Grün und teuer Das sind die besten nachhaltigen Stromanbieter

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Erzeuger: mit Zufallsgewinnen auf Road Show

Derzeit verdienen die Ökostromerzeuger prächtig. So meldete Encavis, Betreiber von Wind- und Solarparks, für das erste Halbjahr plus 60 Prozent beim Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) gegenüber 2021. Encavis liefert laut eigenen Angaben nicht an Ökostromanbieter, sondern an Gewerbekunden. Über Zufallsgewinne redet das Unternehmen derzeit nicht. Stattdessen warb Encavis kürzlich auf einer Road Show um Investoren.

Das Bremer Unternehmen Energiekontor dagegen verkauft den Ökostromanbietern grünen Strom aus eigenen Anlagen. Zudem veräußert es Solar- und Windparks, die es als Projektierer entwickelt hat. Der Stromverkauf macht ein Drittel und die Projektentwicklung zwei Drittel vom Umsatz aus. Dass Ökostromanbieter solche Parks verstärkt kauften, könne Energiekontor nicht bestätigen. „Wegen der höheren Zinsen sind die Finanzierungskosten für Wind- und Solarparks gestiegen“, sagt Peter Szabo, Vorstandschef von Energiekontor.

Der Zinsanstieg wird den Ausbau der erneuerbaren Energien wohl verlangsamen. Zudem achten Banken auf die Wirtschaftlichkeit der Wind- und Solarparks. Betreiber müssen daher lang laufende Abnahmeverträge für den erzeugten Strom vorweisen. Lange Zeit lief dieser Nachweis vor allem über die staatliche EEG-Vergütung. Gemessen an den Kosten wären vor allem Solarparks nicht mehr auf Zuschüsse vom Staat angewiesen. „Inzwischen werden Projekte aber auch über langfristige privatwirtschaftliche Stromabnahmeverträge realisiert, mit Versorgern oder direkt mit den Abnehmern“, sagt Szabo. Im Fachjargon heißen solche Verträge Power Purchase Agreement (PPA). PPAs legen Preis und Menge des abzunehmenden Stroms fest.

Auf Kante finanziert: Die Realisierung von Solarparks wird mit steigendem Zins teurer. Das dürfte den Ausbau der Erneuerbaren verlangsamen. Quelle: Getty Images

Stromtarife: teure Garantien

Solange die niedrigen Produktionskosten für Solar- und Windstrom nicht bei den Stromkunden ankommen, wird Ökostrom teuer bleiben. Umso wichtiger ist es für Stromkunden, die Angebote genau zu prüfen. Vergleichsportale wie Verivox oder Check24 könnten dabei helfen. Tun sie das wirklich? Ein nicht repräsentativer Praxistest mit einem Vier-Personen-Haushalt aus Düsseldorf soll dazu Antworten geben.

Lesen Sie auch: Der hohe Strompreis bremst den Tarifwechsel über Vergleichsportale aus

Verivox bietet auf seiner Internetseite einen Ökostromvergleich an. Für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden kostet das günstigste Angebot, der Tarif ÖkoStrom Komfort 12 von Lichtblick, 180 Euro monatlich. Allerdings gilt die Preisgarantie nur fürs erste Jahr. Zwar produziert Lichtblick Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien. Das Unternehmen hat aber kein zusätzliches Nachhaltigkeitslabel. Von den besonders nachhaltigen Anbietern mit Label zeigt Verivox nur Stromee mit einem Preis von 362 Euro monatlich an. Stromee ist eine digitale Plattform für kleinere, regionale Ökostromunternehmen. Auch Check24 bietet lediglich einen Tarif von Stromee an. Das ist enttäuschend.

Weil Vergleichsportale bei Ökostrom nur wenig helfen, müssen Stromkunden selbst Tarife vergleichen. Von den besonders nachhaltigen, bundesweit aktiven Ökostromanbietern nehmen immerhin neun neue Kunden an. Haushalte, die Planungssicherheit wollen, sollten sich vom Anbieter eine Preisgarantie von zwölf Monaten zusichern lassen. Wegen des volatilen Strommarktes sind diese Garantien jedoch teuer. Und nur wenige der neun Ökostromanbieter geben solche Garantien ab. Die Garantien sind in der Regel eingeschränkt. Das heißt, die Preise steigen auch innerhalb der Garantiezeit, wenn der Staat Steuern und Abgaben erhöht oder eine Umlage für alle Stromkunden einführt.



Ökostromanbieter Knauber beispielsweise verlangt für den Vier-Personen-Musterhaushalt 359 Euro monatlich bei einer Preisgarantie über zwölf Monate. Beim Wettbewerber Firstcon (Lünestrom) ist der gleiche Vertrag mit 365 Euro monatlich ähnlich teuer. Ohne Festpreis ist Ökostrom zumindest anfangs deutlich günstiger. Die Bürgerwerke bieten Ökostromtarife schon für 161 Euro monatlich an. Der Preis gilt aber nur bis Ende des Jahres. Danach kann der Anbieter jederzeit erhöhen.

Eine Alternative zu den großen Ökostromanbietern sind regionale Genossenschaften. Sie bieten neben Ökostrom auch Beteiligungen an. Gegen Kauf eines Genossenschaftsanteils erhalten die Mitglieder eine Dividende. Deutschlands größte Stromgenossenschaft Prokon zahlte dieses Jahr eine Dividende von 4,76 Prozent auf den Genossenschaftsanteil. Das als Windkraftfinanzierer gestartete Unternehmen Prokon ging 2014 in Insolvenz und wurde später in eine Genossenschaft umgewandelt.

Zum Jahreswechsel sind weitere Erhöhungen bei den Strompreisen zu erwarten. Ein Wechsel in einen Ökostromtarif ohne Preisgarantie ist daher riskant. Tarife mit Garantien, die über das Jahresende hinausgehen, sind derzeit aber mindestens doppelt so teuer wie solche ohne. Haushalte, die einen bezahlbaren konventionellen Stromvertrag haben, sollten daher mit einem Wechsel zu einem Ökostromtarif noch warten.

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An der Leipziger Strombörse gingen die Preise am Spotmarkt zuletzt deutlich zurück (siehe Grafik oben). Normalerweise erreichen solche Preisrückgänge mit einigen Monaten Verzögerung auch private Stromkunden. Im kommenden Jahr werden die Bedingungen für einen Wechsel daher wohl besser sein.

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