Klimaschutz Emissionshandel belastet deutsche Industrie

Der Streit um Europas Emissionshandel spitzt sich zu. Wenn die Zertifikate künftig versteigert werden, freuen sich die Franzosen – denn zahlen muss vor allem die deutsche Industrie.

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Ein Hochofen von Thyssen-Stahl Quelle: AP

Das Ambiente war vornehm, die Ansprache dagegen deftig. Was RWE-Chef Jürgen Großmann bei seinem jüngsten Besuch in Brüssel den im Ballsaal „Concert Noble“ versammelten Kommissionsbeamten, Europa-Abgeordneten und Lobbyisten zwischen Hummer und Schweinelendchen in Morchelrahm auftischte, waren rohe Fakten. Von den Plänen zum europäischen Emissionshandel halte er wenig. „Für den Klimaschutz ist nichts gewonnen“, betonte der Energie-Manager und prognostizierte, dass die Schornsteine künftig eben außerhalb der EU rauchen werden.

Am meisten ärgert Großmann die geplante Richtlinie zum Emissionshandel, weil sie nach seiner Einschätzung den Wettbewerb zwischen Stromanbietern in Europa verzerrt. „Der Kommissionsentwurf bedeutet am Ende nichts anderes als die Subvention der französischen Kernenergiewirtschaft“, urteilt der wortgewandte RWE-Vorstandsvorsitzende. Seinem Kollegen vom französischen Versorger EDF entstehe pro Jahr netto ein Vorteil von vier Milliarden Euro, womit der auf Einkaufstour gehen könne. Eine klare Aussage.

Einer im Publikum dürfte besonders aufmerksam zugehört haben, Großmanns Schulfreund Guido Peruzzo. Der führt als zweiter Botschafter für Deutschland die Emissionsverhandlungen in Brüssel, die in den kommenden Wochen in ihre entscheidende Phase gehen. Die alte Bekanntschaft wird Großmann allerdings wenig nützen. Im Streit um die Klimapolitik der Gemeinschaft finden die Interessen der Industrie kaum Gehör. Mehr und mehr scheinen Umwelt-Fundamentalisten die Oberhand zu gewinnen.

Deutsche Stromerzeuger müssen künftig tief in die Tasche greifen

Das hat fatale Folgen für Deutschland, dessen Wirtschaft von den Plänen zum Emissionshandel besonders stark betroffen ist. Die deutschen Stromerzeuger müssen künftig tief in die Tasche greifen: Die Hälfte des deutschen Stroms basiert auf Stein- und Braunkohle – und dafür bekommen die Versorger künftig keine Verschmutzungsrechte mehr geschenkt. Auch neue Kraftwerke werden von dieser Regel nicht ausgenommen.

Besonders hart trifft es jedoch die deutsche Industrie, sie ist doppelt gestraft: Erstens durch die steigenden Strompreise, zweitens durch den eigenen Erwerb von CO2-Zertifikaten. Leidtragend sind insbesondere die energieintensiven Branchen wie Stahl, Chemie, Zement und Aluminium – ihnen drohen erhebliche Wettbewerbsnachteile auf den internationalen Märkten. Gerade deshalb bemühte sich Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) um Ausnahmeregelungen. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD), der erst einen weniger industriefreundlichen Kurs fuhr, willigte schließlich in einigen Punkten ein. Nach monatelangen, zähen Diskussionen auf Arbeitsebene einigten sich die Minister vergangenen Mittwoch endlich auf eine deutsche Position. Demnach sollen weite Teile des produzierenden Gewerbes künftig kostenlos Zertifikate erhalten – wenn sie energieintensiv produzieren und in intensivem internationalem Wettbewerb stehen. Wer in den Genuss dieser Ausnahmen kommt, soll im Vorfeld eindeutig festgelegt werden.

Zudem sollen, so ist aus dem Wirtschaftsministerium zu vernehmen, ganze Branchen, die über hohe Strompreise nur indirekt vom Emissionshandel betroffen sind, einen finanziellen Ausgleich in Form von kostenlosen Zertifikaten erhalten. Damit werden diese Sektoren sogar deutlich besser behandelt als bisher. Allerdings stehen all diese Wohltaten bisher nur auf dem Papier, nämlich in der Weisung aus Berlin an den deutschen Botschafter. Dass sich diese deutsche Position in Brüssel durchsetzt, gilt als eher unwahrscheinlich.

Der Emissionshandel, als wirtschaftlich effizient für den Klimaschutz gepriesen, birgt also voraussichtlich jede Menge Folgekosten. Wenn Stromhersteller künftig ihre Zertifikate zahlen müssen, könnte das den Strompreis in Deutschland empfindlich in die Höhe treiben. Das Energiewissenschaftliche Institut der Universität Köln hat in einer Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Nordrhein-Westfalen errechnet, dass Strom unter diesen Umständen in Deutschland um 50 Prozent teurer würde.

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