
Die Gruga-Halle in Essen hat schon so manches gesehen, von Udo Jürgens bis Madonna. Am Donnerstag kommen wieder die Schwergewichte der deutschen Energiewirtschaft zusammen, um vor den Aktionären des zweitgrößten deutschen Versorgers Rechenschaft abzulegen über das vergangene Energiejahr – es war ein annus horribilis, das Jahr von Fukushima, der Energiewende und der Abschaltung von acht Kernkraftwerken, denen bis 2022 neun weitere folgen werden. Der vorgezogene Atomausstieg hat die einst mächtige und vor Selbstbewusstsein strotzende Branche seelisch und betriebswirtschaftlich in die Knie gezwungen.
Großmanns Bilanz 2007-2012
Am 1. Oktober 2007 trat Jürgen Großmann sein Amt bei RWE an, seither hat die RWE-Aktie mehr als 55 Prozent an Wert verloren. Großmann selbst kaufte seine ersten Aktien zu einem Kurs von 87,09 Euro - derzeit notiert sie noch 34 Euro. Ich höchsten Kurs erreichte sie am 7.1.2008 bei 100,31 Euro.
2010 legte RWE ein Rekordergebnis von 10,3 Milliarden Euro hin (Ebitda). 2011 sackte der Wert um 17,5 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro ab. Nur sieben Prozent mehr als Großmann bei seiner ersten Bilanz 2007 präsentierte. Das Nettoergebnis stürzte 2011 um 45,5 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro ab. Das sind 23 Prozent weniger als 2007.
2007 - zum Amtsantritt Großmanns - setzte der Energieriese 42,5 Milliarden Euro um, 2010 waren es stattliche 53,5 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr ging der Umsatz um 3,1 Prozent auf 51,7 Milliarden zurück.
2007 betrug die Eigenkapitalrendite 20,1 Prozent - 2011 lag sie bei 12,6 Prozent. Die Umsatzrentabilität sank von 16 Prozent im Jahr 2007 auf 8,3 Prozent im Jahr 2011.
In Großmanns Amtszeit haben sich die Nettoschulden deutlich erhöht. Lagen sie 2007 noch bei 16,51 Milliarden Euro, betrugen sie zum Jahresende 2011 üppige 29,95 Milliarden Euro.
2011 gibt es zwei Euro je Aktie, im Vorjahr waren es noch 3,50 Euro. Dennoch gehört RWE zu den stärksten Dividendenzahlern im DAX. RWE sagt seinen Aktionären zu, immer 50 bis 60 Prozent des nachhaltigen Nettogewinns auszuschütten.
Bei RWE steht immerhin noch ein Gewinn in den Büchern für 2011, es sind 2,5 Milliarden Euro, ein Rückgang von über 30 Prozent. E.On dagegen meldete einen Verlust in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und EnBW ächzt unter einem Jahresverlust von knapp 900 Millionen Euro. Bei RWE dagegen rettete ausgerechnet die Braunkohle das Geschäft.
„Das Braunkohlegeschäft boomt und ersetzt als grundlastfähige Energie einen Großteil des wegfallenden Atomstroms“, sagt ein RWE-Manager. Die RWE-Aktionäre können sich darüber freuen, dass die Braunkohle wie geschmiert läuft. Zertifikate muss RWE in diesem Jahr noch nur zu 50 Prozent zukaufen, den Rest bekommt das Unternehmen zugeteilt.
Strommix von RWE 2011
2010 waren die AKWs noch die zweitwichtigste Stromquelle, heute beträgt der Anteil der Atomenergie nur noch 17 Prozent am Strommix von RWE.
Die Braunkohle hat RWE im Jahr 2011 gerettet. Der Anteil am Strommix beträgt voll 36 Prozent.
23 Prozent der von RWE erzeugten Strommenge kam in Steinkohlekraftwerken zustande.
In Gaskraftwerken produzierte RWE 19 Prozent seines Stroms.
Anteil an der Gesamtenergieerzeugung des Konzerns: 4 Prozent
Erst ab 2013 muss der Versorger dafür voll bezahlen. Aber auch das wird nicht im Übermaß schmerzen, vermutet ein RWE-Manager, denn die Preise für CO-2-Zertifikate sind niedrig, sie liegen deutlich unter 9 Euro, nach Fukushima rangierte der Preis noch bei 17 Euro.





Bei RWE wird die Braunkohle also intern als Retter gefeiert. Demnächst will das Unternehmen zwei Braunkohleblöcke in Neurath bei Köln in Betrieb nehmen, ein neues Kraftwerk ist im benachbarten Niederaußem in Planung. RWE betreibt rund 50 Prozent der Braunkohle-Kraftwerksleistung in Deutschland. Die andere Hälfte wird von Vattenfall in Ostdeutschland bestritten.
Doch die Braunkohle als Pflaster einer tief verwundeten Energiewirtschaft reicht nicht aus, um die Schmerzen der Energiemanager zu lindern. Zu stark waren sie von der Atomenergie abhängig gewesen, zu bequem war es gewesen, die sicheren Atomgewinne längst abgeschriebener Meiler einfach nur abzuschöpfen. Dasselbe darf mit der Braunkohle nicht auch noch passieren. Ein Ersatz-Ruhekissen für den wegfallenden Atomstrom darf die Braunkohle nicht sein.