RWE Tiefe Gräben zwischen "alter" RWE und neuer Tochter

RWE-Boss Peter Terium präsentiert die Bilanz: Verluste, Stellenabbau, Krach mit den Kommunen und wütende Anleger stehen im Fokus. Terium hinterlässt seinem Nachfolger immer mehr Baustellen.

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Peter Terium. Quelle: dpa

Am liebsten flieht Peter Terium ins Silicon Valley. Dort, weit weg von der Essener Konzernzentrale, ist nicht nur viel besseres Wetter als in der Ruhrgebietsstadt. Im US-Sonnenstaat lädt sich der RWE-Chef gern sein Akku mit neuen Ideen, mit Optimismus und vor allem mit guter Laune auf. Das kann er gut gebrauchen. Denn kaum ist der Top-Manager nach seinem Kurztrip Anfang des Jahres wieder in der Zentrale in Essen gelandet, da war schon wieder Schluss mit lustig.

Die Baustellen im angeschlagenen Energiekonzern werden und werden nicht weniger. Mit der geplanten Aufspaltung des Unternehmens in eine „grüne“ Tochter und eine „alte“ RWE-AG, tun sich viele neue Konflikte auf. Auf der Hauptversammlung am 20. April soll über die Aufspaltung in zwei Teile entschieden werden.

In der „NewCo“ will RWE die Geschäfte mit Ökostrom, Netzen und das Vertriebsgeschäft bündeln. Zunächst sollen dieses Jahr noch zehn Prozent an die Börse, danach 25 Prozent oder mehr.

Die Problemfelder Kohle-, Gas- und Atomkraftwerke sowie das Handelsgeschäft bleiben bei der RWE AG. Aber wie verteilt Terium auf die beiden Unternehmensteile die derzeitigen Vermögenswerte und vor allem die Schulden? Wo landen die RWE-Anleihen? Wie soll die RWE AG die Atom-Altlasten finanzieren, wenn das Geschäft mit der konventionellen Stromproduktion aus Kohle und Gas kaum noch Gewinne abwirft?

Was bleibt von RWE?

In einen Atom-Fonds soll RWE einen zweistelligen Milliardenbetrag einzahlen, um die Finanzierung der Endlagerung des Atom-Mülls zu sichern. Das schlägt die Expertenkommission der Bundesregierung unter der Leitung von Ex-Umweltminister Jürgen Trittin vor.

Dazu kommt: Jetzt hat IG BCE-Chef Michael Vassiliadis auch noch einen Braunkohle-Fonds gefordert. In den sollen alle Gewinne aus der Stromerzeugung mit dem fossilen Sedimentgestein fließen, um sie dann nutzen zu können, wenn auch die Braunkohlemeiler wegen fallender Strompreise keine Gewinne mehr erwirtschaften. Halleluja, muss da RWE-Chef Terium geseufzt haben.

Was bleibt dann eigentlich noch übrig in der „alten“ RWE? Das Handelsgeschäft allein wird nicht reichen. Schon jetzt ist also klar, dass die NewCo – so der Arbeitsname der neuen Tochter – die größere und wertvollere Gesellschaft sein wird. Welcher RWE-Mitarbeiter will da noch bei der alten RWE bleiben? Intern werden die Gräben zwischen den „Erneuerbaren“ und den alten Kraftwerkern wohl eher größer als kleiner.

Klar ist aber auch: Mit der Aufspaltung des Konzerns in zwei Teile hat RWE noch kein neues Geschäftsmodell gefunden. Mit welchen Produkten und Dienstleistungen will der Essener Energiekonzern zukünftig wieder aus den roten Zahlen kommen?

RWEs kommunale Anteilseigner sind sauer

Die Kommunalen Aktionäre, die immerhin einen Anteil von 25 Prozent am Konzern halten, kochen vor Wut. Im Aufsichtsrat in der vergangenen Woche trugen sie zwar den Vorschlag des RWE-Vorstandes mit, im Geschäftsjahr 2015 nicht einen Cent an die Anteilseigner auszuschütten. Es wäre auch gegen jede ökonomische Vernunft, wenn ein börsennotierter Konzern an seine Aktionäre eine Dividende zahlt, obwohl er massive Verluste macht und die Dividendenzahlungen nur noch mit der Aufnahme von Fremdkapital finanzieren kann.

Sauer sind die kommunalen Anteilseigner trotzdem. Denn der Ton macht die Musik. Und den trifft Terium mit den wichtigen kommunalen Aktionären immer seltener. Die wären ganz einfach vor der Entscheidung über die geplante Dividendenkürzung angehört worden.

Nun prüfen sie, ob sie dem Konzernboss auf der RWE-Hauptversammlung am 20. April die Entlastung verweigern. Die Streichung der RWE-Dividende trifft vor allem Städte wie Dortmund, Essen, Mülheim sowie den Kreis Kleve und den Rhein-Sieg-Kreis. Für Dortmund und Essen fallen zweistelligen Millionenbeträge weg.

"Das war unglaublich vertrauenszerstörend"
Bei RWE rumort es gewaltig hinter den Kulissen: Angesichts der Krise des Energiekonzerns trommeln die Kommunen vor der Aufsichtsratssitzung am Freitag für Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller als künftigen Chefaufseher. Er soll mit seinen politischen Kontakten das Ruder herumreißen. Amtsinhaber Manfred Schneider kämpft dagegen offenbar für den Ex-SAP-Finanzvorstand Werner Brandt als seinen Nachfolger. Bei der Herbstsitzung des Aufsichtsrats in Essen könnten die Weichen gestellt werden, offiziell gewählt wird im kommenden Frühjahr. Bei der Sitzung muss RWE-Chef Peter Terium außerdem den weiter dramatisch fallenden Aktienkurs erklären und Ängste vor weiteren Dividendenkürzungen zerstreuen. Es schaut nicht gut aus für den Energieriesen – die Krise von RWE in Zitaten. Quelle: dpa
„Das Unternehmen geht durch ein Tal der Tränen.“ (RWE-Chef Peter Terium bei der Quartalsbilanz im November 2013) Quelle: dpa
„Die niedrigen Strompreise hinterlassen ihre Blutspuren in unserer Bilanz.“ (RWE-Finanzvorstand Bernhard Günther, im Mai 2014) Quelle: Presse
„Das Tal der Tränen ist also noch nicht durchschritten.“ (RWE-Chef Peter Terium bei der Jahresbilanz im März 2015) Quelle: dpa
„RWE muss sich gesundschrumpfen und braucht an der Spitze keinen Visionär, sondern einen Sanierer.“ (Fondsmanager Ingo Speich bei der Hauptversammlung im April 2014) Quelle: Presse
„Womit verdient RWE in fünf Jahren sein Geld – das ist die Gretchenfrage.“ (Aktionärsvertreter Marc Tüngler bei derselben Hauptversammlung) Quelle: dpa
„Unabhängig von Länder- und Spartengrenzen: Es geht ums Überleben.“ (RWE-Kraftwerkschef Matthias Hartung im Juli 2015) Quelle: dpa

Weitere Tausende Jobs bei RWE in Gefahr

Statt mit den Kommunen Zeit zu verschwenden, eilte Terium auf die britische Insel. Dort war Ende Februar in Oxfordshire ein stillgelegtes Kohlekraftwerk des Konzerns explodiert. Aus bisher noch ungeklärter Ursache sind Teile des Gebäudes umgestürzt. Ein Mitarbeiter kam zu Tode, vier weitere sind schwer verletzt worden.

Auf der britischen Insel kämpft RWE sowieso schon mit Problemen: In 2015 verbuchte RWE einen Verlust von 200 Millionen Euro, wie das Unternehmen schon vor der Präsentation der Bilanz vor knapp zwei Wochen mitteilte. Einen großen Teil dazu trug die britische Tochter npower bei: Sie fuhr im vergangenen Geschäftsjahr einen Betriebsverlust von 137 Millionen Euro ein und trug somit zu dem Nettoverlust von 170 Millionen Euro des Gesamtkonzerns bei. Das Unternehmen verlor im vergangenen Jahr rund 200.000 Strom- und Gaskunden an die Konkurrenz. Bei der britischen RWE-Tochter sollen nun bis zu 2400 Jobs gestrichen werden.

Auch im Gesamtkonzern ist die letzte Sparrunde noch nicht vorbei. Langfristig sollen insgesamt bis zu 5000 Jobs bei RWE bedroht sein, heißt es aus Konzernkreisen. Was Terium da in diesem Jahr wohl noch an neuen „Effizienzprogrammen“ plant? Bis 2018 will er die Kosten um weitere 500 Millionen Euro drücken.

Einen Lichtblick hat Terium: Die Bilanz des RWE-Konzerns präsentieren, das ist für den Top-Manager am Dienstag wohl das letzte Mal. Zukünftig wird das Noch-Vize-Chef Rolf Martin Schmitz übernehmen. Der wird Ende des Jahres nicht nur Chef der Problemfelder Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke, sondern auch das Ruder an der Konzernspitze übernehmen.

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