Schwimmende Photovoltaik Energiewende auf dem Wasser

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Schwimmende Photovoltaik ist aktuell nur mit Fördermitteln rentabel

Bisher hätten schwimmende Systeme wegen der hohen Kosten in Europa keinen Anklang gefunden, doziert Ortmann. Die Installationskosten liegen laut dem Unternehmer 20 bis 25 Prozent höher als bei herkömmlichen Solaranlagen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland biete dafür keine ausreichende Förderung: „Deshalb sind wir im Bereich Floating-PV nicht in Deutschland aktiv und froh, dass wir hier in Holland beginnen können.“ Ohne ausreichende Subventionen seien schwimmende Solaranlagen derzeit nicht wettbewerbsfähig, zumal es in Europa keine Sondersubventionen für Wasserphotovoltaik gegenüber der auf dem Land gäbe.

Das niederländische Förderprogramm für Erneuerbare-Energie-Projekte SDE+ bietet jedoch offenbar ausreichend Fördermittel für den kosteneffizienten Bau und Betrieb eines schwimmenden Solarsystems. Der Staat hat sich hohe Klimaziele gesteckt: Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 49 Prozent, bis 2050 gar um 95 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Aktuell gehören die Niederlanden noch zu den größten Importeuren deutschen Stroms – nach dem Willen von Wirtschafts- und Klimaminister Eric Wiebes soll sein Land allerdings bald zum Stromexporteur werden. Zu seinen Förderungsmaßnahmen zählt dabei auch die Subvention von Photovoltaikanlagen. „Es ist nicht so, dass man schwimmende Solaranlagen erst jetzt entdeckt hat, aber erst seit SDE+ rechnet sich das in den Niederlanden. Das hat zum großen Boom geführt“, sagt Ortmann.

Zudem dämpft der technische Fortschritt die Kosten: Solarmodule sind in den vergangenen Jahren nicht nur billiger, sondern auch effizienter geworden. Für den Systemintegrator ist aber auch die Installationszeit wichtig: „Noch vor zehn Jahren haben wir wortwörtlich im Dreck gesessen, Kabel geschnitten und sie zwischen Modulen verlegt“, erzählt Ortmann. „Heute wird alles am Computer geplant und man muss die einzelnen Teile nur noch zusammenstecken.“ Dieses Baukastensystem sei zeitsparend und erleichtere die Installation neuer Solaranlagen auf dem Wasser.

Trotz dieser Vorteile, zwei Prozent Mehrleistung und erheblich geringeren Betriebs- und Wartungskosten sei die Installation einer schwimmenden Anlage laut Ortmann aktuell ohne Zuschüsse nicht rentabel. Zwar amortisiert sich die Anlage mit der SDE+ Subvention bereits nach zwölf Jahren, für Ortmann steht jedoch fest: „Wenn wir eine Lebensdauer von mindestens 25 Jahren nicht sicherstellen könnten, wäre Photovoltaik nicht günstiger als andere Energiequellen“, sagt Ortmann.

Die Installation eines Solargenerators sei mit einer hohen Anfangsinvestition verbunden, der Bau des PV-Parks nahe Zwolle kostete mehr als zehn Millionen Euro. Die Stromproduktionskosten lägen dann bei rund 40 Euro pro Megawattstunde in den ersten 20 Jahren. Danach würden sie auf rund zehn Euro pro Megawattstunde sinken, da Anfangsinvestition und laufende Kosten ab diesem Zeitpunkt gedeckt seien. Deshalb haben wir unser eigenes System für schwimmende Photovoltaik entwickelt – je länger die Lebensdauer der Anlage, desto geringer sind die durchschnittlichen Produktionskosten für den Solarstrom“, erklärt Ortmann. Darum sei die Lebensdauer von Photovoltaik sehr wichtig. Laut Gimbel beträgt die Lebensdauer der schwimmenden Anlagen zwischen 35 und 40 Jahre.

Auswirkungen auf Flora und Fauna noch unklar

Laut Gimbel gibt es klare Kriterien, welche Seen für die Installation von Photovoltaikanlagen geeignet sind – natürliche Seen seien tabu, schließlich gebe es genügend künstliche Wasserflächen wie die Kiesgrube nahe Zwolle. Zudem sollte der See nicht für Freizeitaktivitäten genutzt werden, damit beispielsweise Schwimmer sich nicht am Solarpark störten oder ihn beträten. „In der Regel sind die Flächen aber sowieso eingezäunt, weil die Gebiete, in denen wir arbeiten, zum Beispiel erdrutschgefährdet und damit nicht sicher sind“, sagt Gimbel. Und begreiflicherweise müsse der See auch ausreichend Licht bekommen.

„Allerdings wissen wir noch nicht, was so eine Anlage mit Flora und Fauna eines Sees macht“, gesteht Gimbel. Das Unternehmen habe aber Natur- und Umweltschutzstudien bei einem niederländischen Fachgutachterbüro in Auftrag gegeben, um belastbare Daten zu generieren, an denen sich das Unternehmen orientieren könne. Bislang verwende Baywa r.e. lebensmittelechte Kunststoffe, um keine Schäden an den Gewässern zu verursachen.
Inga Römer, Referentin für Naturschutz und Energiewende beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), befürchtet jedoch durch schwimmende Photovoltaikanlagen „allgemein einen negativen Einfluss auf die Ökologie des Sees“. So könnte der Schatten der Anlage die Unterwasserflora- und Fauna verändern und in ihrer Zusammensetzung beeinträchtigen. Feststehende Erkenntnisse gebe es dazu bislang aber noch nicht. Gimbel dagegen behauptet, der Schatten habe gar einen positiven Effekt auf den See, sofern nicht zu viel Fläche beschattet würde: Viele Seen erwärmten sich, was ein zu hohes Wachstum von Algen zur Folge hätte. Gimbel: „Wenn die Algen dann absterben, versauern die Seen.“ Das bestätigt Nabu-Referentin Römer: „Durch die Verschattung heizt sich der Gewässerkörper weniger stark auf. Das Risiko von Algenbildung oder einem Umkippen des Gewässers kann dadurch gemindert werden.“

Eine Lösung sei diese Art der Beschattung dennoch nicht, da sie nur das Symptom und nicht die Ursache behandle, erklärt Römer: „Um wirklich konkrete Aussagen machen zu können, muss man allerdings die Langzeit-Forschungsergebnisse abwarten.“ Aktuell werde besonders im Bereich gefluteter Tagebaue, Kiesgruben und Stauseen zu schwimmenden Solaranlagen geforscht – aus Sicht des Naturschutzes könnten diese Flächen aber wichtig in Bezug auf die Wiederherstellung naturnaher Zustände dieser Gebiete sein.

Braunkohletagebau-Seen bieten großes Potential

Technik-Direktor Gimbel sieht allerdings gerade in stillgelegten Tagebauen und ähnlichen künstlichen Seen in Deutschland geeignete Flächen für schwimmende Solarparks. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat das genaue wirtschaftlich erschließbare Potential zur Stromerzeugung mit Sonnenenergie auf Braunkohletagebau-Seen errechnet. Zwischen drei und zehn Prozent der Seefläche würden bereits eine Stromproduktion von 1,7 bis zu 5,6 Gigawatt ermöglichen, was ungefähr der Leistung von einem bis drei Atomkraftwerken entspricht. Bei der Berechnung des Fraunhofer ISE wurden jedoch weitere nutzbare Flächen, wie beispielsweise Baggerseen, nicht einberechnet, weshalb das Gesamtpotential für schwimmende Solaranlagen sogar deutlich höher liegen dürfte.

Genutzt werden sie allerdings noch nicht: Laut ISE ist die erste schwimmende Solaranlage in Deutschland seit Ende Mai auf einem Baggersee bei Renchen in Baden-Württemberg am Netz. Die Gesamtleistung beträgt 0,75 Megawatt. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, muss Deutschland also noch nachlegen – das ISE rechnet mit „einem Photovoltaikausbau auf Wasser- und Landflächen von circa 500 Gigawatt bis 2050, wenn die Bundesrepublik ihre Klimaziele erreichen will“.


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Sollen in der Bundesrepublik allerdings schwimmende Photovoltaikanlagen gebaut werden, müssten laut den Unternehmern von Baywa r.e. nicht nur die Fördermittel erhöht, sondern auch bürokratische Hürden gesenkt werden. Besonders ein schnelleres Baugenehmigungsverfahren sei wichtig. BSW-Hauptgeschäftsführer Körnig sieht das ähnlich. Das aktuelle Klimaschutzprogramm der Bundesregierung reiche in Bezug auf den Photovoltaikausbau nicht aus: „Zur Vermeidung einer Stromerzeugungslücke infolge des Ausstiegs aus der Atom- und Kohleverstromung muss die Verdopplung der Photovoltaikleistung in Deutschland auf 100 Gigawatt bereits Mitte der 20er Jahre erreicht werden.“

Aktuell sei das Ziel der Bundesregierung ein Ausbau in dieser Größenordnung bis 2030. Er habe keinen Zweifel, dass langfristig sogar eine Verzehnfachung des solaren Strombedarfs preiswert aus inländischen Ressourcen gedeckt werden könne, sagt Körnig. „Branche und Investoren stehen in den Startlöchern. Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung ihre Ausbauziele für die Solartechnik kraftvoll heraufsetzt und Investitionsbarrieren abbaut.“

Dieser Artikel erschien erstmals im November 2019 bei der WirtschaftsWoche.

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