Nordex-Chef Jürgen Zeschky "Allein schaffen wir es nicht"

Jürgen Zeschky, Chef des Windturbinenbauers Nordex, sucht dringend einen Partner für das Geschäft in China.

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Jürgen Zeschky, Chef des Windturbinenbauers Nordex, hat keine Angst vor der chinesischen Konkurrenz Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Zeschky, Nordex hat sich von Windanlagen auf hoher See zurückgezogen und baut nur noch Mühlen an Land. Damit begeben Sie sich in direkte Konkurrenz mit chinesischen Herstellern, von denen innerhalb von drei Jahren vier unter die zehn größten der Welt gestoßen sind. Ist das nicht wirtschaftlicher Selbstmord?

Jürgen Zeschky: Nein, das sind zwar ernst zu nehmende Wettbewerber. Aber die Möglichkeiten der Chinesen werden überbewertet. Ihre Marktanteile haben die Chinesen fast ausschließlich in der Heimat gewonnen. Ich war kürzlich in China und war erstaunt, wie realistisch unsere chinesischen Wettbewerber ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen, in der westlichen Welt Turbinen zu verkaufen.

Was heißt das konkret?

Die Chinesen sind sich absolut bewusst, welche Kenntnisse über Projektentwicklung, Gesetze, Infrastruktur oder lokale Besonderheiten es braucht, um hier erfolgreich zu sein. Daran hapert es bei ihnen ebenso wie an technologischen Lösungen wie automatischen Enteisungssystemen für die Rotoren oder komplexen Regelungstechniken. Ich habe hohen Respekt vor den Chinesen, aber keine Angst. Weder die deutsche noch die europäische Windindustrie wird von der asiatischen Konkurrenz überrollt werden.

Die größten Anlagenbauer
NordexNach zwei verlustreichen Jahren und vielen Einsparungen lief es 2013 für Nordex wieder besser. Der Windturbinenbauer kehrte in die Gewinnzone zurück. In der Vergangenheit trennte sich Nordex unter anderem verlustreichen Produktionsstätten in den USA und China und konzentrierte sich ganz auf den Bau von Onshore-Anlagen. Mit der Strategie konnte das Unternehmen in Deutschland Marktanteile gewinnen. 2012 kam Nordex auf 3,5 Prozent, 2013 waren es im On- und Offshore-Bereich zusammen bereits sieben Prozent. Auch die Aussichten sind gut: Für 2014 rechnet der Vorstand mit neue Aufträge im Umfang von 1,6 Milliarden Euro. Quelle: dpa
Siemens WindenergiesparteSiemens ist Weltmarktführer bei Offshore-Windrädern und dominiert auch in Deutschland diesen Bereich. Hierzulande kommt das Unternehmen in dem Segment auf 52,1 Prozent Marktanteil. Im On- und Offshore-Bereichen zusammen hatte Siemens Wind Power 2013 einen Anteil von 9,8 Prozent und liegt damit auf Platz vier. Nach dem Verkauf der gefloppten Solarsparte will sich Siemens künftig noch mehr auf die Energie aus Wind und Wasser zu konzentrieren. Das Geschäft lief zuletzt insbesondere im Ausland gut. Im Dezember 2013 erhielt das Unternehmen mehrere Großaufträge in den USA. In Deutschland gibt es aber auch Probleme: Bei der Anbindung von vier Offshore-Windparks in der Nordsee liegt Siemens dem Zeitplan um mehr als ein Jahr hinterher. Die Verzögerungen sollen Siemens bereits mehr als 600 Millionen Euro gekostet haben. Quelle: dpa
SenvionDas Hamburger Unternehmen Senvion (ehemals Repower ) ist eine Tochter des indischen Windkraftkonzerns Suzlon. Wie Nordex ist es auch dem Hamburger Unternehmen gelungen, Marktanteile zu gewinnen. 2013 installierte Senvion Anlagen mit rund 484 Megawatt und nun einen Markanteil von insgesamt 13,5 Prozent. Im Onshore-Bereich sind es sogar 16,2 Prozent. Das sind drei Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Deutschland hat das Unternehmen nach eigenen Angaben nun eine Gesamtleistung von 2,8 Gigawatt installiert. Im März 2014 hat Senvion die Schwelle von 10 Gigawatt weltweit installierter Leistung überschritten. In der Vergangenheit hatte das Unternehmen allerdings auch mit deutlichen Umsatzrückgängen zu kämpfen. Quelle: dpa
VestasDer weltgrößte Windturbinenhersteller Vestas hatte in Deutschland 2013 einen Marktanteil von 16,7 Prozent (Onshore 20 Prozent). Damit hat der Anlagenbauer zwar rund sechs Prozent an die kleineren Mitbewerber verloren, liegt aber weiterhin klar auf Platz zwei. Allein 2013 stellte das dänische Unternehmen Anlagen mit einer Leistung von 598,9 Megawatt in Deutschland auf. Wirtschaftlich ist Vestas offenbar auf einem guten Weg: Nach massiven Sparmaßnahmen in den Vorjahren hat das Unternehmen im letzten Quartal 2013 erstmals seit Mitte 2011 wieder einen Gewinn erwirtschaftet. Der Jahresverlust lag bei 82 Millionen Euro, nach 963 Millionen Euro 2012. Quelle: ZB
EnerconDas vom Windpionier Aloys Wobben gegründete Unternehmen ist unangefochtener Marktführer in Deutschland bei Anlagen auf dem Festland (49,6 Prozent Marktanteil). Onshore-Anlagen mit einer Leistung von 1.484,6 Megawatt hat Enercon allein 2013 aufgestellt. Auf dem Gesamtmarkt musste der Windanlagenbauer allerdings Verluste hinnehmen. Lag der Markanteil 2012 bei 54,3 Prozent, betrug er zuletzt noch bei 41,4 Prozent. Weltweit hat das Unternehmen mittlerweile mehr als 20.000 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 28 Gigawatt installiert. Laut den Wirtschaftsforscher von Globaldata liegt Enercon im globalen Vergleich damit auf Platz. Geschlagen werden die Ostfriesen von der dänische Konkurrenz Vestas. Quelle: dpa

Warum brechen dann Nordex in China gerade die Umsätze ein?

China ist weltweit der mit Abstand größte Markt für Windräder. Aber er ist eben auch für nicht chinesische Unternehmen abgeschottet. Der Anteil der nationalen Hersteller liegt inzwischen bei mehr als 90 Prozent. Obwohl wir dort seit 1998 produzieren, verlieren wir an Boden. Die geringe Auslastung unserer Werke dort kostet uns richtig Geld.

Heißt das, Nordex muss im Reich der Mitte seine Selbstständigkeit aufgeben und wird in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Chinesen getrieben?

Alleine schaffen wir es jedenfalls nicht. Da gibt es keine Zweifel. Selbst Vestas aus Dänemark, der Weltmarktführer unter den Windradbauern, gab kürzlich die Schließung eines Werks in China bekannt. Wir verhandeln daher mit einem staatlichen Energieversorger, der selber Windparks baut. Und das in großen Dimensionen, etwa 1.000 Megawatt pro Jahr.

Das ist die Hälfte dessen, was 2011 in ganz Deutschland installiert wurde.

Insofern wäre das sehr wichtig für uns. Nordex könnte für die bessere Qualität der Windparks garantieren, wie sie von der Regierung in Peking inzwischen gefordert wird. Die gegenseitige Prüfung der Unternehmen wurde Ende Mai beendet. Wir warten nun, weil bei unserem Partner das Management in der Muttergesellschaft gewechselt hat. Wann sich etwas bewegt, wissen wir nicht.

Wettlauf gegen die Zeit

Kuriose Folgen der Energiewende
Schwierige Löschung von Windrad-BrändenDie schmalen, hohen Windmasten sind bei einem Brand kaum zu löschen. Deshalb lassen Feuerwehrleute sie meist kontrolliert ausbrennen – wie im April in Neukirchen bei Heiligenhafen (Schleswig-Holstein). Quelle: dpa
Tiefflughöhe steigtDie Bundeswehr hat die Höhe bei nächtlichen Tiefflügen angepasst. Wegen Windradmasten kann die Tiefflughöhe bei Bedarf um 100 Meter angehoben werden. Der Bundesverband Windenergie (BWE) begrüßt, dass dadurch Bauhöhen von bis zu 220 Meter realisiert werden können. Die Höhe des derzeit höchsten Windradtyps liegt bei etwa 200 Metern. Quelle: dpa
Dieselverbrauch durch WindräderViele neue Windkraftanlagen entstehen – ohne ans Netz angeschlossen zu sein. Solange der Netzausbau hinterherhinkt, erzeugen die Windräder keine Energie, sondern verbrauchen welche. Um die sensible Technik am Laufen zu halten, müssen Windräder bis zu ihrem Netzanschluss mit Diesel betrieben werden. Das plant etwa RWE bei seinem im noch im Bau befindlichen Offshore-Windpark „Nordsee Ost“. Quelle: AP
Stromschläge für FeuerwehrleuteSolarzellen lassen sich meist nicht komplett ausschalten. Solange Licht auf sie fällt, produzieren sie auch Strom. Bei einem Brand droht Feuerwehrleuten ein Stromschlag, wenn sie ihren Wasserstrahl auf beschädigte Solarzellen oder Kabel halten. Diese Gefahr droht nicht, wenn die Feuerwehrleute aus sicherer Entfernung den Wasserstrahl auf ein Haus richten – aber, wenn sie dabei ins Haus oder aufs Dach gehen. Stromschlagsgefahr gibt es ebenso für Feuerwehrleute, wenn sie nach einem Straßenunfall Personen aus einem beschädigten Elektroauto bergen müssen. Quelle: AP
Störende SchattenWindräder werfen Schatten – manche Anwohner sehen darin eine „unzumutbare optische Bedrängung“, wie es das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ausdrückte. Es gab einer Klage recht, die gegen ein Windrad in Bochum gerichtet war. Im Februar wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision des Investors ab. Das Windrad wird nun gesprengt. Quelle: dpa
Gestörte NavigationAuf hoher See wird es voll. Windparks steigern nicht nur das Kollisionsrisiko mit Schiffen. Die Rotoren stören auch das Radarsystem. Der Deutsche Nautische Verein schlägt daher vor, dass Windparks nur genehmigt werden, wenn die Betreiber auch neue Radaranlagen an den Masten installieren. Quelle: dapd
Windrad-LärmWindräder drehen sich nicht nur, dabei machen sie auch Geräusche. Je stärker der Wind, desto lauter das Windrad – und das wollen viele Bürgerinitiativen nicht hinnehmen. Ein Beschwerdeführer aus dem westfälischen Warendorf erreichte im September 2011 vorm Verwaltungsgericht Münster zumindest, dass eine Windkraftanlage nachts zwischen 22 und 6 Uhr abgeschaltet wird. Quelle: dpa

Wie dringend brauchen Sie den neuen Partner in China?

Ich möchte niemanden unter Druck setzen. Aber beliebig viel Zeit haben wir nicht.

Was machen Sie, wenn in den USA die Steuergutschrift zur Förderung der Windenergie zum Jahresende ausläuft?

Wir sind in Chicago mit 200 Mitarbeitern und Produktionskapazitäten von etwa 200 Megawatt vergleichsweise klein. Zudem ist noch nicht sicher, ob es noch eine Anschlussförderung für ein weiteres Jahr gibt. Fakt ist aber: Viele Aufträge wurden vorgezogen beziehungsweise verschoben. 2013 wird in den USA ein hartes Jahr werden. Deshalb ist unser US-Vertrieb seit einiger Zeit auch in Kanada und Südamerika tätig, um diese Periode möglichst gut zu überbrücken.

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Was erwarten Sie, sollte der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney als entschiedener Gegner erneuerbarer Energien ins Weiße Haus einziehen?

Dann wird es noch härter und schwieriger. Mittelfristig müssen wir ohne Förderung auskommen können. Unsere Wachstumsregionen liegen derzeit aber in Nord-, Mittel- und Osteuropa, der Türkei, Südafrika oder Pakistan. Finnland etwa hat zu Beginn des vergangenen Jahres eine Einspeisevergütung für grüne Energien eingeführt. Vergangene Woche haben wir mit einer finnischen Vermögensverwaltung einen Rahmenvertrag über die Lieferung und Errichtung von bis zu 111 Windrädern der 2,5-Megawatt-Baureihe geschlossen.

Dann wird es in diesem Jahr wieder schwarze Zahlen bei Nordex geben?

Davon bin ich überzeugt, und der Start ins Jahr bestätigt mich. Der Auftragseingang stieg von 150 auf mehr als 300 Millionen Euro, der Auftragsbestand verdoppelte sich ebenfalls von 400 auf 837 Millionen Euro. Das ist eine solide Basis für ein positives Ergebnis.

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