Greenwashing Wie Unternehmen wirtschaftliches Kalkül als Ökostrategie verkaufen

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Google-Chef Bryn (links), Page: Kostenersparnis und besseres Umwelt-Image mit Kühltürmen für Server Quelle: Tom Bible

Der vermeintliche Ökounternehmer Anderson geriet allerdings voll in den Sog der Immobilien- und Wirtschaftskrise und musste ein Viertel der Belegschaft entlassen. Gut, dass er zuvor die Ausgaben für Energie und Rohstoffe reduziert hat. „Unsere Kosten sind niedrig, unsere Produkte besser denn je“, betont Anderson, „und darum steigern wir unseren Marktanteil.“

Ähnlich einzuordnen sind die Bemühungen des IT-Riesen Google, die immensen Stromkosten für seine Computer und die Kühlung der mit Rechnern vollgestopften Büroräume zu senken. Natürlich macht Google die aktuelle Mode mit und spricht vor allem von der damit verbundenen Minderung des CO2-Ausstoßes. So haben Google-Leute vorgerechnet, wie viel Treibhausgas bislang jede Anfrage verursacht, die irgendwer auf der Welt an ihre riesige Suchmaschine richtet: 0,2 Gramm CO2.

Was winzig klingt, multipliziert sich mit den Milliarden von Google-Operationen auf Zehntausende Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Das müsse aufhören, befanden die Google-Chefs Sergey Bryn und Larry Page. Vor drei Jahren beriefen sie mit Bill Weihl einen früheren Professor der Computerwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu ihrem obersten Umweltschützer mit dem Titel „Green Energy Czar“. Unter der Herrschaft von Zar Bill hat Google den sogenannten ökologischen Fußabdruck seiner Datenzentren deutlich reduziert. Weihl sorgte dafür, dass in den Gebäuden, in denen die Google-Server das Internet durchforsten, viel weniger Energie verbraucht wird als früher.

Falsche Kalkulation verhindert oft Ökologie

Die Methode ist nicht viel jünger als der Kühlschrank und heißt Verdampfungskühlung. In der Industrie ist das Verfahren Standard. Weihl ließ in die Google-Gebäude eine Art von Kühltürmen einbauen, die der Aufheizung der IT-Anlagen und ihrer Umgebung energieeffizienter entgegenwirken als Ventilatoren und normale Klimaanlagen. Insgesamt machen heute bei Google nach eigenen Angaben Energieversorgung und Kühlung nur noch 16 Prozent der Kosten für Datenzentren und Server aus – bei anderen IT-Unternehmen seien es 49 Prozent.

Die Überlegung dahinter hat mit Ökologie so viel zu tun wie der Kauf eines verbrauchsarmen Autos durch einen sparsamen Privatmann. „Wenn wir heute solche Gebäude bauen, dann sollten sie ungefähr zehn Jahre genutzt werden, wie sie sind. Dann lohnt es sich doch, jetzt fünf Dollar zusätzlich auszugeben und dafür in den zehn Jahren 50 Dollar Energiekosten einzusparen“, erklärt Weihl.

Dass längst nicht schon alle die Technik anwenden, liegt nicht am fehlenden Umweltbewusstsein, sondern schlicht an der falschen Kalkulation, meint Weihl. „Der Typ in einer Firma, der sich mit Neubauten beschäftigt, sagt sich: Wenn ich auf Energiesparen achte, wird mein Gebäude zehn Prozent teurer – damit könnte das Unternehmen zwar in den kommenden fünf Jahren zehn Mal so viel an Energiekosten sparen. Aber das interessiert mich nicht: ist ja nicht mein Budgetposten.“

Wenn ein Unternehmen aus den USA als Ausgeburt der Ökologie bekannt ist, dann Patagonia, der Outdoor-Ausstatter. Im Küstenstädtchen Ventura bei Los Angeles trifft der Besucher in der Zentrale des weit über Amerika hinaus bei Snowboardern und Bergwanderern, Anglern und Alpinisten renommierten Unternehmens auf echte Naturburschen, die das Öko-Image nur so pflegen. „Wir sehen uns oft einfach als Hersteller von Outdoor-Bedarf“, sinniert Marketingchef Rob Bon Durant. „Aber unter dieser Oberfläche sind wir Umweltschützer, die der übrigen amerikanischen Wirtschaft zeigen wollen, dass der Einbau von Nachhaltigkeit in das Geschäftsmodell gut ist fürs Geschäft.“

Ach was. Was bleibt einem Unternehmen schon anderes übrig, als buchstäblich die Schonung jener Voraussetzungen zu fördern, ohne die kein Kunde Berge besteigen, surfen, Ski laufen oder angeln könnte? Wer Produkte für die sportbegeisterten Amerikaner herstellt, die jährlich Milliarden von Dollar in gute Ausrüstung stecken, wandelte auf Abwegen, handelte er gegen die Umwelt. Also erzählt Yvon Chouinard, Gründer und Eigentümer von Patagonia, wie er 1991 der Pleite als Anorakhersteller entging. Erste Regel war seitdem Respekt gegenüber der Natur: möglichst wenig Verbrauch „jungfräulicher“ Rohstoffe. So kam der Frankokanadier auf die Idee, Ski- und Kletterjacken erst einmal aus Recycling-Polyester herzustellen. Seit 1996 ist Ökobaumwolle das angesagte Material. Heute zahlen umweltbewusste Kunden für eine dicke Jacke aus organischer Baumwolle 20 bis 40 Prozent mehr als für ein Konkurrenzprodukt aus rezykliertem Polyester.

Teppichproduzent Interface und IT-Gigant Google sparen zufällig CO2, weil sie Energiekosten senken. Bei Patagonia hat das Greenwashing tatsächlich einen tieferen Sinn – nämlich kaufkräftige, aber umweltbewusste Kunden anzulocken.

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