Dass der Chef eines Dax-Konzerns Medien und Analysten schlechte Zahlen präsentieren muss, kommt regelmäßig vor. Was sich aber Mitte Juli bei RWE zutrug, hat Seltenheitswert: Vorstandschef Peter Terium musste öffentlich Gerüchte um eine mögliche Pleite des Energiekonzerns zurückweisen.
„Wir haben etliche Milliarden Euro in der Kasse, unter anderem erzielt aus dem Verkauf der Gasförderfirma Dea. Unser Geschäft ist bis zum Ende des Jahrzehntes durchfinanziert – da brennt nichts an“, sagte der Manager der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Entscheidend für die Bonität sei vor allem die Liquidität. Damit habe RWE keine Probleme. „Über unsere bestehenden Anleihen bekommen wir zudem Geld zu sehr verträglichen Zinssätzen.“
Zwar vermeidet Terium zu Recht Schlagworte wie Zahlungsunfähigkeit, Insolvenz oder Liquiditätsengpass – doch das Dementi alleine macht klar: Die Essener stehen angesichts hoher Schulden, Milliardenkosten für den Atomausstieg und des Strompreis-Verfalls kräftig unter Druck.
Der Ausblick für Innogy
Erwartetes Ebitda für 2016: 2,5 bis 2,7 Milliarden Euro
Quelle: RWE
Erwartetes Ebitda für 2016: 1,0 bis 1,2 Milliarden Euro
Erwartetes Ebitda für 2016: 0,6 bis 0,8 Milliarden Euro
Erwartetes Ebitda für 2016: 4,1 bis 4,4 Milliarden Euro
Natürlich hat Terium einen Lösungsansatz. Sein Plan ist die Spaltung des Energieriesen in die „alte“ RWE mit Atomstrom und Braunkohlekraftwerken und die „neue“ Innogy, die für Erneuerbare Energien und die Netze zuständig ist. Beide Unternehmen agieren bereits getrennt voneinander. Im vierten Quartal sollen zehn Prozent von Innogy per Kapitalerhöhung an die Börse gebracht werden – bislang hält RWE alle Anteile.
Innogy ist von Netzentgelten abhängig
Doch der Gegenwind für diesen Plan nimmt zu: Heute ist Innogy von den Netzentgelten abhängig – und deren Höhe hat der Konzern nicht selbst in der Hand. Werden diese, wie es sich laut einem Bericht des „Spiegel“ andeutet, bei der Neuansetzung 2018 deutlich sinken, brechen der Ökostrom-Tochter große Teile der staatlich garantierten Einnahmen weg. Einnahmen, die wegen der festgesetzten Netzentgelte schon mit einkalkuliert waren. Ganz so weit wie E.On, wo sich bereits vor dem Börsengang der Tochter Uniper Milliarden-Abschreibungen notwendig sind, ist RWE aber noch nicht.
Die Erneuerbaren Energien, die eigentlich den Kern von Innogy bilden sollen, machen bislang nur einen kleinen Teil des Geschäfts aus. Der Konzern selbst rechnet hier für das laufende Jahr mit einem Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von 600 bis 800 Millionen Euro. Den Löwenanteil (2,5 bis 2,7 Milliarden Euro) erwartet RWE aus dem Betrieb der Netze. Und genau da könnte die Achillesferse liegen.
Noch sind die Netzgebühren nicht gesunken, aber die Entscheidung schwebt wie ein Damokles-Schwert über der Essener Konzernzentrale: Legt das Geschäft mit den Erneuerbaren nicht sprunghaft zu, drohen bei sinkenden Netzentgelten Teriums Hoffnungen in Innogy zu verpuffen.
Denn bereits heute ist der Konzern stark von seiner Ökostromtochter abhängig. Für das laufende Jahr rechnet RWE mit einem Ebitda von 5,2 bis 5,5 Milliarden Euro (Vorjahr 7 Milliarden Euro). Davon sollen aber 4,1 bis 4,4 Milliarden Euro von Innogy kommen, Tendenz für 2017 steigend. Die „alte“ RWE steuert beim Ebitda nur noch rund ein Fünftel zu. Und beide Konzernteile sind auf die Politik angewiesen – mit Ökostromförderung und den Netzentgelten auf der einen und der genauen Ausgestaltung der Atom-Kosten auf der anderen Seite.