Lithium-Vorkommen in Kärnten „Europa hat sich selbst von der Rohstoffversorgung abgeschnitten“

Spuren des silberweißen Leichtmetalls Lithiums sind überall in dem Stollen in der Koralpe zu finden. Mehr als 13 Millionen Tonnen Lithiumoxid sollen in dem Berg lagern. Quelle: Andreas Macho

Die Pandemie und der Ukraine-Krieg treiben den Lithium-Preis auf Rekordhöhen. Ein australisches Unternehmen will den Nachfrageschub nutzen und in Kärnten Lithium fördern. Doch das Projekt kämpft gegen Widerstände.

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Um an das weiße Gold heranzukommen, muss Dietrich Wanke erstmal durch die Finsternis. Wanke, CEO des australischen Unternehmens European Lithium, schreitet vorbei an einem Eisengitter. Der Stollen dahinter führt ins Innere der Koralpe, einem Bergmassiv im Grenzgebiet der österreichischen Bundesländer Kärnten und Steiermark. Nach ein paar Metern wird es stockfinster in dem felsigen Gang. Wanke schaltet seine Taschenlampe ein. Von der Decke tropft Wasser, die Gummistiefel des 60-Jährigen waten durch knöcheltiefe Pfützen. Je tiefer Wanke in den Stollen dringt, desto kühler wird die Luft um ihn herum.

„Hier sehen wir die erste Ader“, sagt Wanke und leuchtet an die Decke des Stollens. Zwischen den Steinen verläuft eine wenige Zentimeter breite Linie aus weißen Steinen. „Das ist Spodumen. Daraus wird Lithium gewonnen“, sagt Wanke. Mehr als 13 Millionen Tonnen Lithiumoxid, aus dem das Lithium gelöst wird, sollen in dem Berg lagern. Wanke hat es sich zur Mission gemacht, das Lithium aus dem unwegigen Stollen herauszuholen. Geschafft hat er das trotz jahrelanger Arbeit bislang noch nicht.

Unter Bergleuten wird Lithium auch als „weißes Gold“ bezeichnet. Diesem Ruf wird das silberweiße Leichtmetall dieser Tage vollauf gerecht. Die durch die Pandemie gerissenen Lieferketten und der Ukraine-Krieg haben den Preis des Rohstoffes auf neue Höchststände getrieben. Innerhalb der letzten zwölf Monate hat sich der Preis für Lithium nahezu versechsfacht. Die globalen Handelskonflikte könnten den Preis sogar noch weiter treiben. Denn verzichten kann die Industrie nicht auf das Leichtmetall. Für Batterien, wie sie in Handys und E-Autos eingesetzt werden, gilt der Rohstoff als unabkömmlich.

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So wie bei allen Rohstoffen wollen Politik und Unternehmen die Abhängigkeit von unsicheren Drittstaaten wie China auch bei Lithium reduzieren. Fieberhaft wird daher nach neuen Lithium-Quellen in Europa gesucht. So schürft im Erzgebirge etwa das Unternehmen European Metals Holding nach dem silberweißen Leichtmetall. Am Oberrhein plant das australisch-deutsche Unternehmen Vulcan Energy ein Lithium-Projekt. Und in Kärnten will European Lithium das „weiße Gold“ fördern.

Dabei profitiert die Unternehmung an der Koralpe davon, dass der österreichische Staat auf der Suche nach Uran hier bereits im Kalten Krieg Stollen in den Berg gesprengt hat – aber nur das damals weitgehend wertlose Lithium gefunden hat. Wegen des bereits angelegten Stollens und der Erfassung der genauen Stellen, an denen das Lithium in dem Berg ruht, gilt das Projekt an der Koralpe aus geologischer Sicht als besonders aussichtsreich. In anderen Aspekten ist die Kärntner Mine jedoch umstritten. So haben Konflikte mit Anrainern und Probleme mit der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) den Zeitplan der Lithium-Förderung mehrfach verzögert. Nun sagt Wanke, dass das Leichtmetall in Kärnten ab Ende 2024 gefördert werden könnte. Kann das gelingen?

Ein paar Hundert Meter ist Wanke in dem Stollen vorangekommen. Neben ihm auf der Felswand tauchen rote Markierungen auf. Sie sind um kleine Löcher in der Wand gesprüht. „Hier wurden die Probebohrungen entnommen“, erklärt Wanke. Auf zwölf Kilometer summieren sich die Gesteinsproben, die European Lithium aus der Mine herausgeholt hat und von einem unabhängigen Labor untersuchen ließ. Das Ergebnis: Die Reinheit des hier lagernden Lithiums soll bei rund einem Prozent liegen. Damit spielt European Lithium in der oberen Liga internationaler Lithium-Projekte.

Zweifel bestehen allerdings, ob European Lithium es schafft, den weißen Goldschatz zu bergen. Denn immer wieder hat das Unternehmen den Zeitplan für sein Kärntner Projekt gerissen. Die Verzögerungen lagen auch an Rechtsstreitigkeiten mit Anrainern. So gehört der Glock Gut- und Forstverwaltung des bekannten Waffenherstellers mehrere Hektar Waldfläche rund um die Mine. Glock stellte sich quer gegen das Projekt und strengte ein internationales Schiedsgerichtsverfahren gegen das australische Unternehmen an. Zumindest diese Streitigkeiten sind mittlerweile beigelegt.

„Europa hat sich selbst von der Rohstoffversorgung abgeschnitten“

Probleme hatte European Lithium auch mit der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Gleich in zwei Fällen hat die FMA Bußgelder gegen die australischen Minenbetreiber verhängt. 60.000 Euro Bußgeld musste das Unternehmen 2020 wegen eines Verstoßes gegen die Ad-hoc-Pflicht berappen. Im Vorjahr verhängte die FMA wegen Marktmanipulation ein weiteres Bußgeld in der Höhe von 160.000 Euro gegen European Lithium. Beide Straferkenntnisse sind rechtskräftig.

Mit seiner Taschenlampe leuchtet Wanke durch den Tunnel. Der gesamte Stollen um den CEO erstrahlt in Weiß. Wanke geht zu einem der schimmernden Steine und fährt mit einem Finger über das Stück einer nahezu glatten Oberfläche. „Hier liegt das Geld“, sagt Wanke und lacht. Dann erklärt er, dass allein dieser Erzgang vier Meter dick sei und 650 Meter in die Tiefe reiche. „Und das ist nur einer von insgesamt 15 dieser Erzgänge“, sagt Wanke.

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Die Nachfrage nach den „Erzgängen“ in der Koralpe ist seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine laut Wanke deutlich gestiegen. „In den letzten vier Wochen haben ein großer deutscher Autohersteller und ein Chemiekonzern direkt bei uns angefragt“, sagt Wanke. Allerdings habe European Lithium bereits ein Memorandum of Understanding mit einem internationalen Metall-Trader abgeschlossen, der das Lithium aus Kärnten exklusiv vertreiben will.

Investorengeld für die Kärntner Mine kommt laut Wanke bislang hauptsächlich aus Australien und Übersee. Förderungen von der Politik gab es für das Projekt bislang nicht, da Bergbauprojekte von der EU nicht gefördert werden. Doch der Rohstoffmangel lässt Wanke auch in diesem Bereich hoffen. „Der Bergbau in Europa wird seit 30 Jahren abgewürgt. Europa hat sich selbst von der Rohstoffversorgung abgeschnitten. Man kann nur hoffen, dass jetzt ein Umdenken stattfindet“, sagt Wanke.

Wanke stapft durch die Pfützen zurück zum Eingang des Stollens. Schon von weitem erstrahlt das Licht am Ende des Tunnels. Geht es nach Wanke, dann soll sein Lithium-Projekt dieses Licht ebenfalls bald sehen.

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