Heizkostenabrechner Techem „Es ist kein Problem, eine Wärmepumpe mal zwei Stunden zu unterbrechen“

Gero Lücking mit Smart Meter Gateway Quelle: Techem

Der Eschborner Heizkostenerfasser Techem steht offenbar zum Verkauf. Besteht ein Zusammenhang mit der Wärmepumpen-Offensive? Und welche Rolle spielen dabei sogenannte Smart Meter? Fragen an Techem-Führungskraft Gero Lücking.

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WirtschaftsWoche: Herr Lücking, am Dienstag berichteten mehrere Medien, die Techem-Eigentümer prüften einen Verkauf oder einen Börsengang. 2018 kaufte ein Investoren-Konsortium Techem für 4,6 Milliarden Euro – jetzt sollen die Eigentümer 8 Milliarden Euro verlangen. In der Summe steckt ganz schön viel Fantasie, oder?
Gero Lücking: Diese Spekulationen kommentiere ich nicht.

Besteht womöglich ein Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz? In den kommenden Jahren dürfte die Zahl der Wärmepumpen in deutschen Haushalten weiter deutlich zunehmen. Ändert sich dadurch etwas an Ihrem Geschäftsmodell?
Nein. Die Neben- und Heizkostenabrechnung ist völlig unabhängig davon, welche Technologie in der Wärmeerzeugung eingesetzt wird. Ob eine Gastherme, eine Ölheizung oder eine Wärmepumpe im Keller installiert ist, ändert nichts daran, dass die Mietenden eine Abrechnung benötigen.

Das typische Haus, für das Techem seine Dienstleistung erbringt, ist wohl ein Mehrparteienhaus, in dessen Keller eine Gasheizung steht.
Genau. Und diese Gasheizung wird ersetzt werden müssen durch ein regeneratives System. Die Wärmeverbräuche werden pro Mieteinheit oder Eigentümereinheit individuell erfasst und auf die jeweilige Partei umgelegt. Und diese Abrechnungsdienstleistung ist völlig unabhängig von den eingesetzten Energieträgern Öl, Gas oder Strom.

Zur Person

Techem muss also durch die Wärmepumpen-Offensive nichts ändern?
In Bezug auf unsere Submetering-Dienstleistung im Grundsatz nichts. Der Wärmepumpen-Markt ist viel weiter als die Politik zu antizipieren scheint. Im Jahr 2022 wurden 236.00 Wärmepumpen installiert, 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Für das Jahr 2024 werden 500.000 Installationen in Deutschland angestrebt. Was wir aus unseren Gesprächen mit Herstellern hören: Das werden wir auch schaffen. Technologieoffenheit bei alternativen Heizungen ist richtig und wichtig, aber realistisch betrachtet bleiben da ja nicht viele Optionen.

Wenn sich nun immer mehr Haushalte Wärmepumpen zulegen: Was bedeutet das für die intelligenten Stromzähler, die sogenannten „Smart Meter“, die Techem ja auch vertreibt?
Smart Meter sind ein wesentlicher Baustein bei der Digitalisierung der Gebäude – die wiederum ist eine wichtige Voraussetzung für die Dekarbonisierung. Der Gebäudebestand ist ja verantwortlich für rund ein Drittel unseres CO2-Ausstoßes. Der Gesetzgeber stuft Wärmepumpen als unterbrechbare Verbrauchseinrichtungen ein. Damit ist pro Wärmepumpe auch ein intelligentes Messsystem vorgesehen.

Was versteht man unter einer unterbrechbaren Verbrauchseinrichtung?
Das ist ein Gerät, das man aktiv und netzdienlich steuern und ohne Probleme unterbrechen kann. Ihren Rechner zum Beispiel sollte man nicht unterbrechen, dann können Sie nicht arbeiten. Wenn man aber eine Wärmepumpe unterbricht, merkt man das in der Raumtemperatur, also in der Energiedienstleistung, die die Wärmepumpe bereit stellt, nicht. Denn das Gebäude speichert Wärme und ist in Bezug auf die Raumtemperatur träge. Es ist also kein Problem, eine Wärmepumpe mal zwei Stunden zu unterbrechen. Im Messstellenbetriebsgesetz definiert der Gesetzgeber sogenannte Pflichteinbaufälle für Smart Meter – zum Beispiel auch für die Wärmepumpe als unterbrechbare Verbrauchseinrichtung. Als Wärmepumpennutzer ist man nun also verpflichtet, ab 2030 einen Smart Meter zu installieren.




Aus welchem Grund sollte oder könnte man die Wärmepumpe aussetzen?
Zum Beispiel, weil das Netz überlastet ist. Oder weil kein Wind weht oder keine Sonne scheint. Oder wenn in zwei Stunden ein günstigerer Strompreis vorhergesagt ist, sollte man sie lieber erst dann anschalten. Das spart Geld und dient der Energiewende. Diese Flexibilität nutzbar zu machen, ist für die Energiewende essentiell.

Inwiefern würden Smart Meter das Ablese-Geschäft von Techem verändern?
Das Smart Metering ergänzt unser Geschäft des Submeterings. Wir betreiben seit Ende 2020 das Smart-Meter-Geschäft aktiv als wettbewerblicher Messstellenbetreiber – weil wir damit unseren Kunden einen Mehrwert in Bezug auf Verbrauchs- und Kostentransparenz sowie deren CO2-Ausstoß bieten können.

Wie sieht die Veränderung oder Ergänzung konkret aus?
Wenn man sich das klassische Mehrfamilienhaus mit, sagen wir, sechs Wohneinheiten vorstellt, erstellen wir die Heiz- und Nebenkostenabrechnungen, das ist das Techem-Kerngeschäft. Für jede Wohneinheit machen wir dieses sogenannte Submetering-Geschäft, betreiben also Heizkostenverteiler, Rauchwarnmelder und Wasseruhren – diese Technologie ist bei uns heute zu 84 Prozent funkfähig, also digitalisiert. Diese Dienstleistung ergänzen wir jetzt durch den Betrieb digitaler Strom- und Gaszähler.

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von Stephan Knieps

Ist es also in 84 Prozent der Fälle nicht mehr notwendig, dass Ihre Mitarbeiter physisch in die Häuser gehen müssen und die Zähler ablesen?
Richtig, dort findet das persönliche Besuchen in den Wohnungen nicht mehr statt. Das ist für die Mietenden und uns natürlich ein Vorteil: Diese physischen Besuche verursachen hohe Aufwände und Unannehmlichkeiten. Das händische Ablesen ist nicht mehr zeitgemäß. Dieses Geschäftsfeld des Submeterings, mit dem Techem über die vergangenen 70 Jahre großgeworden ist, wird also konsequent digitalisiert. Jetzt kommt das Smart-Meter-Geschäft hinzu. Das findet nicht mehr in den einzelnen Wohnungen statt, sondern im Keller. Dort sind die Strom- und Gaszähler installiert. Wir digitalisieren diese Zähler und lesen sie digital aus.

Wird es durch Smart Meter also einfacher werden für Techem? Müssten Sie dann nicht folgerichtig die Preise für Ihre Dienstleistungen senken?
Infrastruktur kostet Geld. Dass der analoge Stromzähler billiger ist als der digitale, ist logisch. Aber der digitale Zähler kann auch deutlich mehr.

Die Abrechnungspraxis Ihres Geschäftsmodells steht oft in der Kritik. Denn Ihre Kunden – die Vermieter – haben nur wenig Motivation, hart mit Ihnen zu verhandeln, weil sie die Preise einfach an ihre Mieter weiterreichen.
Mal abgesehen vom gesetzlichen Auftrag für die Vermieter lautet unsere Botschaft: Messen schafft Bewusstsein. Durch regelmäßigen Einblick in die Verbrauchsdaten können Bewohnende ihr Nutzungsverhalten anpassen und damit Energiekosten sparen und den CO2-Austoß senken.

Lesen Sie auch: Wärmewende: Vermietern drohen Kostenfallen bei der Umlage

Aber am Unwillen von Vermietern droht das Smart-Meter-Geschäft in Deutschland zu scheitern: Laut einer Umfrage, die Ihr Unternehmen im Januar und Februar 2023 durchgeführt hat, planen nur 8 Prozent der Privatvermieter und 18 Prozent der geschäftlichen Vermieter die Installation von Smart Metern. Der Grund: Die Kosten sind den Vermietern zu hoch.
Auf diese Preissensibilität hat der Gesetzgeber nun reagiert. Laut dem neuen Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW), das im Juni in Kraft treten wird, erhält der Anschlussnutzer für jeden Pflichteinbaufall einen Zuschuss von 80 Euro pro Jahr für ein solches digitales Messsystem. Diese 80 Euro gleichen die Mehrkosten gegenüber dem alten analogen Zähler aus. Jetzt gibt es als keinen Grund mehr, nicht auf die digitalen Geräte zu setzen. Wenn man also diese Umfrage in drei Jahren noch einmal durchführen wird, wird ein komplett anderes Meinungsbild herauskommen.

Was kostet so ein Smart Meter?
Mit dem 80-Euro-Zuschuss ist der genauso teuer wie der analoge Stromzähler, also rund 20 Euro pro Jahr.

In einer Umfrage im Februar 2022 hatte Techem angegeben, etwa 250 Smart Meter installiert zu haben. Bei rund sechs Millionen Objekten in Deutschland ist noch Luft nach oben, oder?
Wir sind jetzt bei deutlich über 1000 installierten intelligenten Messsystemen und haben eine gut gefüllte Vertriebspipeline. Aber das kann man nicht mit den sechs Millionen Wohnungen in Deutschland vergleichen. Denn bei 1000 intelligenten Messsystemen sprechen wir über den Allgemeinstromzähler und den Gaszähler für die Gaszentralheizungen. Das ist erstmal unabhängig von den von uns im Submetering betreuten Wohnungen.

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Wie viele Smart Meter sollen es am Ende dieses Jahres werden?
Wir werden die 2000er Grenze auf jeden Fall knacken und uns damit verdoppeln. Wir merken, dass die Nachfrage nach digitalen Lösungen deutlich steigt – auch dank des neuen Gesetzes. Der Wunsch nach Transparenz des Energieverbrauchs steigt spürbar.

Mehr zum Thema: Smart Meter: Die wichtigsten Infos zu den intelligenten Stromzählern

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