Kraftstoffmarkt Die Mär von der Benzinpreistreiberei

Stimmt: Die Ölkonzerne verdienen am Benzinverkauf. Aber die großen Gewinne machen Staaten im Nahen Osten. Die Preistreiberei der Ölmultis beim Benzinpreis ist ein Mythos

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Mit 1,62 Euro für einen Liter Superbenzin E10 bewegt sich der Benzinpreis im bundesweiten Durchschnitt in der Nähe seines historischen Höchststandes. Quelle: dpa

Im vergangenen Jahr mussten deutsche Arbeitnehmer gut vier Minuten arbeiten, um sich einen Liter Benzin à 1,55 Euro leisten zu können. Dieser Tage ist der Kraftstoff zwar deutlich teurer als im Durchschnitt des vergangenen Jahres. Aber gemessen in Arbeitszeit, ist er immer noch günstiger als 1960.

Damals musste für einen Liter mehr als zehn Minuten geschuftet werden, 1970 und 1980 waren es immerhin noch mehr als fünf Minuten. Gemessen am Einkommen, ist Benzin langfristig also sogar billiger geworden.

Weil obendrein moderne Autos etwas genügsamer sind als die Fahrzeuge von gestern, müssen die Deutschen heute weniger arbeiten als früher, um hundert oder tausend Kilometer weit zu fahren.

Teures Benzin, derzeit wieder einmal Aufregerthema Nummer eins, tatsächlich ist das kaum mehr als ein nicht kleinzukriegender Mythos.

Dennoch könnte das Getöse an den Stammtischen der Nation kaum größer sein. Von Preistreiberei ist die Rede – und von der FDP bis zu den Grünen werden plötzlich alle Politiker zu Freunden der großen deutschen Autofahrergemeinde. Als gäbe es ein Menschenrecht auf billiges Benzin.

Angebot und Nachfrage

Für Empörung sorgt nicht nur das hohe Preisniveau, sondern auch der Umstand, dass die Preise an den Zapfsäulen sich mehrmals pro Tag ändern. Schuld an dem Übel sollen die Ölmultis sein, allen voran Aral und Shell, die immer gemeinere Methoden erfinden, um Deutschlands Autofahrer auszunehmen.

Dass sich die Tankstellenpreise mehr als einmal pro Tag verändern, lässt sich indes schwerlich als Beleg für Manipulation interpretieren. Das Gegenteil ist richtig. An der Aktienbörse ändern sich Preise fast im Minutentakt. Es ist das Resultat des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage. Niemand hegt deshalb den Verdacht, dass sich hier jemand unrechtmäßig bereichert.

Warum aber soll, was an der Börse vollkommen normal und gesellschaftlich sanktioniert ist, auf dem Kraftstoffmarkt dubioses Gebaren sein? Wenn die Nachfrage hoch ist und wenn die Anbieter glauben, mehr Geld für ihr Produkt verlangen zu können, erhöhen sie die Preise – durchsetzen können sie sich damit nur, wenn die Nachfrager mitspielen. Ostern tun sie das meist, weil sie in den Urlaub fahren oder ihre Verwandten besuchen möchten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%