Neue Strategie RWEs Weg zum Ökostrom-Riesen

Weg von der Kohle, hin zu erneuerbaren Energien – diesen Weg hat Energieriese RWE eingeschlagen. Quelle: imago images

Der mit Strom aus Braun- und Steinkohle groß gewordene Energiekonzern RWE setzt auf die Erneuerbaren, will bis 2040 klimaneutral werden. RWE hat damit seine Zukunftsstrategie gefunden. Kann sie erfolgreich sein?

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Über Deutschland wirbelt am 30. September der Sturm Mortimer. Bei Deutschlands größtem Braunkohleverstromer RWE sorgt die Energiewende für Wirbel. Genauer gesagt, der Ökostrom. Denn zum Wochenauftakt wird RWE zum Produzenten von Ökostrom, indem der Energieriese die erneuerbaren Energien seines bisherigen Konkurrenten E.On übernimmt. Demnächst kommen auch noch die regenerativen Energien der früheren RWE-Tochter Innogy hinzu.

Die Folge: RWE wird so zu einem der führenden Unternehmen bei grünem Strom. „Wir haben die grüne Wende eingeleitet“, kommentierte RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz die Entwicklung Anfang September. Bei Strom aus Windkraftanlagen auf See rangiert RWE nach eigenen Angaben dann sogar weltweit auf Platz zwei. Künftig will der Konzern pro Jahr 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren. Mit Projektpartnerschaften könnten die Investitionen laut RWE sogar auf bis zu 3 Milliarden Euro steigen.

Doch damit der Versprechungen nicht genug: Zur strategischen Neuausrichtung gehört auch, den CO2-Ausstoß in den nächsten Jahren drastisch zu senken und RWE schrittweise über die nächsten Jahrzehnte zu einem reinen Ökostromerzeuger zu wandeln. Zunächst soll die konventionelle Stromerzeugung nur noch 20 Prozent des operativen Ergebnisses (Ebitda) ausmachen. Der dreistufige CO2-Minderungsplan sieht bis 2030 eine Verringerung um 70 Prozent vor. „2040 wird RWE zu 100 Prozent klimaneutral sein“, sagte Schmitz am Montag auf einer Pressekonferenz an historischer Stelle: Das Gelände, auf dem der Sitz der Unternehmenszentrale der neuen RWE entsteht, errichtete das 1898 gegründete „Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk“ eins sein erstes Kraftwerk.

Schmitz' grüne Strategie ist ein Mammutprojekt. Denn in Europa stößt kein anderes Unternehmen mehr CO2 aus als der Essener Konzern: 2018 waren es 118 Millionen Tonnen. Das weiß auch Schmitz. Nichtsdestotrotz hat er das Ziel der Klimaneutralität innerhalb von 21 Jahren festgeschrieben. Es ist Schmitz' erklärtes Ziel, den CO2-ausstoßenden Riesen zum grünen Vorzeigeunternehmen umzubauen.Der

Dafür fordert der RWE-Chef von der Politik mehr Tempo bei den gesetzlichen Regelungen für den Kohleausstieg. „Mich befremdet es auch etwas, dass es länger braucht, es umzusetzen, als es zu erfinden“, sagte Schmitz am Montag. „Das sollte vielleicht die Bundesregierung mehr beunruhigen als uns.“ Je eher man in den Ausstieg einsteige, desto früher seien auch die Emissionen weg. Deshalb sei der Gesetzgeber „stärker am Zug als wir“. Gespräche über die Abschaltung von RWE-Braunkohlekraftwerken würden mit dem Bundeswirtschaftsministerium derzeit alle 14 Tage geführt. RWE werde die Hauptlast der 3 Gigawatt Braunkohlekapazitäten, die bis 2022 abgeschaltet werden sollen, tragen müssen, betonte Schmitz. Der RWE-Chef hatte wiederholt Entschädigungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Gigawatt abgeschalteter Leistung und der daran hängenden Tagebaukapazitäten gefordert.

„Schmitz hat keinen einfachen Job“, sagte Bernd Westphal, energiepolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, kürzlich im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Der RWE-Chef klage über die Entscheidungen der Politik, nehme sie aber an und versuche, das Beste aus ihnen zu machen. Dieses „Beste“ scheint nun der Angriffsmodus. Volle Kraft voraus zum grünen Energieproduzenten. Auch wenn es tausende RWE-Mitarbeiter zittern lässt, die sich nun umso mehr um die Zukunft des Konzerns und damit um ihre Arbeitsplätze sorgen. Immerhin arbeiten gut 17.000 Menschen für den Energiekonzern.

RWE will mit Ökostrom weltweit wachsen

RWE müsse größer denken als bisher, lautet die Parole des RWE-Chefs: „Wir wollen die Energiewende voranbringen. Dabei orientieren wir uns nicht an Landesgrenzen“, sagte er bei der Präsentation zur Neuaufstellung des Konzerns. Als internationales Unternehmen müsse sich RWE im globalen Wettbewerb behaupten.

Die hohe Relevanz der RWE-Auslandsprojekte zeigte sich bei Schmitz' Vortrag am Montag in Essen: Von den 9 Gigawatt, die derzeit am Netz sind, entfallen nur 1,5 Gigawatt auf Deutschland. Die großen in Bau befindlichen Wind- und Solarparks stehen in den USA und Australien. Und auch im asiatisch-pazifischen Raum will RWE aktiver werden. Pro Jahr sollen 1,5 Milliarden Euro in die Erneuerbaren investiert werden.

Geld für die Investitionen soll auch aus der Beteiligung von 16,7 Prozent am bisherigen Rivalen E.On kommen, wie Finanzchef Markus Krebber sagte. Den Aktionären, darunter sind zahlreiche Kommunen, stellte er eine langfristig leicht steigende Dividende in Aussicht.

Dass der Wandel zum Ökostrom-Anbieter überhaupt möglich wurde, basiert auf dem weitreichenden Tauschgeschäft mit E.On. Die beiden Energieriesen haben Innogy unter sich aufgeteilt. E.On übernimmt das Netz- und das Endkundengeschäft und reicht die eigenen Erneuerbaren und die von Innogy an RWE weiter. Die Wettbewerbshüter der EU hatten den Deal mit einem Gesamtwert von mehr als 40 Milliarden Euro vor Kurzem genehmigt. RWE-Vorstandschef Schmitz hatte bereits direkt nach der Zustimmung der EU gesagt, für RWE beginne damit „ein neues, aufregendes Kapitel“ der Unternehmensgeschichte.

An der Börse kommt die neue RWE bislang gut an. Die Aktie hat seit Jahresbeginn fast um die Hälfte zugelegt und gehört damit zu den Top Drei im Leitindex Dax. Damit schneidet RWE deutlich besser ab als E.On. Der Aktienkurs des bisherigen Konkurrenten, der durch den Deal mit RWE keine eigene Stromproduktion mehr hat, kommt seit Monaten nicht von der Stelle.

Gut lief bei RWE dieses Jahr bisher vor allem der Energiehandel. Dieser war auch größtenteils dafür verantwortlich, dass das Unternehmen zum Halbjahr starke Zahlen vorlegte. Allerdings ist auf das Handelsgeschäft wenig Verlass, weil es sehr schwankungsanfällig ist. Dennoch hob Schmitz zuletzt die Jahresprognose an.

Offen ist, wie sich der Kohleausstieg auf die Geschäfte von RWE auswirken wird. Schmitz verhandelt derzeit mit der Bundesregierung über Entschädigungen für die vorzeitige Abschaltung von Braunkohlekraftwerken. Rund drei Gigawatt Braunkohlekapazität soll RWE bis Ende 2022 vom Netz nehmen. Schmitz fordert dafür Ausgleichszahlungen von bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Gigawatt abgeschalteter Leistung und der daran hängenden Braunkohleförderung.

Die Braunkohlekraftwerke sind in den vergangenen Monaten nur mit reduzierter Leistung gelaufen. In diesem Sommer produzierten sie ein Drittel weniger Strom als im Sommer 2018. Das lag auch daran, das Gaskraftwerke zeitweise billiger produzierten als die Braunkohlemeiler.

Mit Material von dpa und Reuters

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