Rettungsoptionen für den deutschen Gashändler Der Poker um Uniper

Dass die Bundesregierung Uniper helfen muss, ist unstrittig. Der Gashändler hat eine systemkritische Aufgabe für die deutsche Industrie. Quelle: imago images

Uniper ist Deutschlands größter Gashändler und muss nun wegen des reduzierten Gasflusses aus Russland gerettet werden. Die Bundesregierung prüft mehrere Optionen – und die besondere Verantwortung des finnischen Staates.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Hauptbotschaften von Uniper prangen in großen Lettern auf der Webseite: „Die Energiewende vorantreiben“, steht da. Und: „Eine sichere Versorgung mit grüner Energie für eine nachhaltige Zukunft.“ Doch „sicher“ ist in Düsseldorf gar nichts mehr. Der Konzern aus Nordrhein-Westfalen sieht sich als verlässlicher Partner der deutschen Industrie, liefert Gas und Strom – und ist nun Opfer der weltpolitischen Krisenlage.

Die Bundesregierung will bald verkünden, vielleicht sogar an diesem Freitag, wie sie den strauchelnden Energiekonzern retten will. Denn das ausbleibende Gas aus Russland trifft ihn ins Mark. Zwar fließt seit Donnerstag wieder rund 40 Prozent der maximalen Gasmenge durch die Pipeline Nord Stream 1. Aber bei Uniper kommt dennoch weniger Gas an als vertraglich vereinbart. Nun muss das Unternehmen teuer nachkaufen, um die laufenden Lieferverträge mit den eigenen Kunden einzuhalten. Vor allem mit den Stadtwerken und der Großindustrie. Ohne staatliche Hilfe wäre Uniper nicht überlebensfähig. Die Rettungssuche hat begonnen.

Und so entzündet sich in Berlin eine Diskussion um das Wie. Uniper, eine ehemalige E.On-Tochter, ging 2016 an die Börse und wurde wenig später vom finnischen Staatskonzern Fortum übernommen. Den Nordeuropäern gehören heute 78 Prozent an Uniper. Und Fortum selbst gehört zu 51 Prozent dem finnischen Staat. Fortum ist nicht nur an Uniper beteiligt, sondern betreibt auch mit dem deutschen Partner zusammen etwa das Kernkraftwerk Oskarshamn und Wasserkraftwerke in Schweden. Beide Unternehmen sind auch am schwedischen Kernkraftwerk Forsmark beteiligt. Den Hauptumsatz (mehr als 80 Prozent) erzielt Uniper aber mit dem Gashandel. 2021 lag der Gesamtumsatz – auch wegen der gestiegenen Einkaufspreise für Gas – bei gigantischen 163 Milliarden Euro.

Dass die Bundesregierung Uniper helfen muss, ist unstrittig. Der Gashändler hat eine systemkritische Aufgabe für die deutsche Industrie. Grundsätzlich verfolgt der Bund zwei Strategien. Zum einen könnte der deutsche Staat mit 25 bis 30 Prozent bei Uniper einsteigen. Gleichzeitig würde er langfristige Kredite zur Verfügung stellen, die erst nach einer sehr langen Laufzeit getilgt werden müssten. Solche Hybridkredite werden bilanztechnisch dem Eigenkapital zugerechnet. Hinzu kämen kurzfristige Kredite der Förderbank KfW. Anfang der Woche hatte Uniper bereits zwei Milliarden Euro abgerufen, um die gestiegenen Einkaufsvolumina beim Gas zu finanzieren. Der Bund wird, so ist zu hören, den Kreditrahmen wohl auf bis zu acht Milliarden Euro erhöhen.

Die zweite Option: Uniper könnte sein Deutschlandgeschäft an den Bund verkaufen. Dann wäre der finnische Eigentümer Fortum raus. Der Vorteil für den Bund: Da Uniper etwa in Russland weitere Kohlekraftwerke wie etwa Berjosowskaja in Scharypowo betreibt, wäre der Bund das dreckige Energiegeschäft gleich wieder los. Andererseits befürchten Teile der Regierung, dass sich der Eigentümer Fortum beim Verkauf des Deutschlandgeschäfts einen schlanken Fuß machen würde.

EU-Plan für möglichen Gasnotstand

Insider in Berlin berichten, dass dem Bund eine finanzielle Beteiligung von Fortum wichtig ist. Der Eigentümer solle in die Pflicht genommen werden, sagen Beteiligte. Es könne nicht sein, dass der deutsche Staat das Deutschlandgeschäft von Uniper übernehme und der finnische Staat dann aus der Verantwortung gelassen werde. Aus diesem Grund erscheint eine stille Beteiligung des Bundes von rund 25 Prozent als wahrscheinlicher. Es wäre das Modell Lufthansa. Im Sommer 2020 war der deutsche Staat mit 20 Prozent und einer milliardenschweren Finanzspritze bei der Frankfurter Airline eingestiegen, um das Unternehmen wegen der Pandemie vor der Insolvenz zu schützen. Inzwischen ist der Staat wieder raus aus der Lufthansa.

Für den finnischen Energiekonzern Fortum wäre ein Einstieg Deutschlands bei Uniper die zweitbeste Lösung. Zwar lässt er ausrichten, dass man zusammen mit der Bundesregierung „alle Optionen ins Auge“ fasse, um Uniper kurzfristig finanziell zu stabilisieren und eine langfristig tragfähige Lösung für das Unternehmen zu finden. Gleichwohl gibt es in Finnland eine Präferenz: „Wir glauben, dass eine Neuordnung des Geschäftsportfolios von Uniper, also eine Bündelung der systemkritischen deutschen Geschäftsbereiche, die akuten Probleme langfristig am besten lösen kann“, heißt es auf Anfrage. Soll heißen: Das Deutschlandgeschäft würde abgespalten, der deutsche Staat übernähme die „Bad Bank“.

Es sei gut möglich, dass die Bundesregierung erste Eckpunkte noch vor dem Wochenende veröffentlichen werde, um ein Stützungs-Signal an die Ratingagenturen zu schicken, die die Kreditwürdigkeit von Uniper neu bewerten wollten, heißt es in Berlin. Das Rating im Energiegeschäft sei „von entscheidender Bedeutung“, sagt Fortum, dies müsse daher schnellstmöglich „gesichert sein“. Die Sache mit dem Rating dürfte die Rettungsaktion daher deutlich beschleunigen. Man wolle sich zwar genügend Zeit lassen, um eine tragfähige Lösung zu finden. Sollte aber ein Downgrade auf Ramschniveau drohen, wäre Berlin wohl bereit, sofort einzusteigen. Man wolle, so sagen Insider, einen „Lehman-Effekt“ in der Industrie vermeiden. Ein schlechtes Rating hätte automatisch höhere Refinanzierungskosten zur Folge. Uniper wäre gezwungen, diese Kosten an seine Kunden weiterzugeben. Ohnehin wäre fraglich, ob Uniper sich überhaupt noch am Kapitalmarkt refinanzieren könnte. 

Klar ist den Beteiligten auch, dass sich nicht nur der Staat und Fortum an einer Rettungsaktion beteiligen sollen. Im Hintergrund arbeitet die Bundesregierung bereits daran, dass Gaskunden einen Anteil in Form höherer Preise leisten sollen. Bislang ist Uniper an die langlaufenden Lieferverträge mit den Kunden wie etwa den Stadtwerken gebunden. Das heißt: Die Stadtwerke beziehen das Gas von Uniper zu einem Preis, der vor einem Jahr oder noch früher vereinbart wurde. Da Uniper nicht mehr genügend billiges Gas aus Russland bekommt und teuer nachkaufen muss, liefert Uniper Gas mit hohen Verlusten weiter. 

Das Energiesicherungsgesetz sieht nun vor, dass eine Preisweitergabe unter bestimmten Bedingungen möglich werden soll. Ein Papier aus dem Wirtschaftsministerium, aus dem das „Handelsblatt“ zitiert, sieht eine Preisweitergabe vor, „um die täglich auflaufenden Verluste aus Ersatzbeschaffung zu stoppen“. Regierungskreise rechneten offenbar damit, dass dabei das Umlageverfahren und nicht die Preisanpassungsklausel gezogen werde. Mit der Umlage würden die gestiegenen Kosten an alle Verbraucher weitergegeben.

Großaktionär des Brokers Flatex „Ich habe möglicherweise zu lange zugesehen“

Der Unternehmer Bernd Förtsch ist Großaktionär von Deutschlands wichtigstem Broker Flatexdegiro: In beispielloser Offenheit seziert er jetzt die Fehler des Konzerns. Und kündigt Konsequenzen für den Vorstandschef an.

Goldhandel Bekommt das Finanzamt von meinem Goldverkauf etwas mit?

Ein Anleger fragt sich, ob er Gold auch steuerfrei verkaufen kann, wenn er keinen Nachweis zum Kauf hat. Würde das Finanzamt überhaupt etwas mitbekommen, wenn er einen Verkauf nicht meldet?

Energetische Sanierung So sanieren Eigentümer ihr Haus besonders schnell und günstig

Jedes dritte Haus in Deutschland müsste saniert werden. Mit neuen und pragmatischen Konzepten ginge es schneller und günstiger.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Einige Stadtwerke als Hauptkunden von Uniper dürften aufatmen. Sie hatten bereits gewarnt, dass die Weitergabe von hohen Preisen zu einer existenzgefährdenden Situation führen könne. „Die Stadtwerke haben aktuell eine Rechnungsausfallquote von unter einem Prozent“, sagte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen, der WirtschaftsWoche. „Sollten die Stadtwerke gezwungen sein, gestiegene Gaspreise weiterzugeben, könnte sich die Zahl – so hören wir von Mitgliedsunternehmen – verzehnfachen.“ Eine Umlage hätte den Vorteil, dass die Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger „abgefedert“ und „besser zeitlich verteilt“ werden könnten.

Lesen Sie auch: Was, wenn Putin uns das Gas doch noch abdreht? Dann sollen schwimmende LNG-Terminals Deutschland retten. Neue Pipeline im Rekordtempo: „Im Dezember wird sie fertig“.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%