Siemens-Energie-Chef "Es fehlt ein Gesamtkonzept"

Der Siemens-Energie-Chef Michael Süße will die privaten Stromeinspeiser und die Netzbetreiber an die Kandare nehmen.

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Ein Windenergiepark an der dänischen Nordseeküste bei Ringkoebing Quelle: dpa

Herr Süß, Politik und Industrie streiten immer heftiger über den Atomausstieg. Steht die Energiewende vor dem Scheitern?

Süß: Nein. Deutschland läuft immer dann zur Höchstform auf, wenn es besonders eng wird. Sicher haben wir bei der Energiewende schon Zeit verloren. Die Energiewende wird kaum bis 2022 zu bewältigen sein. Aber ich bin überzeugt davon, dass es gut ausgehen wird.

Wo ist es zurzeit besonders eng?

Beispielsweise bei der Einspeisung des Stroms aus erneuerbaren Energien. Wir haben heute mehr als eine Million Einspeiser in die Netze, und es werden noch mehr. Das sind vor allem Privathaushalte mit Solaranlagen auf dem Dach. Gleichzeitig versäumen wir es aber, die Netze dafür aufzurüsten. Wir gestatten jedem, beliebig Strom ins Netz zu speisen. Jede Gemeinde stellt ein paar Windturbinen auf, jeder Privathaushalt baut sich Fotovoltaikmodule aufs Dach. Wir fragen nicht, an welchen Stellen es Sinn macht, Strom zu erzeugen. Es fehlt ein Gesamtkonzept.

Wie muss das aussehen?

Wir müssen den Kleinerzeuger besser steuern. Heute muss der Netzbetreiber den Strom abnehmen, egal, ob es Bedarf gibt. Wir müssen dahin kommen, dass der Landwirt oder Hausbesitzer mit seiner Fotovoltaikanlage nur noch dann liefern darf, wenn es sinnvoll ist. Und er muss zu Marktpreisen liefern. Der Energiemarkt darf kein Spekulationsobjekt sein, bei dem der private Häuslebauer die nächsten 20 Jahre ein tolles Renditemodell hat. Wir brauchen eine Novellierung des Einspeisegesetzes und mehr volkswirtschaftliche Vernunft.

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Was können die Netzbetreiber von sich aus tun, um die angespannte Lage zu verbessern?

Die vier Netzbetreiber müssen koordiniert agieren. Das ist bisher nicht der Fall, unter anderem mit der Folge, dass die Offshore-Windparks in der Nordsee nicht ans Netz angeschlossen sind.

Wollen Sie eine Verstaatlichung?

Ach was. Aber wir brauchen Koordination und Führung aus der Politik sowie klare Rahmenbedingungen. Auch die Wirtschaft muss mit ins Boot. Es kann nicht sein, dass jeder Partikularinteressen verfolgt. Wir haben den Verband der Solarindustrie, den der Windindustrie, dann gibt es die großen Stromerzeuger und -verbraucher, und jeder verfolgt seine Interessen. Wir sollten uns wieder stärker den Fakten und den technischen Fragen zuwenden.

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