Ruhrgebiet Energiewende macht dem Ruhrgebiet zu schaffen

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Die drei großen Entscheider über die Kommunen

Was Verbraucher zahlen
Stromverbraucher finden bei der Zusammensetzung des Strompreises einen Posten namens EEG-Umlage. Sie ist seit dem Jahr 2000 im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verankert, um Ökoenergien zu fördern. Quelle: dpa
Derzeit sind 3,59 Cent je Kilowattstunde zu zahlen. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr sind das für eine Familie Ökoförderkosten von 125 Euro pro Jahr. Gezahlt wird die Differenz zwischen dem Marktpreis, etwa für eine Kilowattstunde Solarstrom, und dem festen Fördersatz. Ein Beispiel: Quelle: dpa
Derzeit bekommt ein Hausbesitzer mit einer Solaranlage auf dem Dach 19,5 Cent pro Kilowattstunde. Wird der Strom an der Strombörse für 7 Cent verkauft, müssen die Verbraucher 12,5 Cent über die EEG-Umlage bezahlen. Quelle: dpa
Die Verwalter des Umlage-Kontos, die Übertragungsnetzbetreiber, berechnen angesichts der Anlagenzahl und Erfahrungswerten beim Wetter die möglichen Förderzahlungen und geben immer zum 15. Oktober eine Umlage für das kommende Jahr an. Verrechnen sie sich, wird das mit der nächsten Umlage korrigiert. Für 2013 werden Steigerungen bei der Umlage vorausgesagt. Quelle: dpa
Diese wären aber nicht primär dem rasant steigenden Anteil erneuerbarer Energien am Strommix (derzeit 20 Prozent) anzulasten. Industrieunternehmen wurden teilweise von Ökoförderkosten befreit, um sie in Deutschland zu halten. Gleiches gilt für Netznutzungskosten. Lasten werden also auf weniger Schultern verteilt. Quelle: dpa
Hinzu kommt eine teure Marktprämie für Besitzer von Wind- und Solarparks, die Strom selbst vermarkten. Und die mögliche Steigerung liegt in der Umlageberechnung begründet. Da immer mehr Solarstrom mittags den Börsenstrompreis senkt, wächst die Differenz zum Fördersatz und damit die Kosten für die Bürger. Der Solarstrom wird so also Opfer des eigenen Erfolges. Quelle: dpa

Der Befund könnte im kommenden Bundestagswahlkampf brisant werden. Denn wenn die Energiewende weiterläuft wie bisher, droht sie ausgerechnet Deutschlands sozialdemokratische Herzkammer zu schädigen, die SPD-Hochburg Ruhrgebiet. Deren Bewohner bezahlen schon jetzt über die Ökostromumlage unterm Strich die Renditen der Solaranlagen auf den Dächern der Eigenheimbesitzer etwa in Bayern. Nun gefährden auch noch ausbleibende Überweisungen der Steinkohlekraftwerke die kommunalen Einnahmen – also die Finanzierung von Schulen, Kitas und Schwimmbädern.

Günstigerer Strom nicht in Aussicht
Das Vergleichsportal Check 24 zählt aktuell 718 Stromanbieter, die ihre Preise im Januar oder Februar des neuen Jahres erhöhen. Für einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 5.000 kWh wird der Strom im Durchschnitt 12,07 Prozent teurer. In den Top-Ten der Grundversorger, die ihre Preise am stärksten erhöhen, befinden sich auf dem zehnten Platz die Stadtwerke Zeil a. Main. Die Kunden müssen hier 17,97 Prozent mehr für ihren Strom bezahlen. Das entspricht bei einem Verbrauch von 5.000 kWh pro Jahr rund 226 Euro mehr als zuvor. Quelle: dpa
Auf dem neunten Platz liegen die Licht-, Kraft- und Wasserwerke Kitzingen GmbH mit einer Differenz von 18,09 Prozent zum alten Preis. Damit verlangt der Versorger 232 Euro mehr für seinen Strom. Quelle: dpa
Die städtischen Werke Borna GmbH befinden sich auf dem achten Platz der Strompreiserhöhungen im neuen Jahr. 18,35 Prozent müssen die Verbraucher mehr bezahlen - das sind 260 Euro mehr als im Vorjahr. Quelle: dpa
Auch in Fürth wird es für Stromkunden teurer: Die infra fürth GmbH verlangt 18,92 Prozent mehr - was 257,50 Euro entspricht. So liegt der Versorger auf Platz sieben. Quelle: dpa
Auf dem sechsten Platz befindet sich die EMB Energieversorgung Miltenberg-Bürgstadt GmbH & Co. KG mit einer Preiserhöhung von 19,05 Prozent. Hier müssen Verbraucher 236 Euro auf den alten Preis draufzahlen. Quelle: dpa
Den fünften Platz erreichen die Stadtwerke Borken/Westf. GmbH. Der Grundversorger hat seine Preise um 19,12 Prozent erhöht, was für den Verbraucher bedeutet, dass er 232 Euro mehr zahlen muss als zuvor. Quelle: dapd
Mit einer Erhöhung um 19,13 Prozent liegen die Stadtwerke Straubing Strom und Gas GmbH auf Platz vier. Hier muss der Verbraucher bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh 230,50 Euro zusätzlich zahlen. Quelle: dpa

Im Kern sind es drei große Player, die über das Wohlergehen wichtiger Kommunen im Pott entscheiden:

  • An erster Stelle steht der Essener Energiekonzern RWE, dessen Kraftwerkspark durch die Ökostrommassen so eingeschränkt läuft, dass von 15 Milliarden Euro der jüngeren Investitionen derzeit zwei Drittel brachliegen. An RWE halten Kommunen in Nordrhein-Westfalen 25 Prozent, darunter die Städte Dortmund, Essen, Duisburg und Gelsenkirchen.
  • An zweiter Stelle rangiert Trianel. Der Kunstname steht für einen Verbund von Stadtwerken wie Bochum, Unna und Lünen. Trianel tut sich schwer, etwa in Lünen wie geplant ein Steinkohlekraftwerk ans Netz zu bringen.
  • Dritter im Bunde ist die Essener Steag, die mit der Unterauslastung mehrerer Steinkohlekraftwerke zu kämpfen hat. Eigentümer sind zu 49 Prozent der Essener Mischkonzern Evonik und zu 51 Prozent die Stadtwerke von Bochum, Dortmund, Essen, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken.

Schlag gegen die Kämmerer

Noch können die Kommunen die schwache Auslastung der Steinkohlekraftwerke und den damit verbundenen Einnahmeausfall mit einigen Verrenkungen kaschieren. So fiel bei der Steag 2011 bei 3,1 Milliarden Euro Umsatz zwar nur noch ein Gewinn von fünf Millionen Euro an. Der reichte nicht einmal für die Rückzahlung der Kredite, die die Kommunen 2010 aufgenommen hatten, um Evonik für 650 Millionen Euro 51 Prozent an Steag abzukaufen. Trotzdem musste die neue Tochter auf Druck der Kommunen 109 Millionen Euro Dividende ausschütten. Das funktionierte nur, weil die Steag an die Reserven ging und Rücklagen auflöste.

Doch den Griff in die Steag-Kasse werden die Kämmerer nicht mehr oft wiederholen können. „Spätestens ab 2014 werden die Verluste der Steinkohlekraftwerke voll auf die Gemeindehaushalte durchschlagen“, sagt ein Kommunalpolitiker.

Die Steag ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich die Energiewende mittelfristig in die Stadtsäckel im Ruhrgebiet frisst. Viele ihrer neun Steinkohlekraftwerke produzierten 2012 nur 1000 bis 2000 Stunden Strom.

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