Klimaschutz Emissionshandel belastet deutsche Industrie

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Köhler beteuert, „nicht am Klimaschutz rütteln“ zu wollen. Aber der Stahlmanager fürchtet, dass es bei hohen Emissionskosten in Europa zur teilweisen Abwanderung der Stahlproduktion kommen könnte. Tonnagen in Millionenhöhe würden dann nicht mehr im teuren Europa, sondern „in weniger umweltfreundlichen Anlagen produziert werden – mit dem Effekt eines deutlich höheren CO2-Ausstoßes als in unseren Werken“. Köhlers globale Rechnung: Wenn 13 Millionen Tonnen Stahl aus China importiert werden, würde die Umwelt mit zusätzlich vier Millionen Tonnen CO2 mehr belastet, als wenn diese Menge in Deutschland produziert worden wäre.

Das mag ein extremes Szenario sein, doch die Befürchtung ist realistisch: CO2-intensive Unternehmen werden in Gegenden der Welt abwandern, in denen Umweltschutz keine Rolle spielt und Strom günstig ist. Und andersherum produzieren Unternehmen außerhalb der EU mit billigem – und dreckigem – Strom ihre Ware, die sie dann in die EU importieren. Experten nennen dieses Phänomen „Carbon Leakage“. „Das Problem ist bisher nicht hinreichend gelöst“, kritisiert Angelika Niebler (CSU), Vorsitzende des Industrieausschusses im Europa-Parlament.

Unruhe herrscht auch in den Papierfabriken

Unruhe herrscht auch in den Papierfabriken. Christopher Grünewald, Inhaber der Papierfabrik Gebrüder Grünewald aus dem sauerländischen Kirchhundem – europäischer Marktführer für Papiertischdecken und Sets mit einem Exportanteil von 65 Prozent – hat errechnet, wie viel Zertifikate er für seine Fabrik mit 100 Mitarbeitern kaufen müsste, würde er von keiner Ausnahmeregelung gesegnet sein: „Ich müsste 15.000 Zertifikate kaufen, die mich bei einem für das Jahr 2013 prognostizierten CO2-Preis pro Tonne 30 Euro pro Stück kosten würden.

Das wäre eine Belastung von 450.000 Euro für uns im Jahr.“ Gewinn? „Den machen wir dann nicht mehr“, sagt der Unternehmer. Über die Zertifikate-Euphorie in der Politik kann er nur bitter lachen: „Da gibt es die Illusion, dass die Stromversorger die erhöhten Produktionskosten nicht voll an die Kunden weitergeben. Doch das sind Oligopole! Die haben sich an ihre hohen Margen gewöhnt. Die werden das weitergeben“, ahnt er.

Doch es gibt nicht nur Anlass zur Schwarzmalerei. Der EU-Zertifikatedruck hat auch positive Effekte – sogar für die Stromkonzerne. So planen RWE-Ingenieure zurzeit ein Braunkohle-Großkraftwerk, das mit seinem CO2-Ausstoß um 90 Prozent unter den jetzigen, schon modernisierten Braunkohlekraftwerken liegt. Dafür muss der gut verdienende Stromriese zwei Milliarden Euro investieren. Das Kraftwerk soll im rheinischen Hürth liegen und 2014 ans Netz gehen, sechs Jahre vor dem europäischen Zauberdatum 2020. Ein erster Erfolg des EU-Emissionshandels ist also bereits erreicht – wenn auch teuer erkauft.

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