
Gegen den Gründer der zahlungsunfähigen Windenergie-Firma Prokon Regenerative Energien, Carsten Rodbertus, ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck wegen Insolvenzverschleppung. Nach einem Anfangsverdacht seien nun offizielle Ermittlungen gegen die Verantwortlichen des Unternehmens eingeleitet worden, sagte Oberstaatsanwältin Wenke Haker-Alm am Dienstag. Es werde auch wegen weiterer Wirtschaftsdelikte ermittelt, Details dazu wollte sie nicht nennen. Die Behörde hatte nach mehreren Strafanzeigen geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Betruges bestand.
In der nächsten Woche (22.7.) sollen Prokon-Gläubiger bei einer Versammlung in Hamburg dem Insolvenzverwalter den Auftrag für einen Insolvenzplan erteilen. 75.000 Anleger hatten dem Unternehmen rund 1,4 Milliarden Euro als Genussrechtskapital bereitgestellt. Sie hatten auf hohe Renditen gehofft.
Prokon: Die Sicht der Bafin
Frage: Warum ist die Bafin ihrem Auftrag im Fall Prokon nicht nachgekommen und hat ihre Spielräume vollständig ausgenutzt?
Bafin: Bei Prokon handelt es sich um ein nicht von der Bafin beaufsichtigtes Unternehmen. Gesetzliche "Spielräume" sind daher nicht vorhanden. Die Bafin hat lediglich dann Ermessensspielräume, wenn sie zum einen gesetzlich zur Aufsicht über ein Unternehmen befugt ist und dieses Gesetz zum anderen auch einen Ermessensspielraum einräumt.
Bafin: Die Bafin überprüft jedoch den Vermögensanlagenprospekt, der für jedes öffentliche Angebot von Vermögensanlagen (also auch von Genussrechten) notwendig ist. Sowohl für Wertpapiere als auch für Vermögensanlagen ist ein Prospekt zu erstellen, wenn diese Produkte öffentlich angeboten werden sollen - entweder für Wertpapiere nach dem Wertpapierprospektgesetz oder für Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagegesetz (bis zum 1. Juni 2012 Verkaufsprospektgesetz). Der Prospekt wird auf die Vollständigkeit, Verständlichkeit und innere Widerspruchsfreiheit, die so genannte Kohärenz, geprüft. Das bedeutet zum einen, dass Angaben zu allen Mindestinformationen über die jeweilige Anlage und den Emittenten dieser Anlage im Prospekt enthalten sein müssen, also der Prospekt vollständig sein muss.
Bafin: Diese Mindestinformationen sind im Gesetz näher festlegt. So muss der Emittent beispielsweise über wesentliche Risiken der Anlage informieren. Zudem müssen die Informationen im Prospekt für den Anleger verständlich sein. Außerdem müssen die Prospektangaben widerspruchsfrei sein. Eine inhaltliche Prüfung der Prospektangaben findet nicht statt. Darauf ist im Prospekt an herausgehobener Stelle auch hinzuweisen. Die BaFin billigt den Prospekt, nicht jedoch das Produkt als solches. Sie trifft auch keine Aussage über die Seriosität oder die Bonität des Emittenten bzw. des Anbieters.
Bafin: Für den hier gegenständlichen Prospekt der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG aus dem Jahr 2005 galt jedoch noch das VerkProspG. Dieses sah einen Prüfungsumfang in Bezug auf die Vollständigkeit der Mindestangaben vor. Der Prospekt vom 19.10.2005 war vollständig und daher zu billigen, weil alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden. Aus diesem Grund war das öffentliche Angebot von Genussrechten der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG auch zulässig und konnte nicht von der BaFin untersagt oder gestoppt werden, da es hierfür keine rechtliche Grundlage gab.
Bafin: Zum Nachtrag gilt, dass die BaFin einen Emittenten oder Anbieter nicht zur Erstellung eines Nachtrags zwingen kann. Die Verpflichtung des Anbieters einen Nachtrag zu veröffentlichen, ergibt sich aus § 11 VermAnlG bzw. aus § 11 VerkProspG für Altfälle (also vor dem 01. Juni 2012 hinterlegte Verkaufsprospekte). Diese Vorschrift enthält jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für die BaFin, einen Nachtrag zu erzwingen, sondern lediglich eine Verpflichtung des Anbieters, deren Erfüllung diesem in eigener Verantwortung obliegt. Der Emittent muss die Wichtigkeit einer Veränderung oder einer etwaigen Unrichtigkeit im Hinblick auf die Vermögensanlage oder den Emittenten selbst beurteilen, auch die Festlegung des richtigen Zeitpunkts für einen Nachtrag liegt im Ermessen des Anbieters.
Bafin: In den Anwendungsbereich des erst im Jahr 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) fallen auch bestimmte Unternehmen, die Anlegergelder einwerben. Die BaFin hat auf dieser gesetzlichen Grundlage vor der Stellung des Insolvenzantrags im Januar 2014 eine Prüfung eingeleitet, ob die Firma Prokon mit ihrem Geschäftsmodell den verschärften Anforderungen des KAGB entsprechen muss.
Frage: Wie konkret setzen Sie die neuen Vorgaben des BMF bei der Aufsicht von Graumarkt-Unternehmen um?
Bafin: Zur Verfolgung eines risikoorientierten Ansatzes hat die BaFin Unternehmen, die aufgrund ihrer bisherigen Geschäftsmodelle unter das KAGB fallen könnten, die aber bisher noch nicht an die BaFin im Hinblick auf eine Anpassung an das KAGB herangetreten sind, angeschrieben, mit der Aufforderung zu erläutern, welche Maßnahmen zur Umstellung auf das KAGB eingeleitet wurden/werden.
Frage: Wie möchte Ihre Behörde in Zukunft Fälle wie Prokon verhindern?
Bafin: Etwaige regulatorische Schlüsse sind auf Ebene des Gesetzgebers zu ziehen, so dass ich Ihnen hierzu keine Informationen geben kann.
Wegen der „Unmenge von Datenmaterial“ rechnet die Oberstaatsanwältin damit, dass die Ermittlungen mindestens ein Jahr dauern werden. Es seien sehr viele Bewertungsfragen zu klären, ergänzte Haker-Alm. Die Staatsanwaltschaft muss unter anderem herausfinden, wann genau der Zeitpunkt einer Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Der Insolvenzantrag war am 22. Januar 2014 beim Amtsgericht Itzehoe (Schleswig-Holstein) gestellt worden.
Für die Gläubigerversammlung sammeln derzeit Anlegervertreter Vollmachten ein, um die Kapitalgeber bei der Versammlung zu vertreten. Auch Ex-Geschäftsführer Rodbertus ist diesbezüglich aktiv. Der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin hatte Rodbertus entlassen. Penzlin ist überzeugt, dass im Insolvenzverfahren das Kerngeschäft - Planung und Betrieb von Windparks - erhalten bleiben kann. Er hat sich gegen „bewusst irreführende“ Darstellungen und „Unwahrheiten“ des Ex-Gründers mit „Richtigstellungen“ an die Anleger gewehrt. Rodbertus hält Penzlin vor, das Unternehmen zerschlagen zu wollen und strebt selbst an, es zu sanieren und als Ganzes zu erhalten.
Prokon hat aktuell mehr als 50 Windparks im Portfolio. Die Firma ist auch an verschiedenen anderen Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien beteiligt. In dem Unternehmen sollen rund 300 Arbeitsplätze der einst 480 erhalten bleiben.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Prokon Regenerative Energien GmbH war am 1. Mai eröffnet worden, weil das Unternehmen nach Gerichtsangaben überschuldet und zahlungsunfähig ist. Die Anleger werden nach bisherigen Angaben des Insolvenzverwalters rund 40 bis 70 Prozent (Insolvenzquote: 30 bis 60 Prozent) ihres Kapitals verlieren. Das Landgericht Itzehoe hat jüngst Beschwerden von drei Anlegern gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und hielt am Dienstag nochmals fest: Die Schuldnerin sei zahlungsunfähig im Sinne der Insolvenzordnung (§ 17 Absatz 2 Satz 1 InsO).
Der Insolvenzverwalter hat sich mittlerweile mit drei großen Gläubigergruppen - dem Verein „Freunde von Prokon“ sowie Anlegerschützern (SdK, DSW) - auf die Weiterführung des Unternehmens verständigt. Nach den Eckpunkten dieses Insolvenzplans gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Anleger. Sie sollen zum Beispiel ihr Genussrecht in Eigenkapital umwandeln können und folglich Gesellschafter bleiben. Es soll ihnen aber auch über eine handelbare Anleihe ermöglicht werden auszusteigen. Als weitere Alternative ist vorgesehen, aus Teilverkäufen erzielte Barmittel auszuschütten oder ins Unternehmen zu reinvestieren. Darüber werden die Kapitalgeber am nächsten Dienstag entscheiden.