
Die Transparente waren gemalt. "Wir wollen nicht die Opfer der Energiewende sein", stand auf einem der Plakate, die sich die Belegschaft von E.On in Hannover hatte einfallen lassen. Die Aktivisten der beiden Gewerkschaften Verdi und IG BCE planten Sternmärsche an allen großen Standorten, die der Düsseldorfer Energiekonzern in Deutschland unterhält. Ziel der Arbeiterführer war es, gegen mögliche betriebsbedingte Kündigungen auf die Straße zu gehen. 6000 Stellen will E.On-Chef Johannes Teyssen in Deutschland streichen, sein Kollege Jürgen Großmann vom Essener Wettbewerber RWE sogar 8000. Das weckte Erinnerungen an die Stahl- und Bergarbeiter, die vor einem Vierteljahrhundert mit Großdemonstrationen gegen Zechen- und Werksschließungen Mitleid in der Bevölkerung erregten und die Öffentlichkeit mobilisierten.
Doch die geplante Neuauflage des Massenprotests durch E.On- und RWE-Mitarbeiter vor Weihnachten fällt aus. Derlei solle "tunlichst unterbleiben", heißt es in einem Papier der Gewerkschaften, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Denn, so die Begründung: "Mitarbeiter von Energieversorgern können in Zeiten immer teurerer Energie kaum auf Mitgefühl der Öffentlichkeit setzen, sondern müssten sogar eher mit Häme rechnen."
Preistreiber vom Dienst





Drastische Preissteigerungen
Angst vor ätzendem Spott anstelle warmer Empathie, und das bei Tausenden, die um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten? Das ebenso stille wie ungewöhnliche Kalkül der Werktätigen bei E.On und RWE markiert eine neue Eskalationsstufe in einer Entwicklung, die sich zu einem ernsten Problem auswächst – der ungezügelte Anstieg der Energiepreise. Ob Strom oder Sprit, Öl oder Gas, praktisch jede Energieart verteuerte sich in den vergangenen fünf Jahren drastisch und dürfte sich nach Meinung der meisten Experten in naher Zukunft weiter verteuern.
- Geradezu explosionsartig steigt der Preis für Strom, der seit 2006 um gut ein Drittel nach oben schnellte und allein im kommenden Jahr durchschnittlich um mindestens vier Prozent steigen wird.
- Der Gaspreis legte im gleichen Zeitraum zwar nur um zehn Prozent zu. Dafür wollen die Versorger bis März 2012 nun gleich acht bis zehn Prozent auf einmal draufschlagen, so viel wie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt.
- Traurige Preisrekorde stellen die Abkömmlinge des Erdöls auf: Heizöl plus 43 Prozent, Benzin plus 30 Prozent, Dieseltreibstoff plus 33 Prozent.