
Die vier Energieriesen in Deutschland, E.On, RWE, Vattenfall und EnBW sind seit dem Atomausstieg nur noch ein Schatten ihrer selbst. Während E.On sein Heil in der Aufspaltung sucht, fehlt es RWE-Chef Peter Terium am Rückhalt der Kommunen für eine Wende; Vattenfall musste trotz eines intensiven Sparprogramms einen Verlust von mehreren hundert Millionen hinnehmen; und auch bei EnBW sieht es nicht besser aus.
Das Problem der Konzerne: mit der konventionellen Energieerzeugung aus Kohle- und Atomkraft ist kein Geld mehr zu verdienen. „Die Hütte brennt“, sagte E.On-Chef Johannes Teyssen. Schuld an allem aus Sicht der Energieriesen: Die Bundesregierung und ihre Energiewende.
Die künftige E.On-Struktur
E.On will das Geschäft mit der Stromerzeugung aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken sowie der Energiehandel 2016 mehrheitlich an die eigenen Aktionäre verschenk und an die Börse bringen. Die übrigen Anteile will E.On danach in kleineren Schritten über die Börse verkaufen. Der verbleibende Konzern besteht dann eigenen Angaben zufolge mit insgesamt 40.000 Mitarbeitern und 33 Millionen Kunden aus den drei Säulen: Erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen.
Quelle: Nachrichtenagentur Reuters (Stand: Dezember 2014)
Im Bereich Erneuerbare Energien steht E.On nach eigener Einschätzung weltweit auf Platz drei der Offshore-Windkraftbetreiber. In europäischen Gewässern betreibt E.On Anlagen mit einer Kapazität von 0,7 Gigawatt (GW). An Land betreibt der Versorger derzeit Windparks mit einer installierten Kapazität von 3,6 GW, davon 1,1 GW in Europa und 2,5 GW in den USA. Vorstandschef Johannes Teyssen kündigte an, im Zuge der Neuausrichtung das Solargeschäft auszubauen. Die Wasserkraftwerke sollen dagegen mit den Atom- und Kohlekraftwerken in die neue Gesellschaft ausgegliedert werden. 2013 setzte E.On im Bereich Erneuerbare Energien mit rund 1700 Mitarbeitern 2,436 Milliarden Euro um, das Ebitda belief sich auf 1,431 Milliarden Euro.
E.On verfügt über mehr als eine Million Kilometer Stromnetze, davon 411.000 Kilometer in Deutschland, 136.000 in Schweden, 314.000 im übrigen Europa und 200.000 Kilometer in der Türkei. Neben Investitionen ins Netz plant Teyssen Zukäufe in ausgewählten Regionen.
Der Geschäftsbereich Kundenlösungen umfasst rund 33 Millionen Kunden, 7,7 Millionen in Großbritannien, 6,1 Millionen in Deutschland, 10,4 Millionen im übrigen Europa und neun Millionen in der Türkei. E.On will durch die Modernisierung seiner Netze den Kunden künftig neue Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Energieeffizienz und dezentrale Erzeugung liefern.
Bei den ausgegliederten Geschäftsteilen - Stromerzeugung aus Atom-, Kohle- und Gaskraftwerken sowie der Energiehandel - werden künftig noch 20.000 Mitarbeiter beschäftigt sein. Das Ebitda auf Basis von 2013 beträgt gut vier Milliarden Euro.
Laut einer ausführlichen Analyse der Professoren Heinz Bontrup und Ralf Marquardt von der Westfälischen Hochschule Recklinghausen im Auftrag von Greenpeace ist aber nicht die Energiewende die Ursache für die Misere der Energiekonzerne – sondern „gravierende und anhaltende“ Managementfehler.
In ihrer Studie „Die Zukunft der großen Energieversorger“ analysieren Bontrup und Marquardt, wie sich die Marktbedingungen durch die Liberalisierung der Energiemärkte sowie durch die Energiewende verändert haben und wie die großen Konzerne auf die neuen Umstände reagierten.
Problem 1: Die Liberalisierung des Markts
Bis 1998 wurde der Energiemarkt durch staatlich regulierte Gebietsmonopole gesteuert. Auf Anstoß der EU-Kommission wurden die Märkte geöffnet. Seitdem können sowohl Großkunden als auch private und gewerbliche Kleinkunden ihren Energieversorger frei auswählen. Anstatt den von der EU-Kommission und der Bundesregierung avisierten Wettbewerb anzunehmen, bildeten sich aus den damals neun Verbundmonopolisten die vier Energieriesen, die den Markt bis heute dominieren.
Um den Wettbewerb von sich fernzuhalten, stiegen die Riesen laut den Autoren in zahlreiche Regionalversorger und Stadtwerke ein, um so ihre Absatzmärkte zu sichern und Beteiligungsrendite abzuschöpfen.
Deutsche Energieversorger im Vergleich
Umsatz im Jahr 2013: 36,8 Milliarden Euro
Kraftwerkskapazität im Jahr 2013: 18.518 Megawatt
Stromabsatz im Jahr 2013: 704 Terawattstunden
Anteil Erneuerbaren Energien: 11 Prozent
Quelle: Statista, Unternehmen
Umsatz im Jahr 2013: 28,1 Milliarden Euro
Kraftwerkskapazität im Jahr 2013: 28.257 Megawatt
Stromabsatz im Jahr 2013: 271 Terawattstunden
Anteil Erneuerbaren Energien: 6 Prozent
Quelle: Statista, Unternehmen
Umsatz im Jahr 2013:20,5 Milliarden Euro
Kraftwerkskapazität im Jahr 2013: 13.802 Megawatt
Stromabsatz im Jahr 2013: 128 Terawattstunden
Anteil Erneuerbaren Energien: 13 Prozent
Quelle: Statista, Unternehmen
Umsatz im Jahr 2013: 15,3 Milliarden Euro
Kraftwerkskapazität im Jahr 2013: 18.352 Megawatt
Stromabsatz im Jahr 2013: 86 Terawattstunden
Anteil Erneuerbaren Energien: 23 Prozent
Quelle: Statista, Unternehmen
Die Liberalisierung zeigte zwar Wirkung, wie das Bundeskartellamt im Januar 2011 feststellte: Der Anteil von E.On, RWE, Vattenfall und EnBW habe gemessen an Stromeinspeisung und Erzeugungskapazitäten abgenommen. Trotzdem: Sie befänden sich nach wie vor in einer Position, „die es ihnen ermöglicht, sich in einem nennenswerten Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern (...) und Verbrauchern zu verhalten und dadurch den Wettbewerb auf dem Erstabsatzmarkt zu beeinträchtigen.“
Die Gewinne waren nach wie vor hoch, sodass das Management keinen Bedarf sah, die Konzerne für die Zukunft auszurichten und verstärkt in Erneuerbare Energien zu investieren.
Problem 2: Die Energiewende
Die Liberalisierung alleine konnte das Monopol der Energieversorger nicht aufbrechen. Hinzukommen musste die Energiewende. Allerdings kam sie 2011 nicht ganz unerwartet – auch, wenn niemand die Reaktorkatastrophe in Fukushima hervorsehen konnte.
Die Energiewende zeichnete sich schon 1999 mit der Einführung der Ökosteuer und einer Stromsteuer ab. Ab dem Jahr 2000 galt das Erneuerbare-Energien-Gesetz, 2005 hatte Deutschland sich am EU-weiten Emissionshandel beteiligt.
Welche deutschen Atomkraftwerke demnächst vom Netz gehen
Philippsburg II (Baden-Württemberg, EnBW)
Bruttoleistung: 1468 MWe
Inbetriebnahme: 13.12.1984
Grohnde II (Niedersachsen, EnBW)
Bruttoleistung: 1430 MWe
Inbetriebnahme: 01.09.1984
Brokdorf (Schleswig-Holstein, E.On/Vattenfall)
Bruttoleistung: 1480 MWe
Inbetriebnahme: 08.10.1986
Gundremmingen C (Bayern, RWE/E.On)
Bruttoleistung: 1344 MWe
Inbetriebnahme: 26.10.1984
Isar II (Bayern, E.On/Stadtwerke München)
Bruttoleistung: 1485 MWe
Inbetriebnahme: 15.01.1988
Emsland (Niedersachsen, RWE/E.On)
Bruttoleistung: 1400 MWe
Inbetriebnahme: 14.04.1988
Neckarwestheim II (Baden-Württemberg, EnBW)
Bruttoleistung: 1400 MWe
Inbetriebnahme: 29.12.1988
Diese Neuorientierung Deutschlands wurde 2011 lediglich beschleunigt. Wenige Wochen vor der Katastrophe hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung die Verlängerung der Laufzeiten einiger Atomkraftwerke beschlossen – das führte dazu, dass die Energieriesen sich darin bestätigt fühlten, weiterhin primär auf Atomkraftwerke zu setzen.
Nachdem die schwarz-gelbe Bundesregierung aufgrund der Katastrophe die Verlängerung der Laufzeiten einiger Meiler wieder einkassierte und weitere Kraftwerke, die als unsicher galten, sofort abschaltete, standen die E.On und Co. vor einem völlig neuen Energiemarkt. Und auf den waren sie nicht vorbereitet.