Mikromobilität Kommen jetzt Tankstellen für Tretroller?

Tankstellen für Kleinstmobile: Eine Alternative zu Wechselakkus. Quelle: Hersteller

Elektrische Roller, Mopeds und Fahrräder zum Leihen sind aus Großstädten kaum noch wegzudenken – doch profitabel sind die meisten Dienste nicht. Mehrere Start-ups wollen die Logistikkosten der Anbieter nun mit einer gemeinsamen Ladeinfrastruktur senken.

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Lieferengpässe haben Leon Mobility ausgebremst, nun soll es schnell gehen: Mehr als 30 Ladepunkte will das Start-up noch in diesem Sommer in Stuttgart aufbauen und damit der Elektromobilität einen Schub geben. Doch es sind nicht Autos, die das Start-up ins Visier nimmt – das „XOO“ getaufte Ladesystem ist für E-Mopeds, E-Bikes und E-Scooter gedacht. An Hauswänden und Straßenlaternen sollen die tennisschlägergroßen Stationen angebracht werden.

„Mit unserer Infrastruktur lösen wir das größte Problem der Mikromobilitätsanbieter“, sagt Mitgründer Mat Schubert. „Aktuell verschlingt die Logistik rund um das Aufladen der Fahrzeuge 30 bis 40 Prozent der Einnahmen.“

Schubert weiß, wovon er spricht: Bei Bosch hatte er den E-Moped-Verleihdienst Coup aufgebaut. Wie andere Sharing-Anbieter auch schickte das Unternehmen Mitarbeiter durch die Stadt, um Fahrzeuge neu zu „betanken“ – ein kostspieliges Unterfangen. „Jede Fahrt hat um die zehn Euro an Kosten verursacht“, sagt Schubert. Anfang 2020 zog der Konzern die Reißleine und verkaufte die 5000 Roller starke Flotte an das E-Scooter-Start-up Tier.

Ladekosten belasten die Bilanz

Anderen will Schubert mit seinen über die Stadt verteilten Ladestationen das Schicksal von Coup ersparen. Die Idee ist, dass die Anbieter ihre Nutzer mit Freiminuten dazu animieren, die Fahrzeuge selbst ans Ladekabel zu hängen. Zusammen mit den Stadtwerken Stuttgart, die den E-Moped-Dienst Stella betreiben, hat das Start-up das Konzept mit fünf Ladepunkten erprobt. Nun soll der Regelbetrieb starten. Auch andere Sharing-Firmen sollen die Infrastruktur nutzen können: „Wir positionieren uns mit unserem XOO-Netz als unabhängiger Dienstleister für alle Anbieter“, sagt Schubert.

Der potenzielle Kundenkreis ist groß: Deutschlandweit 84 Mikromobilitätsanbieter zählte die Beratung HPP Ende 2021. Dominiert wird der Markt von Unternehmen wie Lime, Tier und Voi, die Innenstädte mit ihren elektrischen Stehrollern fluten. Doch auch kleinere Start-ups, Stadtwerke und Konzerne wie die Deutsche Bahn mischen mit. Gewinne fährt aber bisher kaum ein Anbieter ein. Auch ökologisch ist der gegenwärtige Zustand problematisch: Um Roller und Fahrräder zu laden und warten, kommen in der Regel dieselbetriebene Kastenwagen zum Einsatz.

„Die Ladeinfrastruktur ist der entscheidende Hebel, um die Dienste profitabel zu machen“, sagt Jennifer Dungs, Mikromobilitätsexpertin bei dem aus EU-Geldern finanzierten Investor EIT InnoEnergy. In der Branche steige das Interesse an Lösungen, die von mehreren Anbietern zugleich genutzt werden. „Aus demselben Grund, warum Autobauer keine Tankstellen betrieben, wird sich auch in der Mikromobilität eine anbieterübergreifende Infrastruktur durchsetzen.“

Städte wollen das Chaos eindämmen

Als Problemlöser dienen sich neben Leon Mobility eine Reihe weiterer Start-ups an. EIT InnoEnergy etwa hat sich früh an Duckt beteiligt. Das estnische Start-up baut Stationen, an denen E-Bikes und E-Scooter geparkt und geladen werden. Ähnliches macht das US-Unternehmen Swift Mobility, das durch eine Kooperation mit dem Berliner Ladeinfrastruktur-Entwickler Soltsol nun auch in Europa Fuß fassen will. Noch in diesem Jahr sollen 150 Ladestationen entstehen.

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Rückenwind erhalten die Konzepte durch die zunehmende Regulierung: Mehr und mehr Städte sind es satt, dass E-Scooter die Bürgersteige verstopfen. Erste Metropolen beginnen, eigene Parkflächen auszuweisen – da liegt es nahe, dort auch Lademöglichkeiten zu schaffen.

Gegenüber großen Dockingstationen will Leon Mobility damit punkten, dass für seine Stationen keine Bodenarbeiten nötig sind. Aufbauen will das Stuttgarter Start-up seine Wallboxen außer im öffentlichen Raum etwa bei Einzelhändlern. Leon Mobility übernimmt dabei den Betrieb und die Stromabrechnung, die Händler sollen davon profitieren, dass ihre Standorte häufiger angesteuert werden. Investoren glauben an das Modell: Neben Businessangels sind der Frühphaseninvestor APX sowie der High-Tech-Gründerfonds bei dem 2020 gegründeten Start-up eingestiegen.

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