Lebensmittel Wie gut ist Bio wirklich?

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Christian Hiß Quelle: Christian Schnur für WirtschaftsWoche

Aber wie nachhaltig ist es wirklich, wenn wir Äpfel importieren, die auf der anderen Seite der Welt geerntet wurden? Die Antwort ist überraschend.

Der Obstforscher Michael Blanke von der Universität Bonn ist dafür eigens nach Neuseeland gereist und hat sich dabei zahlreiche Fragen gestellt: Wie viele Äpfel wachsen hier pro Hektar? Wie viel Energie schlucken Transport und Düngemittelherstellung? Blanke rechnete sogar den Spritverbrauch des Lastwagens aus, der den Apfel vom Hafen bis in den Supermarkt im Ruhrgebiet fährt.

Anschließend nahm er sich nach dem gleichen Prinzip einen Apfel aus dem Rheinland vor, der im Herbst gepflückt, fünf Monate in einem Kühlhaus lagert und im April im Supermarkt landet. Welcher Apfel hat das Klima stärker belastet? 

Die Frucht aus Übersee verliert – aber nur knapp. Sie belastet das Klima nicht um ein Vielfaches mehr, wie lange behauptet wurde: Für Import und Produktion werden nur ein Drittel mehr Kohlendioxid ausgestoßen als für den in Deutschland gekühlten Apfel.

Dieser Vorteil aber ist oft schon dann futsch, wenn die Kunden die durchschnittlichen drei Kilometer zum Supermarkt mit dem Auto zurücklegen. Wer also das Klima schützen und dennoch im Winter Bioobst essen möchte, kann das mit ruhigem Gewissen tun. Er muss nur das Fahrrad zum Supermarkt nehmen.

Wie umweltfreundlich ist Bio?

Die industrielle Landwirtschaft hat allerdings ihren Preis. Die Bauern versprühen tonnenweise Pflanzengifte und Kunstdünger auf ihren Feldern. Das steigert den Ertrag. Doch es schade zugleich Pflanzen und Tieren, sagt Biologin Christa Liedtke, die am Wuppertal Institut die Arbeitsgruppe nachhaltiges Produzieren und Konsumieren leitet. Zudem belaste es das Grundwasser.

Das schweizerische Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) hat das in einer Vergleichsstudie zwischen der biologisch erzeugten Murauer Bergbauernmilch und herkömmlicher Milch genauer untersucht: Die Flächen, auf denen die Biokühe ausgiebig weideten, waren sehr viel reicher an Vögeln, Amphibien und Schmetterlingen.

Auch was den Erhalt von fruchtbaren Böden betrifft, liegt Bio vorn. Denn hier wird nicht so tief gepflügt, was vor Erosion und Bodenverdichtung schützt. Weil die im Boden lebenden Tiere das Erdreich auflockern und wie in einem riesigen Komposthaufen fruchtbar halten, sparen die Biobauern dabei teuren Dünger ein.

Die ökologisch bewirtschafteten Böden binden wegen ihres höheren Humusgehalts zudem je Hektar 35 bis 50 Tonnen mehr CO2 als konventionelle Böden. Je Fläche setzen sie damit deutlich weniger Treibhausgase frei.

Daher schneidet Bio in Sachen Klima besser ab als die klassische Landwirtschaft. Das beginnt schon damit, dass die Biobauern weniger Stickstoffdünger einsetzen. Denn allein zur Herstellung des für den Dünger benötigten Ammoniaks werden pro Tonne etwa fünf Tonnen CO2 in die Atmosphäre geblasen. Damit nicht genug: Zudem entsteht durch Verwendung von Stickstoffdünger klimaschädliches Lachgas – nach Expertenschätzungen zwischen 1 und 3 Tonnen je 100 Tonnen Dünger. Das Fatale daran: Lachgas ist 295 Mal schädlicher für das Klima als CO2.

Allerdings müssen Biobauern auch öfter über die Äcker fahren, um Unkraut zu entfernen oder neuen Dünger fein dosiert zu streuen – was ebenfalls Treibhausgase freisetzt und den CO2-Fußabdruck versaut. Damit wird die Klimarelevanz eines Produkts erfasst, indem sämtliche Klimagase wie CO2, Methan, Lachgas oder Stickoxid in sogenannte CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Bricht man so die Emissionen auf jedes einzelne Produkt herunter, ziehen die Traditionslandwirte jedoch fast wieder gleich mit ihren Biopendants, weil sie etwa in Deutschland auf jedem Quadratmeter 76 Prozent mehr Weizen und 56 Prozent mehr Kartoffeln ernten.

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