WirtschaftsWoche: Herr Zeschky, Nordex hat sich von Windanlagen auf hoher See zurückgezogen und baut nur noch Mühlen an Land. Damit begeben Sie sich in direkte Konkurrenz mit chinesischen Herstellern, von denen innerhalb von drei Jahren vier unter die zehn größten der Welt gestoßen sind. Ist das nicht wirtschaftlicher Selbstmord?
Jürgen Zeschky: Nein, das sind zwar ernst zu nehmende Wettbewerber. Aber die Möglichkeiten der Chinesen werden überbewertet. Ihre Marktanteile haben die Chinesen fast ausschließlich in der Heimat gewonnen. Ich war kürzlich in China und war erstaunt, wie realistisch unsere chinesischen Wettbewerber ihre eigenen Fähigkeiten einschätzen, in der westlichen Welt Turbinen zu verkaufen.
Was heißt das konkret?
Die Chinesen sind sich absolut bewusst, welche Kenntnisse über Projektentwicklung, Gesetze, Infrastruktur oder lokale Besonderheiten es braucht, um hier erfolgreich zu sein. Daran hapert es bei ihnen ebenso wie an technologischen Lösungen wie automatischen Enteisungssystemen für die Rotoren oder komplexen Regelungstechniken. Ich habe hohen Respekt vor den Chinesen, aber keine Angst. Weder die deutsche noch die europäische Windindustrie wird von der asiatischen Konkurrenz überrollt werden.
Warum brechen dann Nordex in China gerade die Umsätze ein?
China ist weltweit der mit Abstand größte Markt für Windräder. Aber er ist eben auch für nicht chinesische Unternehmen abgeschottet. Der Anteil der nationalen Hersteller liegt inzwischen bei mehr als 90 Prozent. Obwohl wir dort seit 1998 produzieren, verlieren wir an Boden. Die geringe Auslastung unserer Werke dort kostet uns richtig Geld.
Heißt das, Nordex muss im Reich der Mitte seine Selbstständigkeit aufgeben und wird in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Chinesen getrieben?
Alleine schaffen wir es jedenfalls nicht. Da gibt es keine Zweifel. Selbst Vestas aus Dänemark, der Weltmarktführer unter den Windradbauern, gab kürzlich die Schließung eines Werks in China bekannt. Wir verhandeln daher mit einem staatlichen Energieversorger, der selber Windparks baut. Und das in großen Dimensionen, etwa 1.000 Megawatt pro Jahr.
Das ist die Hälfte dessen, was 2011 in ganz Deutschland installiert wurde.
Insofern wäre das sehr wichtig für uns. Nordex könnte für die bessere Qualität der Windparks garantieren, wie sie von der Regierung in Peking inzwischen gefordert wird. Die gegenseitige Prüfung der Unternehmen wurde Ende Mai beendet. Wir warten nun, weil bei unserem Partner das Management in der Muttergesellschaft gewechselt hat. Wann sich etwas bewegt, wissen wir nicht.
Wettlauf gegen die Zeit
Wie dringend brauchen Sie den neuen Partner in China?
Ich möchte niemanden unter Druck setzen. Aber beliebig viel Zeit haben wir nicht.
Was machen Sie, wenn in den USA die Steuergutschrift zur Förderung der Windenergie zum Jahresende ausläuft?
Wir sind in Chicago mit 200 Mitarbeitern und Produktionskapazitäten von etwa 200 Megawatt vergleichsweise klein. Zudem ist noch nicht sicher, ob es noch eine Anschlussförderung für ein weiteres Jahr gibt. Fakt ist aber: Viele Aufträge wurden vorgezogen beziehungsweise verschoben. 2013 wird in den USA ein hartes Jahr werden. Deshalb ist unser US-Vertrieb seit einiger Zeit auch in Kanada und Südamerika tätig, um diese Periode möglichst gut zu überbrücken.
Allianz plant "Luftnummer" für Lebensversicherungen
Was erwarten Sie, sollte der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney als entschiedener Gegner erneuerbarer Energien ins Weiße Haus einziehen?
Dann wird es noch härter und schwieriger. Mittelfristig müssen wir ohne Förderung auskommen können. Unsere Wachstumsregionen liegen derzeit aber in Nord-, Mittel- und Osteuropa, der Türkei, Südafrika oder Pakistan. Finnland etwa hat zu Beginn des vergangenen Jahres eine Einspeisevergütung für grüne Energien eingeführt. Vergangene Woche haben wir mit einer finnischen Vermögensverwaltung einen Rahmenvertrag über die Lieferung und Errichtung von bis zu 111 Windrädern der 2,5-Megawatt-Baureihe geschlossen.
Dann wird es in diesem Jahr wieder schwarze Zahlen bei Nordex geben?
Davon bin ich überzeugt, und der Start ins Jahr bestätigt mich. Der Auftragseingang stieg von 150 auf mehr als 300 Millionen Euro, der Auftragsbestand verdoppelte sich ebenfalls von 400 auf 837 Millionen Euro. Das ist eine solide Basis für ein positives Ergebnis.