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Solarzellen-Hersteller Insider-Skandal bei Q-Cells

Die Insolvenz von Q-Cells schlug im vergangenen Jahr hohe Wellen - nun entwickelt sich der Fall zum Wirtschaftskrimi. Ein hochrangiger Staatsmanager soll in einen Insiderhandel mit Solaraktien verstrickt sein.

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Wenn aus Pleiten Kriminalfälle werden
TeldafaxDie Insolvenz von Flextrom weckt Erinnerungen an Teldafax. Das Unternehmen, ebenfalls Stromanabieter, das auf Vorkasse setzte, war Im Sommer 2011 pleite gegangen. Viele Kunden hatten für ihren Strom Vorauszahlungen an Teldafax geleistet, für die sie nach der Pleite keine Gegenleistung mehr erhielten. Nun müssen sich drei frühere Vorstände des Stromdiscounters wegen Insolvenzverschleppung und Betrugs vor Gericht verantworten. Nach 18 Monate dauernden Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Bonn im Februar Anklage erhoben. Quelle: dpa
Jürgen SchneiderZu den wohl bekanntesten deutschen Kriminalinsolvenzen zählt der Fall des Baulöwen Jürgen Schneider. Er besaß Dutzende teils historische Immobilien, darunter die Mädlerpassage in Leipzig, die Zeilgalerie in Frankfurt oder das Bernheimer-Palais in München. Doch er hatte sein Imperium auf einem gigantischen Schuldenberg errichtet. 5,4 Milliarden Mark hatten im Banken geliehen. Erst als sein Firmenkonglomerat 1994 kollabierte, wurde offenbar, dass sich Schneider die Kredite teils mit falschen Angaben erschwindelt hatte. Die Banken hatten seine Aussagen oft ungeprüft geglaubt. Nach spektakulärer Flucht und Ergreifung wurde der ehemalige zu knapp sieben Jahren Haft verurteilt. Quelle: AP
BelugaAuch der Schiffbruch der Beluga-Reederei im Jahr 2011 hat ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft Bremen erhob im Februar Anklage gegen Niels Stolberg wegen Kreditbetruges in mehreren Fällen. Dem Reederei-Gründer wird vorgeworfen, zwischen 2006 und 2010 bei Schiffsneubaufinanzierungen die kreditgebenden Banken belogen zu haben. Stolbergs Sprecher verwies in der Vergangenheit darauf, dass es fraglich sei, ob den Banken ein Schaden entstanden sei, Stolberg habe sich nicht persönlich bereichert. Quelle: dpa
FlowtexÜber die skandalumwitterte Ettlinger Bohrtechnik-Firma Flow-Tex wurde beim Amtsgericht Karlsruhe das Insolvenzverfahren geführt. Flowtex hatte im großen Stil Erd-Bohrgeräte vermietet, die gar nicht existierten. Die Geschäftsführer des Unternehmens, Manfred Schmider und Klaus Kleiser, wurden daher im Februar wegen des Verdachts auf Betrug, Kapitalanlagebetrugs und Steuerhinterziehung verhaftet. Die Gläubiger der Schwindelfirma, bei der sogar die Zahl der Beschäftigten gefälscht war, wurden angeblich um 2,5 Milliarden DM geprellt. Quelle: AP
HessDie börsennotierte Leuchtenfirma meldete Mitte Januar Insolvenz an und schnell geriet die Pleite zum Bilanzskandal. Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt wegen des Verdachts auf Betrug und Bilanzmanipulation gegen 15 Personen, darunter auch Geschäftspartner, die mutmaßliche Scheinrechnungen geschrieben haben sollen. Bislang weisen die beiden Hauptbeschuldigten, darunter der entlassene Vorstandschef und der Ex-Finanzvorstand, die Vorwürfe zurück. Quelle: dpa
Phoenix KapitaldienstVon 1992 an hatte der Finanzvertrieb Phoenix Kapitaldienst seinen Kunden Spekulationen auf den Terminmärkten angeboten. Das so eingesammelte Geld sollte in einem speziellen Produkt, dem „Phoenix Managed Account", angelegt werden. Das Geld der Kunden wurde angeblich bei dem Londoner Broker Man Financial verbucht. Doch das angebliche Konto dort gab es nie. Dennoch wies das Unternehmen phantastische Renditen teilweise von mehr als 20 Prozent pro Jahr aus. Spätestens ab 1994 sollen die Angaben reine Illusion gewesen sein. Im März 2005 brach das System zusammen, die Gesellschaft meldete Insolvenz an. Die Geschäftsführerin kam im Juni 2005 in Untersuchungshaft und wurde später wegen Untreue zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Quelle: dpa/dpaweb
SchleckerAuch die Schlecker-Pleite hat ein juristisches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Untreue, Insolvenzverschleppung und Bankrott gegen den früheren Drogeriepatriarchen Anton Schlecker und 13 weitere Beschuldigte eingeleitet. Ermittler durchsuchten im vergangen Jahr Wohnungen und Büros und stellten umfangreiche Unterlagen und Dateien sicher. Ob das für eine Anklage reicht, bleibt abzuwarten. Quelle: dapd

Ein Insider-Skandal um Subventionen für das Solarunternehmen Q-Cells alarmiert die Landesregierung von Sachsen-Anhalt. Dinnies Johannes von der Osten, der Geschäftsführer einer landeseigenen Beteiligungsgesellschaft, die Q-Cells förderte, hielt zugleich eine verdeckte Beteiligung an dem Solarzellenhersteller. Dies zeigen Geheimverträge, die dem Handelsblatt (Dienstagausgabe) vorliegen. Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Hartmut Möllring, fordert nun rasche Aufklärung. „Sofern sich die indirekte Beteiligung von Herrn von der Osten an Q-Cells bestätigen sollte, ist ein Interessenskonflikt offensichtlich“, sagte Möllring dem Handelsblatt und ergänzte: „Das geht auf keinen Fall.“

Der beispiellose Absturz der Q-Cells-Aktie
Die Achterbahnfahrt der Q-Cells Aktie begann vor einigen Jahren. Im Dezember 2005 rückt die Aktie des Solarherstellers aus dem Prime Standard in den TecDax der Deutschen Börse auf. Seit Juni 2007 ist die Aktie im ÖkoDax aufgeführt. Bis zum Jahresende steigt der Kurswert von 20 Euro auf spektakuläre 80 Euro. Quelle: dpa
Sommer 2008: In der Spitze hat das Q-Cells-Papier einen Wert von mehr als 97 Euro. Q-Cells gilt mit seinen langfristigen Siliziumverträgen und der gut verkauften Produktion als Vorzeigeunternehmen der Branche. Das Unternehmen wird sogar als Kandidat für den Dax-30 gehandelt. Quelle: dpa
2009 wird Q-Cells noch als "Business of the Year" ausgezeichnet - wegen außergewöhnlicher Finanzergebnisse, starkem Wachstum und Marktführerschaft. Im Bild ist Anton Milner, früherer Vorstandsvorsitzender des Unternehmens, zu sehen. Quelle: dpa
Doch im Umfeld der Finanzkrise und der wachsenden Konkurrenz aus Asien sinkt der Aktienkurs im März 2009 auf ein vorläufiges Allzeittief von unter zehn Euro. Bis zum Jahresende geht es auch kaum wieder aufwärts. Quelle: dpa
Im Januar 2010 starten die Anteilsscheine mit noch mehr als zehn Euro. Doch im Jahresverlauf stürzt der Börsenwert des Unternehmens um 73 Prozent ab. Quelle: dpa
Im Dezember 2010 sind es nur noch weniger als 2,50 Euro. So schlecht wie der Solarkonzern hat 2010 keine andere Firma aus Dax, MDax oder TecDax abgeschnitten. Quelle: dpa
25 Prozent legen die Papiere im Februar 2011 innerhalb einer Woche zu, dann machen die Anleger Kasse und es geht wieder steil abwärts – und das obwohl die Zahlen gar nicht so schlecht waren und Q-Cells wieder in der Gewinnzone lag. Das Unternehmen hatte mit seinem Ergebnis für 2010 nicht nur die eigenen, sondern auch die Analystenprognosen übertroffen. Dennoch stürzt die Aktie ab März von drei Euro zeitweise auf knapp 50 Cent ab. Quelle: dapd

Mit den Recherchen des Handelsblatts konfrontiert bestätigte von der Osten, dass er bereits bei der Gründung von Q-Cells im Jahr 1999 Anteile an Q-Cells zeichnete – und zwar verdeckt über einen Treuhänder. Im Jahr 2000 beteiligte sich dann unter seiner Verantwortung als Geschäftsführer der IBG das Land Sachsen Anhalt mit 4,1 Millionen Euro an dem Solarzellenhersteller. Er rechtfertigt sich jedoch, er habe weder einem Verbot unterlegen, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, „noch war ich verpflichtet, derartige Beteiligungen mitzuteilen.“

Q-Cells war 2005 an die Börse gegangen und meldete 2012 Insolvenz an. Nach den Verträgen hielt von der Osten über die Firma Capitalnetworks.de GmbH zeitweise eine Beteiligung in Höhe von sechs Prozent an Q-Cells. Treuhänder für Captitalnetworks.de war der Aufsichtsratsvorsitzende von Q-Cells, Thomas van Aubel, der zugleich mit von der Osten befreundet war. Beide verdienten mit dem Verkauf von Q-Cells-Aktien jeweils hohe zweistellige Millionenbeträge.

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