Für den russischen Staatskonzern Gazprom geht ein langjähriger Traum in Erfüllung. Endlich habe der Rohstoffgigant auf westeuropäischem Boden Zugang zum wichtigen Endkundenmarkt, jubelt Gazprom-Chef Alexej Miller. Möglich macht das ein breit angelegter Anteilstausch mit dem weltgrößten Chemiekonzern BASF - dadurch stockt Gazprom seinen Anteil an Gasspeichern und Gashandelsunternehmen massiv auf. So gehört etwa der Kasseler Betreiber Wingas bald komplett den Russen. Die erwerben damit auch wertvolles Know-how.
Zahlen und Fakten zu Russland
Russland ist mit einer Fläche von 17.075.400 km² das größte Land der Erde.
Mit 141,85 Millionen Einwohnern liegt Russland auf Rang 9. Durch die Größe des Landes ergibt sich allerdings eine sehr dünne Besiedlung. Auf einem Quadratkilometer leben umgerechnet nur 8,3 Menschen.
Die Hauptstadt Russlands ist Moskau (Moskwa). Mit 11.514.300 Einwohnern ist Moskau die mit Abstand bevölkerungsreichste Stadt Russlands.
Das Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2010 bei 1.480 Milliarden US-$. 59 Prozent der Leistung erwirtschaftet der Dienstleistungs-Sektor, 37 Prozent die Industrie, vier Prozent am BIP steuert die Landwirtschaft bei. Der reale Zuwachs lag im vergangenen Jahr bei 4,0 Prozent.
Russland importierte 2010 Waren im Wert von 229 Milliarden US-Dollar. Den größten Anteil haben die chemische Erzeugnisse (14 Prozent). Der Export lag bei 396 Milliarden US-Dollar. Größter Exportschlager sind Erdöl und -produkte, Erdgas und Kohle.
Russland ist in acht Föderationsgebiete mit insgesamt 83 Territorialeinheiten eingeteilt. Diese gliedern sich auf in 21 Republiken, neun Regionen, 46 Gebieten, einem autonomen Gebiet, vier autonomen Kreisen sowie zwei Städten mit Subjekt-Status (Moskau und St. Petersburg).
Russland ist größtenteils christlich geprägt, über 70 Prozent der Einwohner sind orthodoxe Christen, 14 Prozent Muslime, 1,4 Prozent Protestanten, 0,6 Prozent Katholiken sowie 0,5 Prozent Juden.
Nicht nur mit dem BASF-Deal setzen sich Gazprom und „Gas-Putin“ nun im Westen fest. Drei Wochen vor dem geplanten Baubeginn der Gaspipeline South Stream von Russland nach Südeuropa haben die Anteilseigner endgültig den milliardenschweren Abschnitt durch das Schwarze Meer genehmigt. Gazprom hält die Mehrheit an South Stream. Der rund 900 Kilometer lange Teil zwischen der russischen Stadt Anapa und dem bulgarischen Hafen Varna kostet etwa zehn Milliarden Euro von insgesamt schätzungsweise 25 Milliarden Euro. Der Spatenstich ist für den 7. Dezember geplant.
Die größten börsennotierten Ölkonzerne der Welt
Sie fördern und raffinieren Erdöl oder Gas und betreiben riesige Tankstellennetze. Wie viel die zehn größten Öl- und Gaskonzerne der Welt an der Börse wert sind.
Quelle: Bloomberg, Stand: 26.7.2012
Exxon Mobil (USA)
Die Spitze der Öl- und Gaskonzerne erobert Exxon Mobil mit einer Marktkapitalisierung von 399,7 Milliarden Dollar. Das Unternehmen entstand 1999 durch den Zusammenschluss von Exxon mit Mobil Oil. Das Unternehmen gilt als Nachfolger der Standard Oil Company des legendären Milliardärs John D. Rockefeller.
PetroChina (China)
Die Chinesen schoben sich auf Rang zwei der größten Öl- und Gaskonzerne vor. An der Börse ist der Konzern 249,2 Milliarden Dollar wert. Das Unternehmen ist besonders im Sudan aktiv und steht deswegen in der Kritik.
Royal Dutch Shell (Großbritannien)
Das Unternehmen mit Sitz in London und Den Haag zählt zu den drei größten Öl- und Gaskonzernen der Welt. Shell ist in mehr als 180 Ländern aktiv. An der Börse ist der Konzern mit 216,4 Milliarden Dollar bewertet.
Chevron (USA)
Der US-Konzern ist auf dem Parkett 213,4 Milliarden Dollar wert. Die Hauptsitze sind im kalifornischen San Ramon sowie im brasilianischen Fortaleza. Der Konzern ist im Bereich der geothermischen Energiegewinnung führend.
BP (Großbritannien)
Die Katastrophe im Golf von Mexiko hat den Konzern in Bedrängnis gebracht. Aktuell ist das Unternehmen mit 129,1 Milliarden Dollar bewertet. In Deutschland wird Benzin und Diesel unter der Marke Aral vertrieben.
Petrobras (Brasilien)
Der halbstaatliche Konzern mit Sitz in Rio de Janeiro hat eine Marktkapitalisierung von 125,1 Milliarden Dollar. Die Brasilianer sind besonders in der Offshore-Förderung von Öl stark. Der Konzern wurde ursprünglich zur Abwehr von US-Konzernen gegründet.
Gazprom (Russland)
Der russische Konzern rangiert an der Weltspitze der Gasförderer. Das Moskauer Unternehmen ist an der Börse mit 106,3 Milliarden Dollar bewertet. Gazprom kontrolliert fast die gesamte Erdgasförderung Russlands.
Total (Frankreich)
Die Franzosen betreiben in Europa ein dichtes Tankstellennetz. In mehr als 30 Ländern fördert der Konzern Öl und Gas. Der Konzern mit Sitz in Courbevoie nahe Paris erreicht einen Börsenwert von 103,9 Milliarden Dollar.
Sinopec (China)
Der chinesische Mineralölriese zählt zu den größten Energiekonzernen des Landes und erreicht an der Börse eine Marktkapitalisierung von 80,9 Milliarden Dollar. Das Unternehmen mit Sitz in Peking ist im Hang-Seng-Index notiert.
ENI (Italien)
Der italienische Öl- und Gaskonzern erreicht mit einer Marktkapitalisierung von 71 Milliarden Dollar Rang zehn unter den Energiekonzernen. Das Unternehmen mit Sitz in Rom ist der größte Gasversorger Italiens. Neben dem Öl- und Gasgeschäft mit Exploration, Förderung, Raffinerie und Vertrieb sind die Italiener auch im Stromgeschäft aktiv.
An dem Projekt, das schließlich 63 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr nach Westen pumpen soll, beteiligt sich auch die BASF-Tochter Wintershall.
Bislang bremst vor allem die Europäische Union die Expansionspläne, die der russische Präsident Wladimir Putin stets befeuert. Dazu gehört auch, dass der Kremlchef stets das Dritte Energiepaket geißelt, mit dem die EU eigentlich die Marktmacht von Lieferländern begrenzen will. Mittlerweile hat die EU gegen Gazprom ein Kartellverfahren eingeleitet. Doch wenn sich die Großkonzerne bilateral einigen, hat Brüssel kaum eine Chance
Vielmehr steigt der Einfluss von Gazprom auf den europäischen Gasmarkt immer weiter. Eine regelrechte Gasklammer soll die Abhängigkeit des Kontinents von dem Kremlkonzern erhöhen. Mit der Pipeline Nord Stream durch die Ostsee pumpt Gazprom bereits durch zwei Leitungen das „blaue Gold“ direkt nach Deutschland, ein Ausbau wird erwogen. Und mit der Röhre South Stream bekommt Gazprom dann leichteren Zugang zum südeuropäischen Markt.
Gas, Öl - und jetzt noch eine Großbank
Doch der russische Vormarsch beschränkt sich keinesfalls aufs Gas. So ist das Staatsunternehmen Rosneft spätestens mit dem spektakulären Milliardenkauf des russisch-britischen Ölförderers TNK-BP in die Phalanx der Megakonzerne eingebrochen. Nun plant der von Putin-Intimus Igor Setschin geführte Ölriese eine eigene Großbank.
Die TNK-BP-Übernahme, die Erschließung von Feldern auf dem arktischen Festlandsockel und in Venezuela sowie Bau und Modernisierung von Raffinerien - Marktexperten schätzen die Rosneft-Projekte auf bis zu 640 Milliarden US-Dollar (504 Mrd Euro). Doch auch wegen dieser Summen trauen Analysten Putins aggressiver Energiepolitik nicht so recht.
Der Einfluss der Gas- und Öllobby auf die Wirtschaftspolitik sei viel zu hoch, kritisiert der international angesehene Ex-Finanzminister Alexej Kudrin. Er warnt, die angepeilte Privatisierung gerate ins Stocken - wodurch die ohnehin stark sowjetisch geprägte Wirtschaft international noch weiter zurückfiele.
Denn zugleich wächst die Abhängigkeit von Öl und Gas bedrohlich. Im September 2012 machten Rohstoffe mehr als 85 Prozent der russischen Exporte aus. Fällt nun etwa der Erdölpreis unter 80 Dollar pro Barrel (159 Liter), hätte das gravierende Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt. Mit den Einnahmen für Öl und Gas finanziert Putin auch seine teuren Sozialversprechen.
Für die deutsche Seite, so meinen die Experten, ist der Tausch hingegen ein deutlicher Gewinn. Das Urengoi-Feld, an dem die BASF-Tochter Wintershall weitere Anteile erhält, gilt mit einer Billion Kubikmeter Gas und rund 200 Millionen Tonnen Gaskondensat als äußerst lukrative Lagerstätte.
„Wenn wir jetzt die Chance nicht nutzen, wird es sie in fünf bis sechs Jahren nicht mehr geben“, meinte Wintershall-Managerin Margarita Hoffmann kürzlich. Schließlich haben auch andere Großunternehmen starkes Interesse an den immensen Gasvorkommen in Sibirien. Nun rückt die in Russland bereits stark vertretene Wintershall wie seit langem gewünscht näher an die Quelle heran.