonders groß, heißt es beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Die Städte brauchen die Einnahmen aus dem Energiegeschäft, um Verluste etwa bei Nahverkehr, Bädern und Freizeitangeboten auszugleichen.

Mehr als 1000 Beschwerden gingen beim Oberlandesgericht in Düsseldorf gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur ein, den Garantiezins zu senken; schließlich macht ein Prozentpunkt mehr oder weniger Rendite auf das Eigenkapital rund eine Milliarde Euro aus, die den Unternehmen fehlen würde. Alle fünf Jahre legt die Bundesnetzagentur den Zinssatz neu fest.

Thomas Wolf von der Nürnberger Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner vertritt fünf der insgesamt 29 Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Wolf ist überzeugt, dass die Richter dem Gutachter von Warth & Klein folgen werden und die niedrigeren Zinssätze aufheben werden. Jonas kam in dem Gutachten zu dem Schluss, dass der Zinssatz zu niedrig sei. „Wir gehen davon aus, dass das Oberlandesgericht entscheidet, dass die Bundesnetzagentur nicht richtig gerechnet hat bei der Ermittlung des garantierten Zinses auf das eingesetzte Kapital der Strom- und Gasnetzbetreiber“, sagte Wolf der WirtschaftsWoche. In diesem Fall müsse die Bundesnetzagentur die Eigenkapitalzinssätze neu festlegen.

Während Kritiker die Klagen der Netzbetreiber für völlig überzogen halten, ist für die Unternehmen die Kürzung vor allem deshalb unhaltbar, weil die Politik doch von der Branche fordert, zukünftig ihre Netze rasch auszubauen, damit mehr Wind- und Solarstrom durch die Netze fließen kann. Dazu passe es nicht, die Erlöse und damit die Fähigkeit der Stromkonzerne den Ausbau zu finanzieren einzuschränken.

Streit um Garantiezins könnte beim Bundesgerichtshof landen

Ob die Verbraucherpreise tatsächlich sinken würden mit einer niedrigeren Rendite ist allerdings umstritten. Denn die Netzentgelte sind auch deshalb so hoch, weil etwa die Übertragungsnetzbetreiber steigende Kosten durch Noteingriffe in ihre Netze haben. Derzeit können die Netze, weil sie nicht schnell genug ausgebaut werden, Schwankungen beim Transport von Ökostrom nicht ohne massive Eingriffe ins Netz ausgleichen.

Folgt das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht den Argumenten des Gutachters, dürfte der Streit um die Rendite bei der nächsten höheren Instanz landen. „Falls das OLG den Entscheid der Bundesnetzagentur nicht aufhebt, gehen wir davon aus, dass die Betreiber auch dagegen beim Bundesgerichtshof Beschwerde einlegen werden“, sagte Wolf von Rödl & Partner.

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