Der neue RWE-Chef Rolf Martin Schmitz hält trotz der zunehmenden Kritik von Umweltschützern an den als besonders klimaschädlich geltenden Braunkohlekraftwerken des Konzerns fest. "Die Braunkohle ist und bleibt ein wichtiger Faktor für bezahlbare und sichere Energie", betonte der Manager am Donnerstag auf der Hauptversammlung in Essen. Die Anlagen würden wie auch Steinkohle- oder Gaskraftwerke gebraucht, um den schwankenden Ökostrom abzusichern. Allen Bemühungen zum Trotz werde der Stromverbrauch weiter steigen. "Strom ist ein Wachstumsmarkt."
Auch in Deutschland werde die Stromnachfrage im Verlauf der nächsten drei Jahrzehnte erheblich zunehmen, sagte der 59-Jährige, der RWE seit Oktober vergangenen Jahres führt. Insbesondere die fortschreitende Elektrifizierung industrieller Prozesse, der Wärmeversorgung und des Verkehrs trieben den Verbrauch voran. "Wir sind auf dem Weg zu einer 'All Electric Society', zu einer Welt, in der ohne Strom nichts geht." Und dieser Strom werde auch in Deutschland überwiegend durch konventionelle Kraftwerke wie Kohle- und Gaskraftwerke erzeugt, fügte Schmitz hinzu. 2016 seien es 70 Prozent gewesen. Er sei sicher, dass auch in Deutschland früher oder später in einem so genannten Kapazitätsmarkt die bloße Bereitstellung von Kraftwerken vergütet werde.
Keine Entwarnung bei Strom und Großhandelspreisen
Nach den Einbußen durch die Energiewende und einem Rekordverlust von 5,7 Milliarden Euro 2016 muss Schmitz für den vor 119 Jahren gegründeten Versorger eine Strategie für die Zukunft finden. Die Branche um RWE, E.ON & Co leidet seit Jahren unter den stark gefallenen Strom-Großhandelspreisen. Zwar seien diese zuletzt etwas gestiegen, sagte Schmitz. Sie seien aber so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. "Zur Entwarnung besteht also kein Anlass.
Vor der Grugahalle demonstrierten Umweltschützer gegen die Strategie von RWE. "Wald statt Kohle", "Raus aus RWE" und "Zeigt RWE die Rote Karte" stand auf den Plakaten. In der Halle musste Schmitz seine Rede kurz unterbrechen, nachdem mehrere Demonstranten mit Zwischenrufen durch den Saal gestürmt waren. RWE will noch bis Mitte des Jahrhunderts Braunkohle im Tagebau fördern und in seinen Kraftwerken verfeuern. Umweltschützer fordern hingegen aus einen Ausstieg binnen weniger Jahre. Bei der Braunkohleverstromung entsteht besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid.
Aktionäre zweifeln an Strategie
Neben den Kraftwerken und dem Energiehandel will RWE auch von Gewinnausschüttungen der Ökostromtochter Innogy profitieren, an der der Konzern noch 76,8 Prozent hält. RWE habe eine "schöne Tochter", sagte Schmitz. "Wir gehen davon aus, dass sie weiterhin stabile und steigende Dividenden ausschüttet." Für 2016 hatte Innogy rund 680 Millionen Euro an die Mutter ausgezahlt. Schmitz bekräftigte, dass die Stammaktionäre von RWE nach dem zweimaligen Ausfall der Dividende für 2017 50 Cent je Aktie erhalten sollen und in den Folgejahren mindestens so viel.
Die Börsengänge der Töchter von Eon und RWE
Die von der Energiewende gebeutelten Energieriesen Eon und RWE treiben ihre Konzernumbauten voran. Eon hat die Kraftwerkstochter Uniper im September an die Börse gebracht, RWE brachte das Ökostromgeschäft Innogy im Oktober an den Aktienmarkt.
Die Eon-Tochter Uniper hat ihren Sitz in Düsseldorf, beschäftigt knapp 14.000 Mitarbeiter und erzielte nach Konzernangaben 2015 auf Pro-Forma-Basis ein Ebit von 0,8 Milliarden Euro und einen Nettoverlust von rund vier Milliarden Euro. Chef ist der ehemalige Eon-Finanzvorstand Klaus Schäfer.
Die RWE-Tochter Innogy hat ihren Sitz in Essen, beschäftigt knapp 40.000 Mitarbeiter und erzielte rein rechnerisch nach RWE-Angaben 2015 einen operativen Gewinn (Ebitda) von 4,5 Milliarden Euro und einen Nettoergebnis von 1,6 Milliarden Euro. Geführt wird das Unternehmen von RWE-Chef Peter Terium, der nach dem Börsengang den Chefposten des Mutterkonzerns abgegeben hat.
Uniper betreibt Kohle- und Gaskraftwerke in Europa und Russland mit rund 40 Gigawattt. Hinzu kommen Wasser- und Atomkraftwerke in Schweden sowie der Energiehandel.
RWE Innogy bündelt das Geschäft mit Ökostrom, Strom- und Gasnetzen sowie den Vertrieb von Strom und Gas.
Eon hat im Zuge eines Spin-Offs 53 Prozent der Uniper-Anteile an die Börse gebracht und sie den eigenen Aktionären ins Depot gelegt. Einnahmen erzielt der Konzern dabei zunächst nicht. Eon will allerdings mittelfristig die restlichen Aktien versilbern, allerdings nicht vor 2018.
RWE und die neue Tochter Innogy brachten zunächst 23 Prozent der Anteile an die Börse. Später könnten weitere Anteile verkauft werden, RWE will aber die Mehrheit behalten.
Uniper und Innogy geben keine konkrete Geschäftsprognosen. Beide könnten aber bereits für 2016 eine Dividende ausschütten. Uniper steht von Beginn unter Druck. Der Konzern will bis 2018 Beteiligungen im Wert von mindestens zwei Milliarden Euro verkaufen und die Personalkosten senken.
Innogy erwartet stabile Geschäfte, da der größte Teil der Einnahmen, etwa für den Betrieb der Strom- und Gasnetze staatlich reguliert ist. Das Unternehmen peilt eine Dividende von 70 bis 80 Prozent des bereinigten Nettogewinns an.
Bei den Aktionären wurden Zweifel laut, ob die jetzige Strategie ausreicht. "RWE hat eine reiche Tochter und lebt selbst in Tristesse", sagte Winfried Mathes von Deka Investment. Der neue RWE-Slogan "Zukunft. Sicher. Machen" dürfe nicht nur auf die Sicherheit der Energieversorgung abzielen, sondern müsse auch für die Perspektive von RWE selbst gelten. "Sich allein auf Strompreiserhöhungen durch die Abschaltung der Atomkraftwerke und altersschwache konventionelle Kraftwerke zu verlassen oder auf die Einführung eines Kapazitätsmarktes in Deutschland zu hoffen, ist zu wenig."
"RWE nach wie vor der größte Kohlendioxid-Emittent in Europa – ein trauriger Negativrekord", kritisierte Union-Investment-Portfoliomanager Thomas Deser. Er forderte Schmitz auf, die Zahlungen von Innogy nicht zu verschleudern. "Halten Sie das Geld zusammen, Herr Schmitz, nach dem Atomausstieg muss perspektivisch auch der Kohleausstieg finanziert werden."