Prokon Kampf um insolvente Windkraftfirma geht in die letzte Runde

Der Energieversorger EnBW kämpft erbittert um die insolvente Windkraftfirma Prokon. Die Verfechter des Genossenschaftsmodells geben sich siegessicher. Der Aufsichtsrat für die Genossenschaft steht schon fest.

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Prokon: Neuer Aufsichtsrat für Genossenschaftsmodell. Quelle: dpa

Der Kampf um das insolvente Windparkunternehmen Prokon geht in die letzte Runde. Auf der Gläubigerversammlung in der Halle B5/B6 der Hamburger Messe entscheiden die Anleger am 2. Juli, ob die Firma zukünftig als Tochtergesellschaft des drittgrößten Energieversorgers Deutschlands, der EnBW, oder als Genossenschaft in Bürgerhand weitergeführt werden soll.

Stimmt die Mehrheit der Anleger für dieses Modell bekämen sie 58,9 Prozent ihres Investments zurück. Allerdings nicht in bar, sondern in Form von Genossenschaftsanteilen und einer Anleihe. Der Energieversorger bietet den rund 75.000 Anlegern, die 1,44 Milliarden Euro in Prokon investiert haben, 550 Millionen Euro in bar. Dazu kommt Geld aus dem Verkauf von Randgeschäften des Unternehmens. Insgesamt bekämen die Gläubiger 52,2 Prozent ihres angelegten Geldes zurück und wären mit dem EnbW-Modell raus aus dem Geschäft.

Energie in Bürgerhand

Um den schnöden Mammon allein geht es beim Kampf um Prokon allerdings nicht. Mehr als 10.000 Anleger, die sich im Verein „Freunde von Prokon“ zusammengetan haben, geht es darum, Energie in Bürgerhand zu geben und nicht in die Hände eines Großkonzerns. Sie trommeln seit Wochen für das Genossenschaftsmodell und geben sich siegessicher. Abstimmen werden die Gläubiger in der kommenden Woche dann auch zuerst über das Genossenschaftsmodell.

Wo der Strom herkommt
BraunkohleNoch immer der mit Abstand bedeutendste Energieträger Deutschlands: Im Jahr 2013 ist die klimaschädliche Stromproduktion aus Braunkohle auf den höchsten Wert seit 1990 geklettert. Mit 162 Milliarden Kilowattstunden macht der Strom aus Braunkohlekraftwerken mehr als 25 Prozent des deutschen Stroms aus. Das geht aus vorläufigen Zahlen der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hervor. Quelle: dpa
SteinkohleAuch die Stromproduktion in Steinkohlekraftwerken stieg im Jahr 2013 – um 8 Milliarden auf mehr als 124 Milliarden Kilowattstunden. Damit ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger und deckt fast 20 Prozent der deutschen Stromproduktion ab. Vor allem Braun- und Steinkohle fangen also offenbar den Rückgang der Kernenergie auf. Quelle: dpa
Kernenergie Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken macht sich bemerkbar. Nur noch 97 Milliarden Kilowattstunden stammten 2013 aus Kernerenergie, drei weniger als im Vorjahr. Das sind allerdings noch immer 15 Prozent der gesamten Produktion. Damit ist Atomstrom nach wie vor die drittgrößte Energiequelle. Quelle: dpa
ErdgasDie CO2-arme Erdgasverbrennung ist - anders als Kohle - wieder rückläufig. Statt 76 Milliarden kamen im vergangenen Jahr nur noch 66 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Erdgaskraftwerken. Das sind gerade mal zehn Prozent der Stromproduktion. Dabei war Erdgas vor drei Jahren schon einmal bei 14 Prozent. Quelle: dpa
WindkraftDer größte erneuerbare Energieträger ist die Windkraft. Mit 49,8 Milliarden Kilowattstunden in 2013 ist sie allerdings leicht Rückläufig. Insgesamt steigt der Anteil der erneuerbaren Energien jedoch stetig. Zusammengenommen produzierten sie 23,4 Prozent des deutschen Stroms. Quelle: dpa
BiomasseFast genauso viel Strom wie aus Windkraft stammte aus Biomasse. Die Produktion stieg auf 42 Milliarden Kilowattstunden. Damit steht Biomasse auf Platz sechs der bedeutendsten Energieträger. Quelle: ZB
PhotovoltaikEs reicht zwar nur für knapp fünf Prozent der deutschen Stromproduktion, aber Solarenergie ist die mit Abstand am schnellsten wachsende Energieform. Im Jahr 2000 gab es in Deutschland noch gar keinen Sonnenstrom. Und seit 2007 hat sich die Produktion auf 28,3 Milliarden Kilowattstunden in 2013 beinahe verzehnfacht. Quelle: dpa

Ein fünfköpfiger Aufsichtsrat für eine Prokon-Genossenschaft steht schon bereit, wie dem Insolvenzplan für das Genossenschaftsmodell zu entnehmen ist. Entscheidet sich die Mehrheit der Anleger für das Bürgermodell, werden die Geschäfte der Genossen zukünftig von Ex-Bankern, einem Unternehmensberater und einem Therapeuten kontrolliert. Der 67-jährige Wolfgang Siegel ist psychologischer Psychotherapeut aus Dortmund. Er saß schon im Prokon-Gläubigerausschuss und ist Mitglied im Verein „Freunde von Prokon“.

Expertise in Sachen Insolvenzen und Zwangsverwaltungen bei der Kontrolle einer möglichen Genossenschaft bringt der pensionierte Ex-Banker Udo Wittler mit. Er war 20 Jahre im Vorstand der Bankaktiengesellschaft (BAG) Hamm. Die ist für die Abwicklung von Forderungen im Kreditgeschäft (Insolvenzen, Zwangsverwaltungen) der Volks- und Raiffeisenbanken verantwortlich. Als „Mann der klaren Worte, der auch vor unpopulären Entscheidungen nicht zurückschreckte“ verabschiedete der Oberbürgermeister der westfälischen Stadt Hamm Wittler vor zwei Jahren in den Ruhestand.

Als weitere Mitglieder werden im Insolvenzplan der Unternehmensberater Erwin Stepper und Stefan Dobelke, Vorstand der genossenschaftlich organisierten Gesellschaft für Stromwirtschaft, genannt.

Deutsche Energieversorger im Vergleich

Prokon-Verfahrenskosten in Höhe von 26 Millionen Euro

Vorgesehen für den Prokon-Aufsichtsrat ist auch Wittlers Kollege Moritz Krawinkel, pensionierter Verbandsdirektor des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes und viele Jahre im Aufsichtsrat der BAG. Für ihre Tätigkeit als Kontrolleure werden sie jeweils 30.000 Euro pro Jahr erhalten. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats bekommt das Doppelte.

Ob sich nun die Anleger für das Bürgermodell oder für die Barvariante des Energieversorgers EnBW entscheiden, einen Sieger gibt es schon: Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin. Er geht von Verfahrenskosten in Höhe von rund 26 Millionen Euro aus, der Großteil davon dürfte auf seine Vergütung entfallen.

Unterstützung für Prokon-Genossen von Naturstrom

Der Öko-Energieversorger Naturstrom aus Düsseldorf unterstützt die Genossenschaftslösung für Prokon. Er bietet an, Genussrechte von Anlegern zu erwerben, die ihr Prokon-Investment verkaufen wollen, damit die erforderliche Mindestwandlungssumme zusammenkommt. Das Unternehmen will sich dann, wenn die Prokon-Genossenschaft tatsächlich zustande kommt, als Genosse beteiligen und mit Prokon zusammenarbeiten.

Die Umwandlung in eine Genossenschaft habe die Chance auf eine langfristig gesunde Entwicklung, so Thomas Banning, Chef von Naturstrom. "Es gibt etliche Genussrechteinhaber, die sich neben den finanziellen auch aus inhaltlichen Erwägungen für Prokon entschieden haben. Sie möchten die Energiewende voranbringen - möglichst dezentral und bürgernah. Ich finde es daher sehr verständlich, dass viele Genussrechteinhaber und besonders die Mitarbeiter das Unternehmen nicht einem der alten Energiekonzerne überlassen wollen."

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