Schwimmende Photovoltaik Energiewende auf dem Wasser

Schwimmende Solaranlagen auf dem niederländischen Sekdoorn-See bei Zwolle. Quelle: BayWa r.e.

Schwimmende Solarparks sind effektiv und platzsparend. Sie könnten geflutete Braunkohletagebauten in Photovoltaikparks verwandeln. Verhelfen Fördermittel der Technik zum Durchbruch? Ein Besuch im niederländischen Zwolle.

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Kalter Wind zieht über einen Baggersee bei Zwolle, einer 127.000-Einwohner-Stadt nahe des Ijsselmeeres. An manchen Stellen bricht Sonne durch die Wolkendecke und scheint auf Container, Paletten und am Ufer stehende Konstruktionsmaterialien. Außer ein paar alten Bauernhäusern und Fabrikhallen gibt es hier nur die Baustelle. Arbeiter in neongelben Warnwesten dirigieren piepende Fahrzeuge und laden Fracht am Seeufer ab. Ringsum türmen sich Kiesberge auf, die der Seebesitzer offenbar aus dem Gewässer gehoben hat. Auf der Oberfläche prangt die zweitgrößte schwimmende Solaranlage Europas: Mit einer Fläche von zehn Hektar bedeckt sie rund zwanzig Prozent des Sees.

„Nicht die Größe ist entscheidend, sondern Haltbarkeit und Qualität. Mal hat man die größte Anlage und dann wieder nicht“, sagt Edgar Gimbel, der technische Direktor von Baywa r.e. Die Tochter des Münchner Mischkonzerns Baywa AG hat bereits zwei schwimmende Solarparks in den Niederlanden installiert und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von rund 1,5 Milliarden Euro. Gimbel steht in einer neongelben Baustellenjacke und festen Schuhen am matschigen Ufer des Baggersees und erklärt einer Gruppe fotografierender Journalisten die Funktion des Photovoltaiksystems.

Die Struktur der Anlage auf dem Wasser sei im Prinzip die gleiche wie auf dem Land – man nutze den photovoltaischen Effekt. Gimbel gibt sich keine Mühe, seine Begeisterung für das Projekt zurückzuhalten: „Sehen Sie sich das an“, ruft er, „alles auf einer Höhe, alles auf einer Linie. Und das auf einem schwimmenden System.“ Die Verbindungen der Anlage seien flexibel genug, um bei Wellen im Falle eines Sturms nicht zu brechen, aber gleichzeitig stabil genug, um starkem Wind standzuhalten. Das gesamte System wird von einer Art Netz zusammengehalten, das an Ankern befestigt ist, die an Land in 40 Metern Tiefe eingegraben werden. „Mit dieser Struktur können wir unsere Photovoltaikanlagen beliebig groß bauen“, sagt Gimbel stolz.

Obwohl der Bau der Anlage an diesem Tag nach rund zwei Monaten Bauzeit fertiggestellt wird, ist von Feierstimmung nichts zu spüren. Es wird kaum gesprochen, die Arbeiter scheinen genau zu wissen, was sie zu tun haben. In kleinen Gruppen bauen sie Gerüste zusammen, andere schrauben die Solarpanels darauf. Ein weiteres Team lässt die Konstruktion zu Wasser, dann bringen zwei Arbeiter sie mit einem Boot in Position. Das alles geschieht in Windeseile. Pro Tag werden über 100 dieser Konstruktionen mit einer Gesamtleistung von rund einem halben Megawatt an die Anlage angeschlossen.

Die verbauten Teile kommen aus aller Welt: Solarpanels aus China, Stahl aus Bonn, weitere Teile aus Basel. Sowohl namhafte Unternehmen wie Siemens oder Huawei als auch mittelständische Firmen wie der Stahlbauer Zimmermann aus Eberhardzell in Baden-Württemberg stellen Teile für die Anlagen her. Insgesamt besteht der schwimmende Solarpark aus fast 40.000 Solar-Modulen mit einer Gesamtleistung von 14,5 Megawatt. Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) kann die Anlage damit den jährlichen Stromverbrauch von 4350 durchschnittlichen Haushalte decken.

Mehr Leistung bei weniger Flächenverbrauch

Die Zahl der schwimmenden Solaranlagen nimmt weltweit zu, denn gegenüber herkömmlichen Photovoltaikanlagen bietet die Installation auf dem Wasser einige Vorteile. Einerseits können Flächen genutzt werden, die ansonsten unbrauchbar wären. Vor allem produzieren schwimmende Anlagen aber durch den Kühleffekt des Gewässers im Vergleich etwa zwei Prozent mehr Strom. Dem gegenüber stehen höhere Kosten für die Installation der Solarparks.

Die meisten dieser Anlagen befinden sich aktuell in Asien, aber auch in Europa werden mehr und mehr gebaut. „Schwimmende Photovoltaik dürfte künftig insbesondere in Ländern mit einer hohen Bevölkerungsdichte und vielen Wasserflächen an Bedeutung gewinnen“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW. Dazu zähle vor allem Großbritannien mit den europaweit meisten schwimmenden Photovoltaikanlagen, aber auch die Niederlande. Während in Deutschland gerade die ersten größeren Pilotanlagen in Betrieb gehen, werden im kleinen Nachbarland bereits Großprojekte realisiert.

Das größte System in den Niederlanden wird aktuell von Baywa r.e. installiert. Solarparks baut der Projektentwickler und Händler für Anlagen in der regenerativen Energiebranche bereits seit zehn Jahren – das Konzept für ein schwimmendes System bietet er allerding erst seit vergangenem Jahr an. Normalerweise sei das Unternehmen Systemintegrator und kein Hersteller, würde also nichts selbst bauen, sagt Baywa-Solar-Geschäftsführer Benedikt Ortmann. Die auf dem Markt verfügbaren Modelle hätten den Ansprüchen des Energieunternehmens jedoch nicht genügt. Deshalb mache das Unternehmen bei den schwimmenden Solarparks eine Ausnahme: „Wir haben das System selbst designt, produzieren es selbst und verkaufen es dann weiter“, erklärt Ortmann sein Geschäftsmodell.

Die neuen Solarparks des Unternehmens werden ausschließlich in Süßwasser installiert. Auf offenem Meer würde sich der Bau wegen der schwierigen Bedingungen finanziell nicht lohnen, sagt Ortmann. Vor allem die Kosten für die Netzanbindung und Wartung der Anlagen lägen höher als auf Binnengewässern. Zudem gäbe es genügend ungenutzte Seen, die man für diese Form der Photovoltaik nutzen könnte. Laut einer Studie der Worldbank Group (WBG) besteht bei konservativer Betrachtung für die Solarindustrie ein weltweites Potential von 400 Gigawatt allein auf künstlichen Wasseroberflächen. Für Europa errechnete die WBG ein Energiepotential von mehr als 20 Gigawatt. Zum Vergleich: Das Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern hat eine Leistung von 1,4 Gigawatt.

Die Branche schöpft das theoretische Potential allerdings bei weitem nicht aus: Nach Angaben des BSW haben die 30 größten europäischen Wasserphotovoltaikanlagen aktuell nur eine Gesamtleistung von 16,1 Megawatt. Damit könnte man etwa 4800 Haushalte jährlich mit Strom versorgen – kaum mehr als mit der Solarenergieanlage in Zwolle. Laut Ortmann liegt der spärliche Ausbau vor allem an den hohen Kosten: „In der Theorie klingt das gut, aber in der Realität haben wir zu hohe System- und zu niedrige Energiepreise.“

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