Stromkonzerne Die neuen Köpfe der Energieversorger

Mit dem Abgang von EnBW-Chef Hans-Peter Villis erreicht die Energiewende die Chefetagen der Versorger. Wer geht noch, wer kommt, und was können die möglichen Neuen?

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Keine zweite Amtszeit für den Vorstandsvorsitzenden der EnBW, Hans-Peter Villis. Quelle: dpa

Niemand unter Deutschlands Energievorständen will so enden wie EnBW-Chef Hans-Peter Villis, der noch im November stolz sagte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass ich hier bleibe.“

Ein Irrtum, wie sich herausstellte: In der vergangenen Woche schlugen die Aufsichtsräte und Anteilseigner des baden-württembergischen Großversorgers zu. Zwar hatte Kernkraftfreund Villis beim drittgrößten deutschen Stromproduzenten nach dem Atomdesaster von Fukushima im März eiligst die „Geschäftsfelder Erneuerbare und Thermische Energien“ gestärkt.

Doch die persönliche Energiewende des 53-Jährigen kam zu spät. Die Vertreter der grün-roten Landesregierung als Hauptaktionär signalisierten, dass es keine zweite Amtszeit mehr geben würde, die eher konservativen Kommunen als zweiter wichtiger Eigner (ebenfalls 46,5 Prozent) schlossen sich an. Damit ist Villis nur noch ein Energiechef auf Abruf.

Aufsichtsräte überdenken ihre Loyalitäten

Der unerwartete Abgang des tüchtigen, aber politisch unerwünschten Managers aus Castrop-Rauxel hat Schockwellen ausgelöst, die weit über den mehrheitlich öffentlichen Versorger in Baden-Württemberg hinausgehen.

Gut ein halbes Jahr nach dem politischen Beschluss, dass Deutschland bis 2022 aus der Atomkraft aussteigt, frisst sich die Energiewende in die Chefetagen der Versorger. Allen voran die Aufsichtsräte überdenken ihre alten Loyalitäten, weil sie fürchten, die bisherigen Konzernlenker schaffen die Umstellung nicht rechtzeitig.

Was kommt nach den Schließungen?

„Wir hören und sehen nichts von den Vorständen“, kritisiert ein Aufsichtsrat von E.On in Düsseldorf. „Noch immer kann der Vorstand nicht sagen, wie viel Prozent des Umsatzes er 2025 mit erneuerbaren Energien erwirtschaften will.“ Vorstandschef Johannes Teyssen rede hauptsächlich über Schließungen, „aber nicht über das, was danach kommen soll“.

Beim Wettbewerber RWE, wo der Chef-Wechsel bevorsteht, geht das Grummeln sogar schon gegen den Neuen los. „Wir haben den Nachfolger des Vorstandschefs bisher zwei Mal gesehen“, schimpft ein Vertreter der Kommunen im Aufsichtsrat, die 25 Prozent halten. Der Hieb gilt dem Holländer Peter Terium, der allerspätestens im nächsten Sommer RWE-Chef Jürgen Großmann ablösen soll.

Stunde der zweiten Reihe

E.ON-Personalchefin Regine Stachelhaus wurde teilentmachtet Quelle: REUTERS

In den Energieunternehmen schlägt die Stunde der zweiten Reihe. Die Vorstandschefs stammen noch aus der Vor-Fukushima-Ära. Ihre Hoch-Zeiten liegen in der goldenen Ära der Atomenergie, die nicht nur Milliardengewinne garantierte, sondern auch das Selbstverständnis konservativer Politiker prägte.

Das ist seit der Energiewende von Kanzlerin Angela Merkel völlig anders geworden. Die meisten Chancen haben nun diejenigen, die nicht nur über Erfahrungen bei den erneuerbaren Energien verfügen, sondern auch noch eine Expertise bei den konventionellen Kraftwerken wie Kohle und Gas – oder bei Großinvestitionen im Ausland – vorweisen können. Noch halten die Aufsichtsräte zu ihren Altvorständen, doch Unruhe unter ihnen macht sich breit.

Am größten ist die Unsicherheit bei denen, die fürchten, wie EnBW-Chef Villis zu den Opfern des lahmenden Konzernumbaus zu zählen. Zunehmend besorgt beäugen zum Beispiel E.On-Aufsichtsräte das Krisenregime von Personalchefin Regine Stachelhaus. Die frühere Managerin beim Computerhersteller Hewlett-Packard und Ex-Chefin des UNO-Kinderhilfswerks Unicef wurde bereits teilentmachtet.

"Vom Ballast trennen"

Konzernchef Teyssen ließ ihr die Aufgabe abnehmen, mit Betriebsräten sowie den Vertretern der Gewerkschaften Verdi und IG BCE einen Kompromiss auszuhandeln. Stachelhaus wird von der Arbeitnehmerseite wegen ihrer mangelnden Verhandlungserfahrung nicht akzeptiert. Die heikle Mission, 11 000 von 80 000 Stellen zu streichen, muss nun Vorstandskollege Bernhard Reutersberg erfüllen.

Doch Zweifel, ob der eingefleischte Vertriebsmann Erfolg hat, sind angebracht. Reutersberg kommt vom Heizanlagenbauer Vaillant in Remscheid bei Düsseldorf und hat noch nie bewiesen, dass er etwas von Personalmanagement versteht. So ließ er die E.On-Beschäftigten wissen, das Unternehmen müsse sich „vom Ballast“ trennen. Viele fühlten sich beleidigt.

Der Peinlichkeit war ein Hin und Her vorausgegangen, bei dem der personelle Konzernumbau wie ein Wanderpokal bei E.On herumgereicht wurde. Zuerst wurden die Stellenstreichungen aus dem Verantwortungsbereich von Vorstandschef Teyssen an Finanzchef Marcus Schenck verlagert. Dann sollte der für Zukunftsthemen verantwortliche Klaus-Dieter Maubach die Arbeit übernehmen. Doch der wollte sich die Finger nicht verbrennen und gab die Verantwortung an Reutersberg weiter.

Hoffnungsträger der Energiebranche

Der Vorstandsvorsitzende von RWE, Jürgen Großmann (l), und RWE Supply & Trading Chef Peter Terium in Essen beim Richtfest für ein neues Zentrum für Energiehandel und Energiebeschaffung. Quelle: dpa


Wie die künftigen Personaltableaus in den Chefetagen der Energieriesen aussehen, hängt sehr von zwei Großwesiren der Branche ab: Werner Wennig und Manfred Schneider. Die beiden standen früher Bayer vor und haben durch den Umbau des Leverkusener Chemiekonzerns Erfahrung mit Umbrüchen im Markt. Schneider leitet den Aufsichtsrat von RWE, Wenning das Kontrollgremium von E.On. Beide werden, davon gehen Insider aus, im neuen Jahr aufräumen. Es gibt „immer mehr Wackelvorstände“, sagt ein E.On-Aufsichtsrat.

Dass Schneider im Herbst den Holländer Terium zum Nachfolger von Großmann ausrief, zeigt, dass er auf frisches Blut setzt. Terium ist seit 2003 bei RWE, er fing dort als Controller an und gilt als Analytiker, der den Überblick behält.

Maubachs Chance

Zu den Hoffnungsträgern, die im Zuge der Energiewende aufsteigen könnten, darf sich E.On-Vorstand Maubach rechnen. Mit ihm hatte RWE-Aufsichtsratschef Schneider bereits bei der Nachfolgesuche für Großmann gesprochen. Damit zählt Maubach in der Branche zu den Höchstberufenen.

Der 50-jährige Energieingenieur war jahrelang Chef der Konzerntochter E.On-Energie in Bayern, die nun aufgelöst wird. Maubachs Ressorts bei E.On umfasst neue Technologien, Forschung, aber auch die Steuerung von Großinvestitionen. E.On-Aufsichtsräte hatten die Abwerbung Maubachs in letzter Minute verhindert.

Der Kandidat Frank Mastiaux

Als möglicher künftiger Stern in den Top-Etagen der Energiebranche gilt auch E.On-Geschäftsführer Frank Mastiaux. Der promovierte Chemiker war früher bei E.On Chef der Sparte Erneuerbare Energien und ist nun im Konzern für das Neugeschäft im Ausland zuständig. Mastiaux wird als einer der denkbaren Kandidaten gehandelt, die um die Nachfolge von Villis bei EnBW buhlen könnten.

Mastiaux war früher bei BP für das Flüssiggasgeschäft in den USA zuständig. Und genau in dieses Geschäftsfeld will auch EnBW investieren. Der 47-Jährige hat zudem Managementerfahrungen in Asien und in Südamerika.

Für höhere Aufgaben ist auch Fritz Vahrenholt im Gespräch, der zurzeit den Windräder-Teilkonzern Innogy von RWE leitet. Vahrenholt wäre ein Wunschkandidat von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Gegen Vahrenholt spricht nur sein fortgeschrittenes Alter von 62 Jahren. Viele Aufsichtsräte haben ihn bereits seit Langem im Visier.

Villis auf Abruf, Großmann vor der Ablösung – das Dominospiel in der Energiebranche beginnt.

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