Nationalisierung Tennet will Stromnetz an Bund verkaufen

Der niederländische Übertragungsnetzbetreiber Tennet will prüfen, ob die Bundesregierung ein

Der niederländische Übertragungsnetzbetreiber Tennet will prüfen, ob Berlin seine deutschen Leitungen „zu akzeptablen“ Bedingungen kauft. Das bedeutet vor allem: Die Nationalisierung der Energieversorgung geht weiter.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der niederländische Netzbetreiber Tennet prüft einen Verkauf seines Stromnetzes in Deutschland an die Bundesregierung. Das hat Tennet am Freitagmorgen mitgeteilt. Tennet, selbst in Besitz des niederländischen Staates, wolle „Gespräche mit der deutschen Regierung aufnehmen, um die Möglichkeit eines vollständigen Verkaufs der deutschen Aktivitäten von Tennet zu akzeptablen Bedingungen auszuloten“, hieß es in einer Pressemitteilung. Tennet erkenne an, „dass sowohl die niederländische als auch die deutsche Regierung es vorziehen, ihre jeweiligen nationalen Stromnetze zu finanzieren, kontrollieren und besitzen“.

Die Klimapolitik, aber auch „geopolitische Entwicklungen“ motivierten beide Regierungen, sich „stark auf die Entwicklung der Infrastruktur für die Energiewende“ zu konzentrieren. Die Transaktion würde die „Schaffung von zwei starken nationalen Akteuren“ ermögliche, die beim „Vorantreiben der Energiewende weiterhin zusammenarbeiten“ würden. Aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium (BMWK) hieß es am Freitag, man begrüße die Ankündigung.

Tennets Vorstoß ist nicht überraschend. Berlin hatte bereits im vergangenen Herbst Interesse an einem vergleichbaren Deal bekundet. Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) sagte damals, es könne für die Bundesregierung „attraktiv“ sein, diesen Weg zu gehen. Seither, hieß es am Freitag aus Habecks Ministerium, sei vertraulich verhandelt worden. "Die Gespräche sind konstruktiv."

Wer kontrolliert die Strom-Autobahnen?

Tennet ist einer von vier sogenannten Übertragungsnetzbetreibern in Deutschland, zuständig für eine von vier Regelzonen. Tennet ist für eine „Zone“ verantwortlich, die sich von der niedersächsischen Küste im Nordwesten bis nach Bayern im Südosten des Landes erstreckt, was die Fläche angeht, ist Tennet der größte Übertragungsnetzbetreiber. Amprion ist vor allem im Westen, 50Hertz in Ostdeutschland und Transnet BW in Baden-Württemberg verantwortlich.

Wenn im Norden besonders viel Wind weht, fehlt besonders viel Strom im Süden. Was hinter dem Strom-Paradoxon steckt, warum der Ausbau der Netze stockt und wie Smart Meter das Problem lösen könnten.
von Theresa Rauffmann

Die Übertragungsnetze sind die Stromautobahnen im Netz mit Spannung von 220 oder 380 Kilovolt. Sie verbinden etwa Kraftwerke mit dem übrigen Netz, verknüpfen aber auch Regionen. Der Ausbau der Übertragungsnetze ist zentraler Bestandteil der Energiewende, etwa durch die Nord-Süd-Trasse „Suedlink“, die mit Windkraft erzeugten Strom aus dem Norden in den Süden transportieren soll. Die Netze vor Ort sind die sogenannten Verteilnetze mit einer geringeren Spannung von 110 Kilovolt.

Den Haag hat noch nicht „endgültig“ entschieden

In seiner Pressemitteilung am Freitagmorgen gab Tennet an, dass die Beschleunigung des Ausbaus der Netze an Land und auf See „beispiellose Investitionen“ des Unternehmens erforderten. Diese würden in erster Linie über Fremdkapital finanziert, erforderten aber allein in der deutschen Tennet-Regelzone Eigenkapital in Höhe von geschätzt 15 Milliarden Euro. In den Niederlanden werde der Eigenkapitalbedarf auf etwa 10 Milliarden Euro angesetzt.

„Es ist deutlich geworden, dass die niederländische Regierung es präferiert, die niederländischen Aktivitäten von Tennet zu finanzieren“, teilte das Unternehmen mit. Allerdings habe die niederländische Regierung als Tennets einziger Anteilseigner noch keine „endgültige Entscheidung“ getroffen.



Tennets Ankündigung markiert einen weiteren Zwischenschritt bei der Verstaatlichung der deutschen Netze und der deutschen Energieversorgung. Auch EnBW, der Mutterkonzern des süddeutschen Übertragungsnetzbetreibers TransnetBW, sucht derzeit nach Investoren. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete diese Woche, dass die Übernahme von einem von zwei Minderheitspaketen mit Anteilen in Höhen von jeweils 24,95 Prozent durch die staatliche Förderbank KfW bevorstehe. Die KfW hat ein Vorkaufsrecht. Weder KfW noch EnBW haben die Meldung offiziell bestätigt. Auch an 50Hertz hält die KfW einen Anteil von 20 Prozent.

Die FDP-Bundestagsfraktion warnt angesichts der Tennet-Ankündigung vor einem dauerhaften Staatsbetrieb. „Eine mögliche Übernahme der deutschen Tennet-Tochter darf nur ein Zwischenschritt sein“, sagte Michael Kruse, der energiepolitische Sprecher der Fraktion. „Die Bundesregierung müsste in diesem Fall an einer Vergabe an Private arbeiten. Sollten sich in Deutschland keine privaten Investoren mehr für Energienetze finden, dann wäre das ein Alarmsignal, dass etwas mit der Ausgestaltung der Energiewende schief läuft. Staatsmonopole sind nicht in der Lage, die hier nötigen Innovationen zu erbringen.“

Welche Rolle spielen künftig Sefe und Uniper?

Als Reaktion vor allem auf die Ukrainekrise hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr wichtige Teile der deutschen Energieversorgung notgedrungen verstaatlicht. So hat der Bund die Geschäfte und damit auch die Infrastruktur der früheren Gazprom-Tochter Gazprom Germania erst der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur unterstellt und dann verstaatlicht. Das Unternehmen heißt heute Sefe, ein Akronym für Securing Energy for Europe. Die Sefe ist ein wichtiger Gaseinkäufer, betreibt über Töchter aber auch Speicher wie den Gasspeicher Rehden in Niedersachsen oder auch Gas-Fernleitungsnetze innerhalb Deutschlands.

Auch den Energiekonzern Uniper, der nach dem Wegfall der russischen Gaslieferungen im vergangenen Sommer Gas am Spotmarkt beschaffen musste und dadurch in Not geriet, hat die Bundesregierung im Dezember übernommen. Uniper ist nicht nur für den Einkauf von Gas zuständig, sondern produziert auch Strom.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Positive Aggression „Es geht nicht um primitiven Ellenbogen-Karrierismus“

Wer zu nett ist, hat im Job verloren. Davon ist Kriminologe Jens Weidner überzeugt. Wie Sie positive Aggression einsetzen, um Ihre Gegner in Schach zu halten und was erfundene Geschichten damit zu tun haben.

Passives Einkommen aufbauen Ihr Weg zur finanziellen Unabhängigkeit

Finanzielle Unabhängigkeit muss kein Traum bleiben. Mit dem richtigen Wissen und passenden Strategien kommen auch Sie auf die Erfolgsspur. Wir zeigen, wie es geht.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Kernfrage ist, welche Rolle diese Unternehmen nun in Zukunft für die deutsche Versorgungssicherheit aber auch die Energiewende spielen können und sollen. Patrick Graichen, Staatssekretär in Habecks Wirtschafts- und Klimaministerium, hatte im Januar den Vorschlag ins Spiel gebracht, die Gasleitungen der Sefe als Kern für den Aufbau eines staatlichen Wasserstoffnetzes zu nutzen.

Lesen Sie auch: Alle reden vom Wasserstoff, möglichst grün, der künftig das Erdgas ersetzen soll. Wie gut die Netze in Deutschland für den Wasserstoff-Transport gerüstet sind – und was in naher Zukunft geplant ist.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%