Lebensmittel Wie gut ist Bio wirklich?

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Generell gibt es bei Würsten, Steaks und Schnitzel das Problem, dass sich Fleisch fast nie nachhaltig erzeugen lässt. Für ein Kilo Rindfleisch muss die siebenfache Kalorienmenge verfüttert werden, rechnet Wuppertal-Forscherin Liedtke vor. Anders herum: Aus sieben Kilo Mais oder Getreide, das zur Mast eingesetzt wird, kommt nach der Schlachtung des Rinds nur ein Kilogramm Fleisch heraus.

Mit 780 Millionen Tonnen Getreide fressen die 20 Milliarden Nutztiere jedes Jahr ein Drittel der produzierten 2,1 Milliarden Tonnen Getreide. Weil der Fleischkonsum steigt, bleibt vom Getreide entweder immer weniger für die Menschen übrig, oder es müssen ständig neue Ackerflächen erschlossen werden, für die wiederum Wälder gerodet werden müssen.

Noch ungünstiger ist die Wasserbilanz bei der Fleischproduktion: Dabei wird bis zu 17 Mal mehr Wasser verbraucht als für pflanzliche Nahrungsmittel. Wer also einen Hamburger mit 100 Gramm Rindfleisch isst, verbraucht laut Forscherin Liedtke indirekt bis zu 35 Badewannen voll Trinkwasser.

Doch für Steak-Fans gebe es auch gute Nachrichten, argumentiert die Berliner Tierärztin Anita Idel in ihrem Buch „Die Kuh ist kein Klimakiller“: Nur wenn Rinder mit Mais und Kraftfutter gemästet würden, ist Fleischproduktion nicht nachhaltig. Lebt das Rind, seinem eigentlichen Naturell entsprechend, auf Wiesen, Hochalmen und sonstigen Flächen, die gar nicht beackert werden können, dann ließe sich auch Fleisch nachhaltig herstellen.

Das stimmt wohl. Doch von derartigen Flächen gibt es nur wenige. Mit Weiderindern würde sich der Fleischverbrauch unmöglich decken lassen. Wenn es um die Frage geht, ob wir in Zukunft die wachsende Zahl der Menschen auf der Welt ernähren können, lautet die Antwort: Wenn überhaupt, „dann nur, wenn die Menschen ihr Ernährungsverhalten ändern“, sagt Forscherin Liedtke.

Was tun?

Denn weltweit nimmt der Fleischkonsum drastisch zu, gerade in den Ländern Asiens und Südamerikas: Zwischen 1950 und 2004 hat sich die weltweite Fleischproduktion auf 258 Millionen Tonnen verfünffacht. Und bis 2015 wird er nach Angaben der Wuppertaler Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit noch einmal um 40 Prozent zulegen. „Das kann nicht funktionieren“, sagt Holger Rohn, Nachhaltigkeitsforscher am Wuppertal Institut. Denn je nach Tierart wird pro Kilo Fleisch das Drei- bis Zehnfache der knappen Anbaufläche verbraucht, die für die Produktion von Weizen oder Reis für den menschlichen Konsum genutzt werden könnte.

Wie Menschen dazu gebracht werden könnten, mehr Gemüse und weniger Wurst zu essen, versuchen die Wuppertaler Wissenschaftler gerade in einer Studie mit mehreren Catering-Unternehmen herauszufinden. Dort sollen der Speiseplan und die Rezepturen versuchsweise so verändert werden, dass die Gesamt-Ökobilanz des Essens besser wird.

Mehr Pasta, Salat und Frischgemüse heißt die Devise. Man müsse Pommes und Hamburger ja nicht komplett aus dem Speiseplan streichen, aber „ein bisschen weniger davon oder ein bis zwei fleischlose Tage wie noch vor 20 oder 30 Jahren üblich, das wäre schon nicht schlecht“.

So gesehen, ist die aktuelle Fleischlos-Welle in Deutschland vielleicht der Beginn eines notwendigen Bewusstseinswandels.

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