
WirtschaftsWoche: Herr Bönning, wie oft gibt es Ärger, wenn Sie einem Unternehmen schlechte Umwelt- und Sozialstandards vorwerfen?
Bönning: Das kommt, anders als in den Anfängen vor 15 Jahren, nur noch selten vor. Die meisten Unternehmen haben begriffen, dass Investoren heute weltweit Billionen Euro und Dollar auch nach ethischen, sozialen und ökologischen Maßstäben anlegen. Für sie wird immer wichtiger, in diesen Ratings gut abzuschneiden.
Die Unternehmen fühlen sich von Ihnen nicht drangsaliert?
Eher im Gegenteil. Mehr und mehr Unternehmen legen regelrecht Wert darauf, sich als umweltbewusst und gesellschaftlich kompetent zu profilieren und damit bei Kapitalgebern, Kunden und den eigenen Mitarbeitern zu punkten. Da entsteht ein neues Selbstverständnis.
Und alle ziehen mit?
Nicht alle. Viele Finanzdienstleister zum Beispiel sagen, bei ihnen rauche kein Schornstein, und deshalb bräuchten sie nichts zu tun. Auch die Immobilienbranche sieht sich kaum in der Pflicht. Dabei entstehen laut Studien 40 Prozent aller klimaschädlichen Emissionen durch Immobilien. Das Einsparpotenzial dort ist also enorm groß.
Die Zurückhaltung könnte Folge unklarer Kriterien sein, was Nachhaltigkeit ist. Was ist Ihre Definition?
Als nachhaltig verstehen wir Geschäftsmodelle, die langfristigen Erfolg anpeilen und die nicht zulasten der Beschäftigten, der Gesellschaft und der Umwelt gehen. Wir behandele ich Mitarbeiter? Kontrolliere ich, dass die Zulieferer soziale und ökologische Mindeststandards einhalten? Wie agiere ich im Wettbewerb? Verzichte ich auf Bestechung, Preisabsprachen, Kartelle und Bilanzfälschungen?
Spätestens bei Produkten wird es kompliziert. Für ein Auto können doch kaum die gleichen Regeln gelten wie für ein Bankprodukt?
Gelten ja auch nicht. Die Bank sollte den Kunden verantwortungsvoll beraten, transparent informieren und ihm keine Produkte verkaufen, die ihn schlimmstenfalls in den Ruin treiben. Bei einem Automobilunternehmen ist entscheidend, dass seine Fahrzeuge wenig Sprit verbrauchen, wenig Abgase produzieren und die Wagen sicher sind. Es ist immer eine sehr branchenspezifische Definition, was ein Unternehmen nachhaltig macht.
Unter den Dax-Konzernen haben Sie den Düsseldorfer Waschmittel- und Kosmetikhersteller Henkel zum Primus gekürt. Was hat das Unternehmen anderen voraus?
Henkel hat Nachhaltigkeit sehr früh zur Chefsache gemacht und setzt sich stetig neue anspruchsvolle Ziele. Über die Jahre ist ein fein gesponnenes Managementsystem entstanden, das ständig Verbesserungsvorschläge hervorbringt. Diese werden nach klaren Regeln in die Produktionsprozesse und die Produktgestaltung integriert und der Fortschritt sorgfältig kontrolliert. Kein anderes Dax-Unternehmen hat Nachhaltigkeit so breit in allen Prozessen verankert. Doch auch Henkel ist noch nicht perfekt.
Angesichts Ihrer strengen ethischen Kriterien erstaunt, dass die Deutsche Telekom trotz der Datenskandale und der Bespitzelung von Kritikern Platz zwei belegt?
Das geht natürlich als Malus ins Rating ein. Doch es wird kompensiert durch sehr gute Werte im Umgang mit Zulieferern und Mitarbeitern sowie dem Aufbau einer umweltschonenden Wertschöpfungskette. Alles in allem schneidet die Telekom also trotz der Skandale gut ab.