Hunderte Kilometer Stromautobahn So schwierig wird der Netzausbau

Nicht nur Protestbürger rüsten sich für den Ausbau der Stromnetze. Für Unternehmen wird der Netzausbau ein logistischer Kraftakt – den sie bereits jetzt penibel planen.

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Netzausbau in Deutschland. Quelle: imago images

Die Bilder, die der Übertragungsnetzbetreiber Tennet bei seinen Präsentationen zum Stromnetzausbau zeigte, machten die Energiewende nicht unbedingt sympathischer.

Riesige Bagger und Tieflader quälten sich darauf über matschige Feldwege. Die Bauern und Grundstückbesitzer im Publikum staunten bei dieser Präsentation nicht schlecht, welche Masse an Baufahrzeugen es braucht, um unterirdisch ein Stromkabel durch die halbe Republik zu verlegen. „Das macht doch meinen ganzen Betrieb kaputt“, entfuhr es einer Landwirtin auf einem dieser Termine im Frühjahr. 

Der Ausbau der Energienetze gehört zu den großen Herausforderungen der Energiewende. 770 Kilometer soll die Stromautobahn „Südlink“ umfassen. „Südostlink“ ist mit einer Strecke von 580 Kilometern geplant. Der grüne Strom von den Windrädern im Norden soll damit zu den Verbrauchern in den Süden transportiert werden. Weil CSU-Chef Horst Seehofer die Freileitungen einst torpedierte, werden die Kabel nun fast zur Gänze unterirdisch verlegt. Ein Mammutaufgabe, die nicht nur den Bürgern, sondern auch den ausführenden Unternehmen einiges abverlangen wird. 

Länder mit der größten grünen Stromproduktion

So bereiten sich Kabelunternehmen und Logistikexperten bereits auf die gewaltige Aufgabe vor. „Wir sind in Gesprächen mit dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet, um prinzipielle technische Fragen zu klären“, heißt es etwa vom italienischen Kabelhersteller Prysmians. Auch bei den Übertragungsnetzbetreibern laufen die logistischen Planungen auf Hochtouren. Und das, obwohl der endgültige Streckenverlauf der großen Stromautobahnen noch gar nicht feststeht und die Projekte noch nicht ausgeschrieben sind.

Doch bereits jetzt zeichnen sich die Probleme ab, die sich den ausführenden Unternehmen bei dem Mega-Projekt stellen werden.

„Das Verlegen der Kabel ist relativ einfach, doch sie in die teils entlegenen Gebiete zu bringen, das wird anspruchsvoll“, sagt Dominik Altwasser, Projektmanager bei Prysmians. So wiegen die rund drei Kilometer langen Kabel, die auf einer Trommel transportiert werden können, bis zu 100 Tonnen. Die entsprechenden Tieflader über teils unbefestigte Ackerflächen zu bugsieren, dürfte für Altwasser – so sein Unternehmen den Zuschlag bekommt – wohl noch einige Arbeit bereiten. „Das wichtigste ist, dass alle Schritte ‚just in time‘ ablaufen. Sonst kann man in einem offenen Kabelschacht bei Regen schnell Regatta fahren. Das darf auf keinen Fall passieren.“

Widerstand von Bürgern und Bauernverbänden

Auch der Übertragungsnetzbetreiber Tennet betont die Herausforderungen bei der Kabelverlegung. So müsse neben dem Transport der Kabeltrommeln etwa das „Wegenetz möglicherweise ertüchtigt und die Baustellenzufahrten detailliert festgelegt“ werden. Bei „geringerer Wege-Infrastruktur“ könne der Bau „längerer schwerlastfähiger Zufahrtsstraßen erforderlich werden“. Heißt: Mit einem bloßen Anrollen der Laster wird es nicht getan sein. Vielerorts werden sich die Grundstückbesitzer mit massiven Bauarbeiten auf ihren Flächen konfrontiert sehen. 

Auch wegen dieser Eingriffe in ihre Äcker blasen diverse Bauernverbände bereits jetzt zum Protest. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) sprang den Grundstückbesitzern vor wenigen Wochen zur Seite und sprach sich gegen den Netzausbau in der thüringisch-bayerischen Grenzregion aus. Ob Bundesenergieministerin Brigitte Zypries (SPD) auf Ramelows Vorstoß reagiert, ist noch offen.

Den Widerstand der Bürger bekommen jedenfalls auch die Unternehmen zu spüren. So war Projektmanager Altwasser bei bisherigen Projekten immer wieder mit Protestbürgern konfrontiert. „Das Um und Auf ist, die Bürger in das Projekt einzubeziehen. Der Netzausbau und unsere Bauarbeiten dürfen für sie keine Blackbox sein.“ Altwasser sieht den Protest nach einiger Zeit ohnehin automatisch abflauen: „Wenn die Leute erst einmal sehen, dass über dem Kabelschacht bald wieder Pflanzen wachsen, ist die Aufregung bald wieder vergessen.“

Schneller ließe sich der Protest wohl durch Entschädigungen beschwichtigen. Zwar bekommen Grundstücksbesitzer bereits jetzt Entschädigungen zugestanden. Doch die Bauernverbände fordern statt einer einmaligen Entschädigung eine Art jährliche „Maut“. Ob die Politik den Bauern das zugesteht oder die große Materialschlacht beim Netzausbau gegen deren Willen beginnt, ist freilich noch offen.

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