




Wirtschaftswoche: Herr Gericke, Prokon-Geschäftsführer Carsten Rodbertus hat am Samstag einen Brief veröffentlicht, indem er Anlegern, die ihre Genussrechte kündigen ein schlechtes Gewissen macht. Sie sollen unterschreiben, dass sie damit bewusst zur Vernichtung eines Unternehmens mit über 1300 Arbeitsplätzen beitragen. Haben Sie so etwas schon mal erlebt?
Nein, so was ist mir noch nicht untergekommen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das wirkt. Wenn sie Anleger emotional so unter Druck setzen, verlieren sie bei denen, die ohnehin verunsichert sind, noch mehr Vertrauen. Andererseits hat Rodbertus nun offen zugegeben, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Das muss man ihm zugutehalten.
Sehen Sie noch eine Chance, dass Prokon und damit das Geld der Anleger gerettet wird?
Prokon kann sicherlich nicht einfach so weitermachen. Die bislang veröffentlichten Geschäftszahlen zeigen ja, dass das Geschäftsmodell nicht tragfähig ist. Aber wenn sich Prokon jetzt schnell von den verlustreichen Geschäften wie etwa den Beteiligungen im Holz- und Öl-Bereich trennt und sich nur noch auf die Windparks konzentriert, die bereits am Netz oder in Planung sind, dann kommt weiterhin Geld in die Kasse und das wäre gut für die Anleger. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Anleger jetzt nicht panisch ihre Genussrechte kündigen.
Weil das Unternehmen ansonsten zeitnah insolvent geht. Was bedeutet das für die Inhaber der Genussrechte?
Wenn es zu einer Insolvenz kommt, werden die Forderungen der Anleger nachrangig bedient. Das steht auch so in den Genussrechtsbedingungen. Im Klartext heißt das: Zuerst bekommen Banken und andere Gläubiger ihr Geld zurück und dann die Anleger. Wie viel im Insolvenzfall für sie übrig bleibt, ist nicht absehbar.
Sie raten also den Anlegern still zu halten?
Sie haben aktuell die Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn sie jetzt kündigen und Prokon nicht zahlen kann, könnten sie klagen und einen Titel gegen das Unternehmen erwirken. Im Falle einer Insolvenz hätten sie einen Vorteil gegenüber den Anlegern die drin geblieben sind, weil deren Forderungen nachrangig bedient werden. Natürlich haben Anleger, die geklagt haben, dann erst einmal einen finanziellen Vorteil. Wie hoch der ist, lässt sich aktuell aber nicht abschätzen. Andererseits schaden sie sich selbst und allen anderen Anlegern unter Umständen erheblich, wenn sie so verfahren. Ich kann aktuell nicht guten Gewissens zu einer Kündigung raten. Denn wenn Prokon freiwillig nicht zahlt, müsste man klagen.
Prokon veröffentlichte bislang keine testierte Konzernbilanz





Wirtschaftswoche: Was schlagen Sie vor?
Prokon bittet die Anleger darum, ihr Geld noch mindestens zehn Monate im Unternehmen zu lassen. Das ist ein überschaubarer Zeitraum. Wenn sie dem zustimmen, haben sie meines Erachtens nicht viel zu verlieren. Wenn es Prokon gelingt, die unrentablen Geschäftsbereiche los zu werden und Prokon zahlungsfähig bleiben sollte oder wäre, finden sie in einem dreiviertel Jahr dieselbe Situation vor wie heute. Im besten Fall gelingt es Rodbertus bis dahin, das Unternehmen zu stabilisieren und gegebenenfalls Beteiligungen oder Windparks zu verkaufen. Dass die Anleger ihr eingesetztes Kapital komplett zurückerhalten, erachte ich zwar auch dann für unwahrscheinlich. Aber zumindest könnten sie mehr raus bekommen, als bei einer Insolvenz.
Andere Anwälte raten den Anlegern ihr Geld mittels eines Urkundsverfahrens einzuklagen. Was halten Sie davon?
Gar nichts. Bei einem Urkunden-Prozess müssen sie zum einen schriftlich darlegen, dass sie einen Anspruch gegen das Unternehmen haben. Das dürfte noch recht einfach sein. Sie müssen nachweisen, dass sie die Genussrechte gezeichnet und gekündigt haben und ihre Forderung fällig ist. Aber wie wollen sie die Höhe ihres Anspruchs nachweisen? Laut der Genussrechtsbedingungen haben die Anleger keinen Anspruch auf ihr eingesetztes Kapital, sondern nur einen Anspruch auf das Genussrechtskapital zum aktuellen Buchwert. Da Prokon aber bislang keine testierte Konzernbilanz veröffentlicht hat, dürfte es sehr schwer sein, die Höhe des Buchwerts nachzuweisen. Falls es doch zu einer Insolvenz käme, hätten die Anleger zusätzlich die Kosten des Prozesses zu tragen.
Aber es ist doch nicht die Schuld der Anleger, dass Prokon es bislang nicht geschafft hat, eine testierte Bilanz für 2012 vorzuliegen?
In einem Urkundsverfahren ist der Kläger leider in der Beweispflicht. Ob es seine Schuld ist, dass die Zahlen nicht vorliegen, spielt hier Rolle.
Dass Prokon bislang keine anständige Bilanz veröffentlicht hat ist doch eher ein Argument dafür, dem Prokon-Chef nicht weiter blind zu vertrauen?
Das stimmt. Deshalb erwarte ich von Rodbertus, dass er jetzt endlich die Transparenz herstellt, die er immer verspricht. Es müssen unabhängige Prüfer ins Unternehmen und sich einen Überblick verschaffen wie viel Geld da ist und was die Vermögenswerte wie Windparks und ähnliches wert sind. Die Werte die Rodbertus einst angesetzt hat, können ja nicht sonderlich realistisch gewesen sein, sonst hätten ihm die Wirtschaftsprüfer nicht das Testat für die Bilanz versagt. Wenn Anleger einer Sanierung zustimmen und das Geld im Unternehmen belassen sollen, brauchen sie zuerst einmal verlässliche Zahlen.