Milliarden-Deal mit BASF Das unheimliche Wachstum von Gazprom

Russland will den europäischen Gasmarkt dominieren. Das Staatsunternehmen Gazprom festigt mit einem aufsehenerregenden Anteilstausch mit BASF seine Position im Westen. Auch die Gaspipeline wurde abgenickt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Gazprom Quelle: AP

Für den russischen Staatskonzern Gazprom geht ein langjähriger Traum in Erfüllung. Endlich habe der Rohstoffgigant auf westeuropäischem Boden Zugang zum wichtigen Endkundenmarkt, jubelt Gazprom-Chef Alexej Miller. Möglich macht das ein breit angelegter Anteilstausch mit dem weltgrößten Chemiekonzern BASF - dadurch stockt Gazprom seinen Anteil an Gasspeichern und Gashandelsunternehmen massiv auf. So gehört etwa der Kasseler Betreiber Wingas bald komplett den Russen. Die erwerben damit auch wertvolles Know-how.

Zahlen und Fakten zu Russland

Nicht nur mit dem BASF-Deal setzen sich Gazprom und „Gas-Putin“ nun im Westen fest. Drei Wochen vor dem geplanten Baubeginn der Gaspipeline South Stream von Russland nach Südeuropa haben die Anteilseigner endgültig den milliardenschweren Abschnitt durch das Schwarze Meer genehmigt. Gazprom hält die Mehrheit an South Stream. Der rund 900 Kilometer lange Teil zwischen der russischen Stadt Anapa und dem bulgarischen Hafen Varna kostet etwa zehn Milliarden Euro von insgesamt schätzungsweise 25 Milliarden Euro. Der Spatenstich ist für den 7. Dezember geplant.

Die größten börsennotierten Ölkonzerne der Welt

An dem Projekt, das schließlich 63 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr nach Westen pumpen soll, beteiligt sich auch die BASF-Tochter Wintershall.

Bislang bremst vor allem die Europäische Union die Expansionspläne, die der russische Präsident Wladimir Putin stets befeuert. Dazu gehört auch, dass der Kremlchef stets das Dritte Energiepaket geißelt, mit dem die EU eigentlich die Marktmacht von Lieferländern begrenzen will. Mittlerweile hat die EU gegen Gazprom ein Kartellverfahren eingeleitet. Doch wenn sich die Großkonzerne bilateral einigen, hat Brüssel kaum eine Chance

Vielmehr steigt der Einfluss von Gazprom auf den europäischen Gasmarkt immer weiter. Eine regelrechte Gasklammer soll die Abhängigkeit des Kontinents von dem Kremlkonzern erhöhen. Mit der Pipeline Nord Stream durch die Ostsee pumpt Gazprom bereits durch zwei Leitungen das „blaue Gold“ direkt nach Deutschland, ein Ausbau wird erwogen. Und mit der Röhre South Stream bekommt Gazprom dann leichteren Zugang zum südeuropäischen Markt.

Gas, Öl - und jetzt noch eine Großbank

Putins beste Sprüche
Putins beste Sprüche„Ich weiß nicht, womit sie heizen wollen. Atom wollen sie nicht, Gas wollen sie nicht. Wollen sie wieder mit Holz heizen?“ Putin über die Energiedebatte in Deutschland, November 2010
„Wir werden unser Volk nicht vergiften.“  Zum Importverbot für EU-Gemüse wegen Ehec, 11.6.2011
„Wo man nicht zusammen kommen kann, bekommt man den Knüppel auf die Rübe“   Zum Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten, 6.9.2010.
„Wer das getan hat, wird den Preis dafür bezahlen und im Suff oder Drogenkonsum enden“ Über den Verrat russischer Spione in den USA, 2.8.2010.
„Ich habe vielleicht in der Universität nicht das allermeiste gelernt, weil ich in der Freizeit viel Bier getrunken habe. Aber einiges habe ich doch behalten, weil wir sehr gute Dozenten hatten.“ Über sein Studium, Mai 2005.
„Die Russen kommen hier nicht mit Kalaschnikow und mit Panzern her, sondern Russland bringt das Geld mit.“ Zu Investitionen russischer Unternehmen in Deutschland, Oktober 2006.
„Niemand will, dass die G8 zu einer Ansammlung fetter Kater wird.“ Über die Rolle Russlands in der Gruppe der führenden Industrienationen, Januar 2006.

Doch der russische Vormarsch beschränkt sich keinesfalls aufs Gas. So ist das Staatsunternehmen Rosneft spätestens mit dem spektakulären Milliardenkauf des russisch-britischen Ölförderers TNK-BP in die Phalanx der Megakonzerne eingebrochen. Nun plant der von Putin-Intimus Igor Setschin geführte Ölriese eine eigene Großbank.

Die TNK-BP-Übernahme, die Erschließung von Feldern auf dem arktischen Festlandsockel und in Venezuela sowie Bau und Modernisierung von Raffinerien - Marktexperten schätzen die Rosneft-Projekte auf bis zu 640 Milliarden US-Dollar (504 Mrd Euro). Doch auch wegen dieser Summen trauen Analysten Putins aggressiver Energiepolitik nicht so recht.

Der Einfluss der Gas- und Öllobby auf die Wirtschaftspolitik sei viel zu hoch, kritisiert der international angesehene Ex-Finanzminister Alexej Kudrin. Er warnt, die angepeilte Privatisierung gerate ins Stocken - wodurch die ohnehin stark sowjetisch geprägte Wirtschaft international noch weiter zurückfiele.

Denn zugleich wächst die Abhängigkeit von Öl und Gas bedrohlich. Im September 2012 machten Rohstoffe mehr als 85 Prozent der russischen Exporte aus. Fällt nun etwa der Erdölpreis unter 80 Dollar pro Barrel (159 Liter), hätte das gravierende Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt. Mit den Einnahmen für Öl und Gas finanziert Putin auch seine teuren Sozialversprechen.

Für die deutsche Seite, so meinen die Experten, ist der Tausch hingegen ein deutlicher Gewinn. Das Urengoi-Feld, an dem die BASF-Tochter Wintershall weitere Anteile erhält, gilt mit einer Billion Kubikmeter Gas und rund 200 Millionen Tonnen Gaskondensat als äußerst lukrative Lagerstätte.

„Wenn wir jetzt die Chance nicht nutzen, wird es sie in fünf bis sechs Jahren nicht mehr geben“, meinte Wintershall-Managerin Margarita Hoffmann kürzlich. Schließlich haben auch andere Großunternehmen starkes Interesse an den immensen Gasvorkommen in Sibirien. Nun rückt die in Russland bereits stark vertretene Wintershall wie seit langem gewünscht näher an die Quelle heran.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%