
Das hat Manfred Thiemann noch nie erlebt. Seit über zehn Jahren montiert sein Installationsbetrieb Fokus Energiesysteme aus Bochum Solaranlagen auf Dächer von Privathäusern und Gewerbebetrieben. Und die Zahl der Aufträge wächst stetig. Doch in der zweiten Hälfte 2009 stand sein Telefon nicht mehr still. Zwischen August und September gingen in Thiemanns elfköpfigem Betrieb fast so viele Bestellungen ein wie im gesamten Jahr 2008. „Ab Ende September haben wir keine Aufträge mehr angenommen“, sagt Thiemann. Seinen Wettbewerbern erging es ähnlich: „Alle waren voll ausgelastet“, sagt er. „Wir arbeiten die Aufträge jetzt im neuen Jahr ab.“
Dabei hatte Anfang 2009 noch alles danach ausgesehen, als stürzte die Branche in ihre erste tiefe Krise. Zunächst brach mit Spanien nach einer radikalen Kürzung der Subventionen der wichtigste Absatzmarkt weg, und bei vielen Produzenten stapelten sich die Module in den Lagerhallen. Dann strichen große Investoren auch noch krisenbedingt Investitionen in Solarprojekte.
Die Folge: Die Preise brachen ein wie nie zuvor. Im vergangenen Jahr kosteten Solarmodule im Durchschnitt fast 40 Prozent weniger als noch 2008.
Solarrekord dank Preisverfall
Und doch war ausgerechnet dieser Preisverfall zugleich Auslöser eines neuen Booms. Denn Investoren konnten dank der stark verbilligten Anlagen mit ihren Dachkraftwerken auf einmal Renditen von zehn Prozent und mehr erzielen. Jede ins Stromnetz eingespeiste Kilowattstunde von einer 2009 installierten Solaranlage wird für 20 Jahre mit bis zu 43 Cent vergütet – je nach Größe der Anlage.
Seither ist von Krise keine Rede mehr. Im Gegenteil: Nie zuvor wurden in Deutschland binnen eines Jahres so viele neue Solaranlagen installiert wie 2009. Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) hatte einen Zubau von 682 Megawatt (MW) Leistung prognostiziert. Die Solartechnik-Fachzeitschrift „Photon“ geht nun aber von bis zu 4000 MW aus. Endgültige Zahlen liegen noch nicht vor.
Zugleich aber bescherte der Boom der Branche eine Diskussion, die sie gern vermieden hätte: Denn mit den Installationen schießen auch die Fördersummen in die Höhe.
Statt der erwarteten 2,4 Milliarden Euro müssen Stromkunden den Solarstrom mit 10,4 Milliarden über die Einspeisevergütung stützen. Rechnet man die Anlagen aus den früheren Jahren hinzu, summiert sich die Belastung nach Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen auf fast 80 Milliarden Euro. Seither fordern Politiker und Verbraucherschützer eine radikale Kürzung der Förderung.
"Überförderung“ der Solarindustrie beenden
Sie steht nun offen zur Disposition. Am vergangenen Mittwoch lud der Umweltminister Norbert Röttgen Solarlobbyisten, Industrievertreter und Verbraucherschützer in sein Ministerium, um über eine beschleunigte Reduktion der Einspeisevergütung zu verhandeln. Sein Ziel: die „klare Überförderung“ der Solarindustrie beenden.
Unter so viel politischem Druck sah sich die Solarbranche zu Zugeständnissen gezwungen. Der Solarverband BSW hat dem Umweltminister vorgeschlagen, die Einspeisevergütung jährlich um bis zu 15 Prozent zu senken. Zuvor hielt der BSW eine einmalige zusätzliche Absenkung um fünf Prozent in diesem Jahr für ausreichend.