Spritpreise Mit Klauen und Zähnen: Der Kampf um den Tankrabatt

Spritpreise steigen wieder. Quelle: imago images

Wirkt er? Oder nicht? Das ist die Gretchenfrage im immer härteren Kampf um die Deutungshoheit beim Tankrabatt. Robert Habeck droht den Konzernen mit Zerschlagung und Kratz- und Bisskraft – aber die wehren sich.

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Im „Grüffelo“, das ist ein fantastisches Kinderbuch, erfindet eine Maus, um Ihre Fressfeinde abzuschrecken, ein Monster, eben den „Grüffelo“ – und beschreibt den plastisch. „Er hat schreckliche Hauer“, sagt sie. „Und schreckliche Klauen. Und schreckliche Zähne, um Tiere zu kauen.“ Diesen Grüffelo, lässt die Maus wissen, treffe sie bald – und vertreibt so Fuchs, Eule und Schlange.

Künftig soll die Zerschlagung leichter sein

Ob Robert Habeck, der promovierte Literaturwissenschaftler, nun auch den Grüffelo studiert hat oder nicht, konnte in der Eile nicht recherchiert werden. Aber zumindest sprachliche Parallelen zwischen Kinderbuch und Rhetorik des Wirtschafts- und Klimaministers lassen sich eindeutig ziehen. Und auch die Absicht ist dieselbe. Er wolle, hat Habeck dem „Deutschlandfunk“ gesagt, „ein Kartellrecht mit Klauen und Zähnen“ schaffen. Damit will der Minister vor allem die Mineralölindustrie abschrecken, Firmen wie Shell, wie BP mit seiner Tankmarke Aral oder Exxon Mobil mit Esso.

Nach Habecks Eindruck haben diese und andere Unternehmen die Energiesteuersenkung zum 1. Juni, den Tankrabatt, nicht ausreichend an die Tankkunden weitergegeben hat. Am Wochenende schon hatte Habecks Ministerium ein Papier vorgelegt, in dem eine Verschärfung des Wettbewerbsrechts noch in diesem Jahr angekündigt wird. Künftig soll es auch ohne nachgewiesenen Marktmissbrauch möglich sein, ein Unternehmen zu zerschlagen oder Gewinne abzuschöpfen.

Hören Sie auch im Podcast: Selbst wenn der Ölpreis fällt, bleibt Sprit teuer. Wer verdient daran?

Mit seiner Ankündigung, aber auch mit seiner Rhetorik, eskaliert Habeck den Kampf um die Deutungshoheit beim Tankrabatt. Denn nach wie vor lautet die Gretchenfrage dieses Frühsommers: Wirkt dieser Rabatt nun wirklich nicht? Oder vielleicht doch? Habecks Sichtweise ist eindeutig. Er bezweifelt, dass die Konzerne die Entlastung weitergegeben haben. Als Indiz führt sein Haus natürlich den Preisanstieg nach einem kurzzeitigen Abfall an, vor allem aber, dass die Spritpreise seit Anfang des Monats stärker gestiegen sind als die Preise für Rohöl. Als Indiz kann man auch sehen, dass die Ölraffinerien, die fast durchweg im Besitz der Ölkonzerne sind, ihre Gewinnmargen seit Jahresbeginn auf Rekordhöhen gesteigert haben.

Nur, die Ölindustrie und ihre Lobbyisten, da hinkt der Grüffelo-Vergleich auch schon wieder, wehren sich, lassen sich nicht schrecken, auch nicht von „Klauen und Zähnen“. Sie behaupten, die Preisanstiege ließen sich über Angebot und Nachfrage erklären, das gelte auch für die Margen der Raffinerien. Gestützt werden sie nun auch von einer Studie des Münchener Ifo-Instituts. Aber auch von einem Kartellrechts-Experten bekommt Habeck Gegenwind.

Was läuft schief beim Tankrabatt? Warum steigen die Preise immer weiter? Darüber spricht Duraid El Obeid, Chef von 140 freien Tankstellen der Marken Sprint und Go und Vorsitzender des Bundesverbands freier Tankstellen (BfT) in der aktuellen Folge des WiWo-Podcasts „High Voltage“. Die Erklärung für die zuletzt immer noch hohen Preise ähnelt dabei den Argumenten des Oligopols, jener Mineralölkonzerne, die den Markt beherrschen. Hohe Ölpreise, heißt es, hätten eine Rolle gespielt. Aber nicht nur das. Denn zusätzlich müsse man die Märkte für Rohöl und Fertigprodukte wie Benzin und Diesel auch getrennt betrachten.

„Wir haben eine weltweite und auch in Europa gestiegene Nachfrage nach Fertigprodukten, die auf ein tendenziell verknapptes Angebot trifft“, sagt Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des etwas kryptisch En2x abgekürzten Wirtschaftsverbands Fuels und Energie, der die Interessen der Konzerne vertritt. So habe etwa die Sommerfahrsaison in den USA begonnen und die Nachfrage nach Sprit erhöht, gleichzeitig aber seien die Raffineriekapazitäten begrenzt. So sei die einzige Raffinerie in Österreich, in Schwechat, derzeit ausgefallen. Auch in der Ukraine zerstörte Raffinerien verlagerten die Nachfrage. Und selbst in Deutschland müssten Raffinerien ihre Produktion drosseln, weil, tja, weil die Bahn nicht fährt.

„Es gibt Raffinerien, die im Moment in Teillastbetrieb arbeiten, weil die Fertigprodukte von der Bahn nur noch teilweise abtransportiert werden können. Kesselwagen kommen nicht schnell genug zurück. Bevor die Tanks überlaufen, gehen die Raffinerien dann in den Teillastbetrieb“, sagt Küchen. Auch das verknappe das Angebot, ohne dass das den Mineralölkonzernen angelastet werden könne. Die Argumentation, es handele sich bei Öl und Sprit um zwei Märkte und bei dem einen Markt führten Angebot und Nachfrage eben zu höheren Preisen, sind der Versuch der Industrie, die Vorwürfe vor allem von Robert Habeck und seinem Ministerium zu kontern, man habe unlauter etwas einbehalten.

Die Rückkehr der Tanktouristen

Zudem, das führen sowohl El Obeid als auch Küchen an, gebe es jetzt neuerdings wieder Tanktourismus nach Deutschland, aus Dänemark, aus den Niederlanden, aus Belgien. Das habe es lange nicht mehr gegeben. Preissprünge, etwa in grenznahen Gebieten und Ortschaften, etwa in Trier, erklärt En2x-Geschäftsführer Küchen dann mit der gestiegenen Nachfrage in Grenzregionen. Insgesamt, bleibe man also bei der Einschätzung: „Der Tankrabatt wirkt.“ Ohne die Steuersenkung wären die Preise an den Tankstellen nun „aller Voraussicht nach“ rund 35 Cent bei Benzin und 17 Cent bei Diesel höher. „Wir können die Preisentwicklung mit Veränderungen bei Angebot und Nachfrage erklären.“

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Unterstützung haben die Argumente der Industrie in dieser Woche durch die Studie des Ifo-Instituts erfahren. Ein Forscher-Team um Instituts-Chef Clemens Fuest hat die Spritpreise in Frankreich und Deutschland vor und nach der Einführung des Tankrabatts verglichen. Demnach wurden die Entlastungen beim Diesel zu 100 Prozent, beim Benzin (Super) zu 85 Prozent weitergegeben. Wenn das so wäre, wäre es keine schlechte Quote. Und natürlich hängen Industrievertreter diese Studie mit Bitte um freundliche Beachtung nun an jede verschickte Mail.

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